AboDie Expertise der produzierenden Landwirtschaft fehle in der beratenden Kommission des Bundesrates, so die Kritik von Bauernunternehmen.LenkungsabgabenNeue Kritik der IG-Bauernunternehmen: «Die Beko verkommt zum Steigbügelhalter der Verwaltung»Freitag, 28. März 2025 Auf den ersten Blick wirkt die Kritik verständlich: Die vom Bundesrat ernannte Beratende Kommission für Landwirtschaft (Beko) wirkt ziemlich akademisch. Die Mitglieder kommen aus der Forschung, dem Umweltschutz, der Politik, den Unternehmen. Hinter den meisten Namen auf der vom Bund publizierten Mitgliederliste stehen eindrückliche Titel – nur Landwirt(in) EFZ sucht man vergebens. Immerhin gibt es eine dipl. Bäuerin.

Weder exekutive noch legislative Funktionen

So weit der erste Blick. Auf den zweiten Blick wird aber klar, dass die Beko nicht als Produzentenvertretung gedacht ist und nicht repräsentativ zusammengesetzt sein muss. Wie andere beratende Kommissionen des Bundesrates hat sie weder exekutive noch legislative Funktionen, sondern stellt eine Art «Rat der Weisen» dar, dessen Fachwissen die Regierung bei ihren Entscheidungen anhören möchte. Dass sie dabei bevorzugt auf ausgewiesene Experten mit beeindruckendem wissenschaftlichem Palmarès zurückgreift, liegt in der Natur der Sache. Geht es am Ende um die Sache, wiegt die Stimme der eigentlichen Interessenvertreter während der Vernehmlassung und anschliessend im Parlament ohnehin schwerer.

Auf den zweiten Blick sieht also alles etwas weniger dramatisch aus. Ist der Unmut folglich ungerechtfertigt? Nicht ganz, denn es gibt noch einen dritten Blick. Er speist sich aus der Erfahrung der Betroffenen, die ein Muster wiedererkennen, das ihnen längst wohlvertraut ist.

Sie machen die Beobachtung, dass jene, die die Regeln machen, immer seltener ihresgleichen sind. Wohin sie sich auch wenden, seien es Ämter, Verbände, Abnehmer, politische Parteien, Medien: Häufig sitzen sie Leuten gegenüber, die kaum noch «Dreck an den Schuhen» haben und dafür viel Erfahrung in Bildungseinrichtungen, Sitzungszimmern und Büros vorweisen können. Nur noch selten kommt das Gefühl auf, die gleiche Sprache zu sprechen. Es sind die feinen Unterschiede, die ausmachen, wer dazugehört – und wen man hört.

Gesunder Menschenverstand reicht nicht mehr aus

Das geht nicht nur den Bauern so. Die zunehmende Bürokratisierung aller Lebensbereiche hat eine gewaltige Welle der Professionalisierung nach sich gezogen. Um die komplexen Regelwerke und Prozesse verstehen zu können, reichen gesunder Menschenverstand und Leistungswille längst nicht mehr aus (böse Zungen behaupten gar, sie seien eher schädlich). Die Folge: Universitäten und Fachhochschulen bilden Heerscharen von jungen Leuten dazu aus, Leben und Arbeit anderer zu managen.

Sie finden Jobs in den verschiedensten Branchen. Welche Firma, welcher Verband kommt noch ohne Spezialisten für Nachhaltigkeit aus? Die Folge: Die Interessenvertreter haben miteinander oft mehr gemein als mit jenen, die sie eigentlich vertreten sollten. Man kennt sich von früher, man spricht die gleiche Sprache, man versteht sich – gewiss gibt es Konflikte, doch die löst man professionell, weil man ja weiss, dass man dieselben «Werte» und «Ziele» teilt, an deren Erreichung alle – und jedes Jahr ein paar mehr – mitarbeiten.

Wenn nun die Basis rebelliert, polternd darauf besteht, dass einfach nur ihre ganz konkreten Interessen durchgesetzt werden, kommt Unruhe ins System. Der Praktiker, der nicht um die Feinheiten der politischen Prozesse weiss und sich um die sorgsam trainierten Sprachregelungen der Gebildeten foutiert, erscheint als Störenfried. Schnell unterstellt man ihm Unwissen oder gar Egoismus und fehlenden Anstand.

Dabei zeigen gerade die letzten Jahre, dass vieles, was laut Experten unmöglich war, ohne Weiteres innert kürzester Zeit durchgezogen werden konnte, wenn es die Not oder der politische Wille gebot. Die Frage muss erlaubt sein, ob Interessenvertreter so etwas wie ein eigenes «Klasseninteresse» haben und ob dieses nicht bisweilen mit ihrer eigentlichen Aufgabe kollidiert.

Sich selber in die Hände spielen

Längst lehrt die Soziologie, wie sehr Ideologien, Strukturen und vermeintliche Erkenntnisse und Wahrheiten auf unheimliche Weise stets jenen in die Hände spielen, die sie selbst definiert haben. Weisse bauen eine Welt für Weisse, Männer eine für Männer, Reiche eine für die Reichen. Seltsam, anzunehmen, dass ein einflussreiches und gut dotiertes Milieu wie jenes, das an den staatlichen Schaltstellen ebenso zu Hause ist wie in den Teppichetagen der Wirtschaft und den Sitzungsräumen der Verbände und Non-Profit-Organisationen, da eine Ausnahme machen sollte.

In dieser Welt ist der Praktiker ein Exot und die eigene Meinung Konsens. Doch es gibt keinen besseren Realitätscheck als die Anwendung im Feld. Nur das Feedback der Praxis zeigt schonungslos auf, ob die Annahmen der Experten stimmen oder nicht.

Und so haben die bäuerlichen Kritiker – auf den dritten Blick – eben doch recht: Dass die Expertise jener Unternehmer, die an der Produktionsfront Vollgas geben, nicht Teil des Wissens sein soll, auf das die Regierung zurückgreifen will, sagt etwas aus über die Prioritäten der Agrarpolitik. Mehr als jedes taktvoll formulierte Grundlagenpapier.