Wenn es im Frühling bei Kühen zu vermehrtem Tränenfluss und entzündeten Augen kommt, fragt sich mancher Kuhhalter, ob dies auf eine Pollenallergie analog zu der Ausprägung beim Menschen zurückzuführen sein könnte? Möglich wäre es, aber es ist eher unwahrscheinlich. Das bestätigt Michael Hässig, der das Diagnostikzentrum für Nutztiere an der Vetsuisse-Fakultät der Universitäten Bern und Zürich leitet.
Pollen verursachen eher selten Allergien bei Kühen
Die Ursache für die tränenden und entzündeten Augen ist mit höherer Wahrscheinlichkeit eine Weidekeratitis, auch «pink eye» genannt. Ein Unterscheidungsmerkmal ist auch die Tatsache, dass bei einer Pollenallergie nur einzelne Tiere betroffen sind; eine Weidekeratitis hingegen breitet sich aufgrund ihrer hohen Ansteckungsgefahr innerhalb der Herde aus.
Die verbreitete Weidekeratitis steckt hinter der Entzündung
Grund für die Weidekeratitis ist das Bakterium Moraxella bovis. Mit seiner haar-ähnlichen Struktur haftet das Bakterium an der Bindehaut. Dort vermehrt es sich und es kommt zu den ersten Entzündungsanzeichen: eine Rötung des Auges beginnt. Im Laufe der Bakterienvermehrung breitet sich die Infektion auf das Augenlid und die Augenhöhle aus.
Tränenfluss begünstigt die Ausbreitung
Auch winzige, ins Auge eindringende Fremdkörper, wie zum Beispiel Staub oder Pollen, können das Risiko einer Weidekeratitis erhöhen. Der Fremdkörper verletzt die Netzhaut und ermöglicht es dem Bakterium Moraxella bovis ins Auge einzudringen. Der Fremdkörper im Auge führt zu vermehrtem Tränenfluss, welcher die Ausbreitung des Bakteriums stark fördert. Auch ein hoher Fliegendruck begünstigt die Ausbreitung der Krankheit, da die Insekten als Überträger dienen.
Kühe sind selten gegen Futtermittel allergisch
Bei allergischen Reaktionen landen ebenfalls Fremdkörper, zum Beispiel Pollen, im Auge und reizen dort die Bindehaut. Dadurch werden die dort befindlichen feinen Blutgefässe geweitet und entzündungsfördernde Botenstoffe wie zum Beispiel Histamin ausgeschüttet. Diese Botenstoffe werden nach einer Immunreaktion freigesetzt und rufen Juckreiz und Rötung hervor. Die gute Nachricht: Allergien sind bei Kühen und Rindern im Allgemeinen selten. Besonders Futtermittelallergien kommen nicht oft vor, weil der Pansen viele Allergene direkt neutralisiert.
Kontaktallergie infolge der Glockenbandpflege
In wenigen Fällen kommt es zu Sonnen- oder Kontaktallergien. «Symptome solcher allergischen Reaktionen bei Kühen und Rindern können Juckreiz, Rötungen, Hautverlust, Speicheln, eitrige Krusten sowie Augen- und Nasenausfluss sein» beschreibt Michael Hässig. Der Tierarzt berichtet von einem spannenden Fall einer Kontaktallergie als Bestandesproblem, bei dem Kühe allergische Reaktionen zeigten, nachdem der Alpwirt die Lederbänder ihrer Kuhglocken mit einem bestimmten Öl gepflegt hatte. Nur in den wenigsten Fällen können allergische Reaktionen für Kühe und Rinder wirklich gefährlich werden.