Zufälligerweise logiere ich während der Session in Bern im gleichen Hotel wie Bauernpräsident Markus Ritter. Wir sind beide Frühaufsteher und begegnen uns daher häufig beim Morgenessen. Ich kann nur sagen: Morgens um halb sieben ist Ritter schon hellwach. Er ist unüberhörbar präsent mit Zahlen, Fakten und Prognosen. Wenn man den Morgen ruhig angehen will, darf man sich nicht an seinen Tisch setzen! Wenn man jedoch – wie ich – seine Klarheit und den politischen Dialog mag, ist man am richtigen Ort.
Ersatzwahl war das Morgenthema
Anfang letzter Woche war die Ständerats-Ersatzwahl im Kanton St. Gallen unser Morgenthema. Nicht erstaunlich, dass wir uns gemeinsam freuten und uns einig waren, dass es jetzt richtig wäre, wenn sich Nationalrätin Susanne Vincenz-Stauffacher zugunsten ihrer bürgerlichen Kollegin Esther Friedli zurückziehen würde. Zwei Tage später war es dann so weit. Ich bin froh, dass sich Susanne, die ich ebenfalls sehr schätze, so entschieden hat, denn das stärkt die bürgerliche Einheit und ihre Glaubwürdigkeit.
Etwas anders sieht dies wohl das «St. Galler Tagblatt» mit seinen Kopfblatt-Ausgaben, zu der auch «meine» «Thurgauer Zeitung» gehört. Es hat sich mehrfach für eine breite Allianz gegen Esther Friedli ausgesprochen und schon früh für Susanne Vincenz-Stauffacher Partei ergriffen. Als ehemaliger Redaktor erlaube ich mir die Aussage, dass dieses Verhalten des «St. Galler Tagblatts» publizistisch absolut nicht professionell war. Eine Zeitung, die über ein Monopol verfügt, muss bei Wahlen breit informieren und analysieren, sich aber mit Meinungen zurückhalten. Auf jeden Fall darf sie nicht zum Vordenker-Organ für eine der Kandidatinnen werden.
Weniger Freude am Morgentisch herrschte dann im späteren Verlauf der Woche. Die Reform der beruflichen Vorsorge (BVG) war nicht nach den Wünschen von Landwirtschaft und Gewerbe verlaufen. Der versicherte (koordinierte) Lohn wurde neu auf 80 Prozent des Jahreslohns festgelegt, während heute erst ab einem Jahreslohn von 25'725 Franken Pensionskassenbeiträge fällig werden.
Kompromiss wurde abgelehnt
Das heisst, dass die Versicherungsbeiträge bereits viel früher anfallen, was einem wichtigen Anliegen der Frauenorganisationen inklusive Landfrauen entspricht und grundsätzlich positiv ist. Umgekehrt erhöhen sich dadurch für die Arbeitgeber mit vielen Angestellten in Teilzeit und mit eher tiefen Löhnen die BVG-Beiträge stark. Den Kompromiss eines Beitragsbeginns bei 12 443 Franken, wie ihn der Bundesrat vorgeschlagen hatte, lehnte das Parlament leider ab. Völlig überladen sei das Fuder nun, schimpfte Markus Ritter am Morgentisch und untermauerte dies mit eindrücklichen Zahlen.
Auch wenn ich die Bedenken von Landwirtschafts- und Gewerbeseite teile, habe ich mich bei der Schlussabstimmung über die BVG-Reform enthalten, um dem Volk das letzte Wort zu geben. Denn SP und Gewerkschaften haben schon lange angekündigt, das Referendum zu ergreifen. Auf bürgerlicher Seite ist deshalb nochmals eine Lagebeurteilung vorzunehmen, was nachteiliger ist: das revidierte Gesetz oder die Folgen eines Neins an der Urne? Gewerbe und Landwirtschaft werden dabei eine entscheidende Rolle spielen.
Zur Person
Der SVP-Politiker Jakob Stark sitzt für den Kanton Thurgau im Ständerat. Er schreibt regelmässig für die Rubrik «Arena» im Regionalteil Ostschweiz/Zürich der BauernZeitung.