Diese Woche war ich viel unterwegs. So fuhr ich unter anderem am 13. November 2024 zur Hausmesse an den Arenenberg, dem Thurgauer Kompetenzzentrum für Landwirtschaft. Von da fällt der Blick leicht ins angrenzende Ausland, nach Deutschland. Wie vielerorts in der Ostschweiz.
Grenzen überqueren
Wenn ich von meinem Wohnort Haldenstein mit dem Bike losfahre, komme ich über die Bündner Herrschaft und die Luzisteig schnell im Fürstentum Liechtenstein an. Ich durchquere dabei einen Teil des EWR (Europäischer Wirtschaftsraum, Liechtenstein zusammen mit Island und Norwegen). Wenn ich genug Energie aufbringe, geht meine Fahrt ins St. Galler Rheintal, führt mich nach Feldkirch und tiefer ins Vorarlberg (A). Ich wechsle dabei zwischen Schweiz, EWR und EU. Fahre ich weiter, gelange ich über das Bödele in den Bregenzer Wald. Ich bewundere da die innovative, selbstbestimmte Handwerkskultur. Und überall treffe ich auf gepflegte Agrarlandschaften und auf der Schweiz sehr ähnliche landwirtschaftliche Betriebsstrukturen. Man könnte fast enttäuscht sein, dass sich da nicht mehr Unterschiede manifestieren.
Doch zurück zum Arenenberg. An der Herbstmesse referierte ich zusammen mit Marcel Dettling, Präsident der SVP Schweiz, über die bilateralen Verträge mit der EU. Ich tat das im Namen der IG Agrarstandort Schweiz, deren Geschäftsstelle ich im Mandat führe. Unsere bewusst sehr heterogen zusammengesetzte Interessengemeinschaft hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Wert der bilateralen Verträge mit der EU besser sichtbar zu machen. Den Wert für die Landwirtschaft, aber auch die ganze Land- und Ernährungswirtschaft bis hin zu den Konsumenten.
Keine Unterschiede zu sehen
Wir haben alle vergessen, dass wir historisch gesehen noch nie so gute Nachbarn hatten, wie wir sie heute mit den EU-/EWR-Staaten haben. Wir haben alle vergessen, dass wir Saat- und Pflanzgut und andere Produktionsmittel hürdenfrei und ohne bürokratischen Aufwand aus dem EU-Raum beschaffen oder im geringen Umfang exportieren können. Wir haben vergessen, wie wichtig unsere Nachbarländer für den Absatz von Schweizer Käse sind. 80 Prozent der Käseexporte finden da Käufer.
In der Vorbereitung auf das Gespräch mit Marcel Dettling habe ich mir aber auch Gedanken gemacht, die über den rein materiellen Nutzen der «Bilateralen I und II» oder eben künftig der «Bilateralen III» hinausgehen. Ich frage mich, warum wir in der EU nur noch das zentralistische, gleichmachende Bürokratiemonster und die Gegensätze zu unserer direkten Demokratie sehen wollen. Und dabei vergessen, dass mit dem Bike locker durch CH-EWR-EU-Agrarlandschaften gegondelt werden kann und es einfach kaum Unterschiede zu sehen gibt. Und ich habe mich an den Fotografen Oliviero Toscani erinnert.
Toscani hat für Benetton geworben. Er hat kürzlich in einem Interview gesagt: «Niemand weiss, wie Frieden aussieht, welche Bilder man für ihn findet.» Er hätte gerne noch eine Kampagne für den Frieden gemacht. Er gesteht aber: «Frieden ist unfotografierbar. Ich hätte es gerne probiert.» Hilft dieses nicht realisierte Bild als Symbol, um die EU anders zu sehen, als unverzichtbares Friedensprojekt vor unserer Haustüre? Beitreten müssen wir der EU nicht. Die Bilateralen III reichen.
Zur Person
Christof Dietler ist Agronom und Mitinhaber der Agentur pluswert (Chur und Basel). Er schreibt für die Rubrik «Arena» im Regionalteil Ostschweiz/Zürich der BauernZeitung.