Beim Fototermin vor der Scheune erklärt Jeanette Zürcher-Egloff: «Mein Traum war es schon immer, Landwirtin zu werden. Heute bin ich mit Leib und Seele Landwirtin und Bäuerin.»
Die 58-Jährige kocht gerne, liebt es aber auch, die 30 Milchkühe auf dem Hof zu versorgen oder Arbeiten mit den Maschinen zu erledigen. Ihr Lebensziel, selbst in der Landwirtschaft tätig zu sein, entdeckte sie bereits als Mädchen auf dem Bauernhof in Grüningen im Zürcher Oberland, wo sie aufwuchs.
Einzige Frau
In der Schule war sie das einzige Mädchen, das als Berufsziel «Landwirtin» angab. Sie zog es durch und fand einen Lehrbetrieb. «Ich war auch die einzige junge Frau in der Berufsschul-Klasse», erinnert sie sich. Sie schaffte alle anfallenden Arbeiten und lernte auch den Umgang mit der Technik auf den Lehrbetrieben. Anschliessend besuchte sie in den Winterhalbjahren die Landwirtschaftliche Schule Zürcher Oberland in Wetzikon.
Ihre Grosseltern lebten in Argentinien. Deshalb lernte Jeanette Zürcher in den Sommern zielstrebig Spanisch in Wort und Schrift und arbeitete dann ein halbes Jahr im Nordosten Argentiniens auf einem Hereford-Mutterkuhbetrieb. «Die meiste Zeit davon überwachte ich die 500-köpfige Rinderherde und eine 500-köpfige Schafherde vom Pferd aus», schwärmt sie noch heute. Ihr Französisch perfektionierte sie in Frankreich und das Englisch in den USA, wo sie als Praktikantin auf Milchwirtschaftsbetrieben arbeitete.
Beim SBV funkte es
«Zurück in der Schweiz, besuchte ich den Handels- und Verwaltungskurs am Strickhof.» Nach diesem Kurs, mit der Ausbildung als Landwirtin und drei Fremdsprachen im Gepäck, bewarb sie sich spontan beim Schweizer Bauernverband (SBV). «Die Frau, die mir Auskunft erteilte, bot mir am Telefon ihre gegenwärtige Stelle als Leiterin der Praktikanten- und Saisonniersvermittlung an, weil sie sich beruflich verändern wollte», erinnert sich Jeanette Zürcher noch genau.
Beim SBV fand sie ihr Glück, denn dort arbeitete auch Franz Zürcher. Bald funkte es zwischen ihnen. Franz verliess den SBV, weil er 1991 den elterlichen Hof übernahm, und so verlor der SBV Jeanette Zürcher wieder, als sie Franz heiratete. Die beiden planten zusammen den neuen Laufstall in Edlibach ZG – «und bis heute besprechen Franz und ich alle Investitionen in den Hof gemeinsam», betont sie. Zudem absolvierte sie die Bäuerinnenschule in Uster ZH.
Kinder, dann Verbandsarbeit
Nach der Heirat wurde die dynamische Frau Mitglied bei den Zuger Bäuerinnen und Vorstandsmitglied. 1994 wurde das Paar Eltern von Pascal, 1996 folgte Andreas, 1998 Tochter Katrin. Nach der Geburt von Andreas absolvierte Jeanette erst die Berufsprüfung als Bäuerin mit Fachausweis, einige Jahre später bestand sie die Höhere Fachprüfung diplomierte Bäuerin HFP.
Heute ist Jeanette Vizepräsidentin des Schweizerischen Bäuerinnen- und Landfrauenverbands (SBLV) und Bildungsverantwortliche. «Mein Amt als Vizepräsidentin gibt zu tun, aber unser Vorstand arbeitet unter Präsidentin Anne Challandes optimal zusammen. Und wir haben es gut zusammen», beschreibt sie die Vorstandsarbeit.
Berufsprüfung Bäuerin ist gefragt
Die Sichtbarkeit der Bäuerinnen in der Gesellschaft habe sich in den letzten 20 Jahren stark verbessert, das sei auch den ehemaligen Präsidentinnen Ruth Streit und Christine Bühler zu verdanken, betont Jeanette Zürcher.
Die Arbeit als Bildungsverantwortliche beim SBLV liege ihr am Herzen, die Durchführung der Berufsprüfung zur Bäuerin habe man professionalisiert. Schlossen im Jahre 2006 in der deutschen Schweiz noch 56 Bäuerinnen diese Prüfung ab, waren es 2020 schon 215, verkündet Jeanette Zürcher nicht ohne Stolz.
Bäuerinnen sind sichtbarer geworden
Die Arbeit der Bäuerin auf den Höfen sei schon immer immens wichtig gewesen, aber in der Vergangenheit oft nicht sichtbar, betont die SBLV-Vizepräsidentin. Heute sei die Bäuerin in der Öffentlichkeit viel besser präsent. Deren soziale Absicherung sei noch nicht da, wo sie sein sollte, aber man sei auf dem richtigen Weg. «Dafür kämpfe ich mit Anne Challandes auch im Vorstand des SBV», hält Jeanette Zürcher fest.
Auszeiten werden geplant
Bäuerin zu sein, die Mitarbeit auf dem Hof und die Arbeit in den Verbänden – dieser Balanceakt gelinge dank der Wochenplanung mit ihrem Mann: «Dadurch, dass unser Sohn Pascal einmal in der Woche auf dem Hof mitarbeitet, haben wir mehr Luft.»
Erholung finden Jeanette und Franz Zürcher in den Skiferien, die einen festen Platz im Jahresplan haben. «Während des Sommers planen wir für uns bewusst mehrere längere Bergwanderungen ein.» Und wichtig sei ihr auch ihre wöchentliche Turnstunde, ebenso, wie in Ruhe ein Buch zu lesen.