Die Ergebnisse einer gross angelegten Studie zur Milchviehgesundheit in Deutschland wurden kürzlich veröffentlicht. Auf insgesamt 765 Betrieben in drei Regionen (Nord-, Ost-, und Süddeutschland) mit intensiver Milchviehhaltung führten Forschende der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover Betriebsinspektionen durch. Sie interviewten Landwirte und untersuchten insgesamt 186 00 Tiere, darunter Kühe, Jungtiere und Kälber. Die Studie wurde vom Bundesagrarministerium gefördert und ist deutschlandweit repräsentativ. Die Resultate sind ernüchternd.
40 Prozent der Tiere lahmen
In der Region Ostdeutschland lahmen 40 Prozent der untersuchten Tiere. Die Forscherinnen berichteten, bei den Landwirten mangle es an der Fähigkeit, lahmende Tiere als solche zu erkennen. Die intensive Tierbetreuung koste eben viel Zeit, und diese hätten die Bauern nicht, so berichtet auch die deutsche Tageszeitung «taz». Die deutschen Forscher identifizierten einen beträchtlichen Anteil an Betrieben, auf denen die angemessene landwirtschaftliche Praxis nicht eingehalten wird. Dies geht auf Kosten der Tiergesundheit. Erstaunlich war auch, dass die Mehrheit der Bauern im Interview angab, mit der Gesundheit ihrer Tiere durchaus zufrieden zu sein.
Lahme Kühe in der Schweiz
Auch auf Schweizer Milchviehbetrieben treten Lahmheiten auf. Dies kann Adrian Steiner, Leiter der Wiederkäuerklinik der Vetsuisse-Fakultät Bern, bestätigen: «Die letzten Untersuchungen gehen auf das Jahr 2011 zurück. Damals konnte bei 15 Prozent der untersuchten Kühe eine Lahmheit festgestellt werden und auf über 80 Prozent der Betriebe gab es mindestens eine lahme Kuh». Nach Eutergesundheit und Fruchtbarkeitsproblemen sind Lahmheiten und Klauenkrankheiten nämlich die dritthäufigste Abgangsursache der Schweizer Milchkühe. Nach der Schätzung der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (HAFL) kosten Lahmheiten in einer Herde von 27 Milchkühen Fr. 2 00.– pro Jahr.
Mortellaro auf dem Vormarsch
Auch die Krankheit Mortellaro, oft Erdbeerkrankheit genannt, ist auf dem Vormarsch in Schweizer Milchvieh- und Mutterkuhherden. «Die Klauenerdbeerkrankheit kommt beispielsweise in Laufställen häufiger vor als in Anbindeställen. Ob in der Schweiz Klauenkrankheiten insgesamt in der einen oder anderen Haltungsform häufiger vorkommen, ist unseres Wissens nicht bekannt», so Steiner. Zum Thema Klauengesundheit gibt es derzeit noch viele offene Fragen. Im Durchschnitt werden die Klauen ein bis zwei Mal pro Jahr vom Klauenpfleger bearbeitet. Theoretisch wären anhand des aktuellen Kuhbestandes schweizweit also etwa eine Million Gesundheitsdaten auf Kuhebene vorhanden, wenn die Klauenpfleger die Befunde einheitlich erfassen würden.
Projekt «Gesunde Klauen»
Mit diesem Ziel reichten die Schweizer Klauenpflegervereinigung (SKV), die Arbeitsgemeinschaft Schweizerischer Rinderzüchter (ASR) und die Schweizer Vereinigung für Wiederkäuergesundheit (SVW) erfolgreich ein Gesuch für das Projekt «Gesunde Klauen – das Fundament für die Zukunft» ein, welches vom Bundesamt für Landwirtschaft finanziell unterstützt wird.Von 2019 bis 2024 sind 100 Klauenpfleger und 200 00 Kühe in das Projekt involviert. Bei der regelmässigen Klauenpflege wird die Klauengesundheit mittels Tablet-Computer erfasst. Auch hierzulande wird also zur Verbesserung der Klauengesundheit von Milchkühen und Mutterkühen intensiv geforscht.
Zuchtwert Klauengesundheit
Nach der Anonymisierung der erfassten Daten werden diese vom Rindergesundheitsdienst sowie von der Vetsuisse-Fakultät Bern zur Entwicklung von Klauengesundheitskonzepten genutzt. Auch die Zuchtorganisationen dürfen die anonymen Daten zur Entwicklung eines Zuchtwertes «Klauengesundheit» verwenden.