«Verglichen mit dem Ausland sind wir ein Kleinstbetrieb», sagt Fabienne Wyder. Die Schweinehalterin führt mit ihrem Mann in Büren an der Aare im Kanton Bern einen Betrieb von 16 Hektaren. Sie haben sich auf die Schweinekernzucht spezialisiert und kommen ohne Angestellte aus. Bei ihnen leben 56 Muttertiere und gesamthaft 700 Schweine.
«95 Prozent müssten umbauen»
In der Schweiz dürften maximal 250 Mutterschweine oder 2000 Mastschweine gehalten werden, erklärte Fabienne Wyder. Ihre Muttertiere könnten sich mit ihren Jungen frei bewegen und die Ferkel hätten einen Rückzugsort, betonte sie.
Doch: «Nicht einmal wir erfüllen die Auflagen der Massentierhaltungs-Initiative. Denn diese verlangt eine Tierhaltung gemäss dem Standard von Bio Suisse», sagte Wyder. Konkret bräuchte es viel mehr Stallfläche für die gleiche Anzahl Tiere, drinnen wie draussen, Auslauf auch während der Säugezeit, Weide- oder Wühlbereiche. «95 der Betriebe mit Zuchtsauen müssten komplett umbauen, in vielen Fällen wäre das gar nicht möglich», hielt die Bernerin fest.
«Um Meilen voraus»
«Wir sind der EU um Meilen voraus», sagte seinerseits Markus Ritter, Präsident des Schweizer Bauernverbands (SBV). Bei uns sei die Käfighaltung von Legehennen seit 30 Jahren verboten, in der EU mit einem Anteil von 50% immer noch sehr verbreitet. Auch den Schweizer Schweinen gehe es deutlich besser als ihren Artgenossen im Ausland. Kastration sei immer nur mit Narkose erlaubt, Schwänze dürfte in keinem Fall kupiert werden. Zudem lebten 79% der deutschen Schweine auf Vollspaltenböden, dies sei bei uns nicht mehr zugelassen.
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Label entwickeln sich langsam
«Auch bezüglich der Stallfläche pro Tier sind die Platzverhältnisse bei uns immer grosszügiger», sagte Ritter. Ja, man könne diese immer noch zu beengend finden, «das ist legitim». Doch es gebe unzählige Labels, die auf freiwilligen Programmen von besonders tierfreundlichen Ställen oder regelmässigem Auslauf im Freien beruhen, sowie mehrere Label, die noch viel weiter gingen, wie Bio, Demeter oder KAG-Freiland.
«Doch diese haben einen sehr tiefen Markanteil und entwickeln sich nur langsam», so der St. Galler Mitte-Nationalrat. «Das Tierwohl scheint bei vielen Menschen spätestens an der Ladenkasse zu enden.»
Höhere Importe befürchtet
An den Bauernbetrieben liege es jedenfalls nicht. Beim Geflügel sei BTS praktisch flächendeckend umgesetzt, bei den Legehennen habe auch RAUS einen hohen Anteil von 85 Prozent. 85 Prozent der Kühe lebten ebenfalls unter RAUS-Bedingungen, 60 Prozent in einem Freilaufstall. Bei den Schweinen lebten 70% in einem besonders tierfreundlichen Stall und 50% hätten einen Auslauf.
«Der Konsum würde sich bei einem Ja nicht ändern», befürchtete Markus Ritter. Bereits heute sei die Schweiz auf umfangreiche Importe angewiesen. Bei einer Annahme würde sich dies speziell bei Geflügelfleisch, Eiern und Schweinefleisch nochmal stark erhöhen.
«Jedes Jahr Fortschritte»
«Ist die Situation perfekt? Nein, bestimmt nicht. Aber die Entwicklung in der Landwirtschaft zeigt, dass es jedes Jahr Fortschritte gibt», sagte die Freiburger FDP-Ständerätin Johanna Gapany. Punkto Tierwohl sei daran erinnert, dass das Tierschutzgesetz seit seiner Einführung im Jahr 1981 viele Male revidiert wurde, sodass sich die einheimische Tierzucht immer weiter verbessert habe. «Heute befindet sie sich auf einem Niveau, das seinesgleichen sucht», hielt die Politikerin fest.
Käse nur noch für Reiche?
Markige Worte fand auch der Tessiner Ständerat Marco Chiesa, Präsident der SVP. «Die extreme Initiative würde die Versorgungssicherheit der Schweiz mit Lebensmitteln gefährden.» Nur noch Reiche könnten sich so noch Schweizer Fleisch und Käse leisten. «Unsere Schweizer Bäuerinnen sollen Lebensmittel produzieren dürfen, statt Schmetterlinge zählen zu müssen.» Auch er befürchtet höhere Importe aus dem Ausland. « Wir sagen Nein zu dieser unehrlichen Politik der linksgrünen Parteien», so Chiesa.
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1800 Franken mehr
Ein systematischer Bio-Standard wäre mit hohen Mehrkosten in der Produktion verbunden und es wäre nicht vermeidbar, diese Kosten an den Endkunden weiterzugeben, sagte Ständerätin Andrea Gmür-Schönenberger (die Mitte/LU).
«Tierische Lebensmittel würden sich je nach Produkt um 20 bis 40 Prozent verteuern und das Portemonnaie der Schweizer Konsument(innen) mit rund 1800 Franken im Jahr zusätzlich belasten.» Sie sei der Ansicht, dass die Initiative sozialpolitisch schädlich sei und «uns als Land schwächen würde.»
Verantwortung wahrnehmen
«Lese ich als aufmerksame Konsumentin die Argumentation der MTI, wähne ich mich in einem Schurkenstaat, in welcher landwirtschaftliche Nutztierhaltung gesetzeswidrig, ungeregelt, intransparent und klandestin vonstatten geht», sagte Babette Sigg, Präsidentin des Konsumentenforums (kf).
«Doch die Realität sieht doch erfreulich besser aus», so Sigg. Als Konsumentin wolle sie selbst Verantwortung wahrnehmen und das Angebot mitbestimmen. Die Konsumenten sollten selbst darüber bestimmen können, «in welchem Preissegment sie einkaufen wollen», schliesslich hätten nicht alle die gleichen Möglichkeiten.
Gewerbe dagegen
Fabio Regazzi, Präsident des Schweizerischen Gewerbeverbands, befürchtet bei einem Ja, dass tausende Arbeitsplätze der 300'000 Arbeitsplätze in der Land- und Ernährungswirtschaft gefährdet wären. «Man rechnet, dass bei einer Annahme der Initiative die Schweineproduktion in der Schweiz um rund 50 Prozent, die Geflügelproduktion gar bis zu 80 Prozent zurückgeht», so der Nationalrat (Die Mitte/TI). Nicht nur die Produktion würde ins Ausland verschoben, sondern auch die negativen Effekte auf die Umwelt.
«Nicht vereinbar mit WTO-Verträgen»
«Die Preise werden mit der Initiative in die Höhe getrieben», sagte Christoph Mäder, Präsident des Wirtschaftsdachverbands Economiesuisse. Es käme zu mehr Einkaufstourismus und am «Ende ist niemandem geholfen». Die Forderungen der Initianten seien nicht vereinbar mit den WTO-Verträgen, sagte Mäder weiter. «Nach deren Regeln dürfen Produkte nicht wegen der Herstellung an der Grenze anders behandelt werden.» Für ihn gefährdet die Initiative unsere Wirtschaft als Ganzes.