Das Bernisch Kantonale Schwingfest in Münsingen BE erhielt am Sonntagabend von den Zuschauern viel Lob. Der Schlussgang hingegen weniger. Das Fest schien derart zu begeistern, dass man sich wohl auch einen entsprechenden Schlussgang zwischen Matthias Aeschbacher und Schwingerkönig Matthias Glarner gewünscht hätte. Dieser ging aber nach wenig spektakulären 14 Minuten gestellt aus. Dem Emmentaler Aeschbacher reichte es zwar zum sicherlich verdienten Sieg, denn er gehört heuer zu den «Anführern» der Berner, die Emotionen hatte aber wohl der Berner Oberländer Glarner ganz fest auf seiner Seite. Gross ist die Erleichterung im Berner Lager, dass es der Schwingerkönig nach seinem schweren Unfall wieder fast zur alten Form geschafft hat. Für viele der Zuschauerinnen und Zuschauer grenzt das an ein wahres Wunder.

Graber und Urfer

Also ging man zufrieden nach Hause, rühmte die Gänge und die spannenden Begegnungen im Sägemehl. Oder freute sich mit Willy Graber, einem der langjährigen Publikumslieblinge, der es einmal mehr zum Kranz schaffte. Oder man bedauerte den Abgang von Simon Urfer, der am Sonntag in der Arena vor allen Zuschauern seine Schwingerhose an den Nagel hängte. Er war kein Star am Himmel der Berner, aber einer, den man gerne hatte, einer, der in seinem Klub viel leistete und dem man mit Vorliebe beim «Schlunggen» zusah.

Stucki ist Berner Favorit Nr. 1

Obschon die Berner von einem ausgelassenen und geglückten Kantonalen mit über 11'000 Besucherinnen und Besuchern berichten können, schauen sie diesmal etwas weniger selbstsicher in Richtung Eidgenössisches Schwing- und Älplerfest, als auch schon. Nach drei Berner Königen in Folge könnte es nun einen Richtungswechsel geben. Am Sonntag wurde auf dem Gelände in Münsingen hauptsächlich ein Thema verhandelt. Wer wird der neue König? Die erfolgsverwöhnten Berner schienen nach wie vor auf der innerkantonalen Suche nach ihrem absoluten Favoriten zu sein. Und immer wieder war dabei eines zu hören: «Stucki könnte es richten.» Christian Stucki zeigte am Sonntag tatsächlich ein gelungenes Comeback nach seiner Verletzung und hinterliess den Eindruck, dass ihm die Pause wohl gutgetan haben muss. Aber ob es für den Schlussgang oder gar den Königstitel reicht?

Wenger hat es bereits gezeigt

Sie ist unübersehbar, die Wand, die sich vor den Bernern da auftürmt, schauen sie ostwärts. Joel Wicki, Pirmin Reichmuth, Samuel Giger und Armon Orlik werden ein Durchmarschieren kaum möglich machen. Und die Begegnungen mit ihnen in den vergangenen Wochen haben gezeigt: Sie wollen alles. Reden die Berner über die Zentral- und Ostschweizer Königsanwärter, ist immer auch ein Stück Hoffnung zu hören. Denn die Erinnerung an Liebling Kilian Wenger zeigt, es läuft nicht immer so, wie man sich das im Vorfeld ausgemalt hat. 

Da war doch mal dieser Käser

Die Berner haben noch weitere solche Geschichten in ihrem Repertoire, schaut man zurück. Eine ist jene um den jüngsten Schwingerkönig aller Zeiten: Adrian Käser. «Lätz» war damals nur eines, nämlich der Schwung, mit dem Käser am Esaf in Stans 1989 als erst 18-jähriger Nachwuchsschwinger den klaren Favoriten Eugen Hasler nach acht Minuten besiegte. Und vermutlich war er seinerzeit von der Einteilung in den Schlussgang gegen Hasler gehievt worden, weil man sich so sicher war, dass dieser den Berner Jungspund bezwingen würde. Dem war aber nicht so. Auch eine am Mikrophon einberufenen Sitzung nach dem Schlussgang änderte nichts an der Tatsache, Käser war König.

Kein König älter als 31 Jahre

Die Berner sind also für Überraschungen gut. Und sollte der neue Schwingerkönig in knapp zwei Wochen tatsächlich Christian Stucki heissen, dann hätte die Schweiz vielleicht den schwersten König in ihrer Geschichte, aber ganz sicher auch den Ältesten. Denn einer von Stuckis Jahrgängern ist Matthias Glarner, der vor drei Jahren die relativ kurze Liste der mit 31 Jahren ältesten Schwingerkönige seit 1895 fortsetzte.

Oder vielleicht gar kein König?

Für eine weitere Überraschung könnte ein Phänomen sorgen, zu dem es 1950 in Gränchen zum letzten Mal kam, nämlich keinen König. Der Nordostschweizer Walter Haldemann und der Nordwestschweizer Peter Vogt gingen beide als Erstgekrönte vom Platz. Das, nachdem sie während ganzen 35 Minuten versucht hatten, den Gegner zu bezwingen. Das Reglement, das nur bedingt überarbeitet wurde, könnte auch in Zug zu so einem Resultat führen.

Doktor Ernst Schläpfer

Viele erfolgreiche Schwinger sind Zimmermann, Metzger, Käser und Landwirt von Beruf. Metzger, weil diese neben Kraft wohl den «Killerinstinkt» haben, wie Matthias Sempach, Schwingerkönig von Burgdorf BE, sich einst medial äusserte. Akademiker waren bislang in Königsreihen kaum zu finden. Matthias Glarner, der Sport studiert hat, gehört zu den Ausnahmen. Ihm geht aber ein bekannter Agronom voran. Ernst Schläpfer, der König von St. Gallen und Langenthal BE ist heute Rektor des Berufsbildungszentrums in Schaffhausen.
Zumindest seine Doktorarbeit unter dem Titel «Bewertung und Einschätzung von Schlachttieren der Kategorien Kühe, Jungbullen und Kälber unter schweizerischen Verhältnissen» zeugt doch von einer gewissen Sympathie mit dem Metzgerberuf.

Das Orlik-Duell

Sollte wieder einmal ein Agronom die Krone oder eben den Kranz aufsetzen, müsste Curdin Orlik, der abtrünnige Bündner, der unter der Berner Fahne einmarschieren wird, den Schlussgang gewinnen. Und an Spannung kaum zu überbieten wäre natürlich die Möglichkeit des Orlik-Duells. Denn während Curdin als Mitfavorit zählt, ist sein Bruder Armon am Esaf Top-Favorit und daran dürfte auch sein frühzeitiger Abgang nach dem ersten Gang am Schwägalp-Schwinget am vergangenen Sonntag nichts ändern.

Zwei Sachen stehen fest: Es bleibt spannend und die Berner sind für Überraschungen gut!

 

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