Das Letzte, was Älplerinnen und Älpler in der aktuellen schwierigen Situation mit dem Wolf brauchen können, ist ein weiteres Raubtier mit Appetit auf Schafe. Umso beunruhigender klingen die Gerüchte, von denen der Walliser Bote berichtet: Im Unterwallis sollen Gänsegeier – eigentlich als ausschliessliche Aasfresser bekannt – Jagd auf lebende Schafe gemacht haben.
30 Schafe verloren
Angeblich wurden als Reaktion auf die Geierangriffe auch Tiere vorzeitig abgealpt, wobei laut Walliser Bote auch die letztjährigen Wolfsrisse eine Rolle gespielt haben dürften. Den über zehn Gänsegeiern seien allerdings fast 30 Schafe zum Opfer gefallen. Die Oberwalliser Älpler wollten sich gegenüber dem Boten nicht dazu äussern.
Beweise fehlen
Das Problem: Niemand hatte nach den Vorkommnissen die Wildhut alarmiert, weshalb die Kadaver nicht untersucht werden konnten. Beweise, die das Gerücht bestätigen oder aber Entwarnung geben könnten, fehlen daher.
Die Schäfer hätten kapituliert und nehmen auch das Ausbleiben einer möglichen Entschädigungszahlung im Kauf, um nicht an staatliche Stellen gelangen zu müssen, so die Begründung im Walliser Boten.
Wahrscheinlich missgedeutet
Fachleute halten es für unwahrscheinlich, dass Gänsegeier Schafe töten. Entsprechende Hinweise in der Literatur fehlen, wird Livio Rey von der Vogelwarte zitiert. Wahrscheinlicher sei, dass die Vögel einen Wolfsriss entdeckten und sich daran gütlich taten – möglicherweise auch bevor das Tier verendet war. Diese Szene könnte von den Schäfern missinterpretiert worden sein.
Attacken aus Hunger
Die meisten Gänsegeier leben in Spanien, in der Schweiz sind sie nur Sommergäste. Nachdem dort als Reaktion auf die BSE-Krise das Liegenlassen toter Tiere im Freien untersagt wurde, ging den Aasvögeln das Futter aus, wie der Wallis Bote schildert. In der Folge sollen die hungernden Geier auch lebende Nutztiere angegriffen haben.
Wenn Gänsegeier in der Schweiz unter Futterknappheit litten, würden sie eher abwandern, als aggressiv zu werden, kommentiert Livio Rey.