Der Wydhof von Ernst und Madeleine Bachmann in Flaach bot am Montag den idealen Rahmen für die Veranstaltung «Ganzheitliche, naturnahe und nachhaltige Lebensmittelproduktion»: Die Sonne schien, die Wildblumen wachsen und die Insekten schwärmten. Eingeladen hatten IP-Suisse (IPS), Nestlé, Coop und ETH Zürich, wobei der Impuls von den ersteren beiden stammte.
Bescheidenes Reduktionspotenzial bei der Milch
Grossen Neuigkeitswert bot die Veranstaltung aus bäuerlicher Sicht nicht. An drei Posten wurden zuhanden der mehrheitlich nicht bäuerlichen Medien die Programme und Errungenschaften der IP-Suisse vorgestellt. Ein paar interessante Erkenntnisse barg die Veranstaltung aber durchaus.
Zunächst ging es um die Milchproduktion, die von Bachmanns BG-Partner Philipp Schläpfer vorgestellt wurde, gemeinsam halten die beiden rund 70 Kühe. Hier war vor allem aufschlussreich zu hören, dass das Potenzial für Treibhausgas-Reduktion relativ bescheiden ist. Die nach 4 Jahren im Klimaprogramm von IPS bereits erreichten 8 Prozent seien schon fast das Ende der Fahnenstange, so Schläpfer im übertragenen Sinn.
Es drohen allenthalben Zielkonflikte
Zudem gerate man rasch in Zielkonflikte. Schläpfer erwähnte die Absicht, mit älter werdenden Kühen deren Ressourceneffizienz zu steigern. Hier bestehe die Gefahr, dass man mit dem höheren Alter mehr Antibiotika einsetzen müsse. Immerhin sei es bereits gelungen, den Herdendurchschnitt von 26'000 auf 30'000 kg Lebensleistung zu erhöhen. Das Ziel seien 35'000 sagte er, mehr werde man kaum erreichen.
Am nächsten Posten informierte Ernst Bachmann über die erzielten Erfolge im Biodiversitäts-Programm, das bereits seit 2008 läuft. Man stand bei der Besichtigung vor einer Weizenparzelle, die als sogenannter extensiver Acker geführt wird, wie Bachmann es bezeichnete. Dieser habe bescheidene Ertragserwartungen, dafür viele Blumen. Den extensiven Acker gibt es noch nicht bei IPS, aber man werde diesen demnächst aufnehmen ins Programm, sagte IPS-Geschäftsführer Fritz Rothen.
Für die Bauern seien die ständigen Wechsel in den Programmen mühsam, räumte Rothen ein, es brauche aber ständige Verbesserungen. Das wird offenbar auch von vielen Produzenten so gesehen. Statt nur den vorgeschriebenen mindestens 17 Biodiversitätspunkten hat der durchschnittliche Betrieb 24,6.
Komplexe nachhaltige Krautvernichtung
Der dritte Pfosten war der Biodiversität gewidmet. Hier erklärte Bachmanns Tochter Tanja, die in drei Jahren den Betrieb übernehmen wird, was es im Ackerbau alles so für Klippen zu umschiffen gilt. Im Getreidebau mache man gute Erfahrungen mit herbizidfrei und nurmehr einer Fungizid-Spritzung, berichtete sie.
Hingegen sei die Pflanzenschutz-reduzierte Bewirtschaftung der 8 ha Kartoffeln deutlich komplexer. Auch die mechanische Eliminierung des Krauts sei hier in schwierigen Jahren wie 2021 kein Kinderspiel. Dies sei auch sortenabhängig, so ist etwa Agria schlecht geeignet für chemiefreie Verfahren, diese baue er deshalb gar nicht für IPS an, sagte Ernst Bachmann.
Fast spektakulärer als diese Infos war aber zumindest aus Sicht der Publikumsmedien die Präsenz von Nestlé-CEO Mark Schneider. Den sieht man nicht alle Tage live und schon gar nicht auf einem Bauernhof. Er nahm anschliessend gemeinsam mit IPS-Präsident Res Stalder, ETH-Professor Robert Finger und Coop-Nachhaltigkeitsspezialistin Salome Hofer an einem Freiluft-Podium auf Weizenstrohballen teil.
Das Gespräch drehte sich um die Transformation zu einer nachhaltigeren Landwirtschaft. Gesprächsleiter Christof Dietler erinnerte daran, dass es sich dabei nach wie vor um den wichtigsten Wirtschaftssektor weltweit handelt.
Mehr arbeiten und weniger verdienen
Schneider betonte, dass man den Landwirt(innen) in der Übergangsphase finanzielle Hilfe bieten müsse. Er verglich die Situation mit seinem Unternehmen. «Wenn ich dort zu den Mitarbeitenden ginge und sagen würde, du musst jetzt einige Jahre härter arbeiten und dabei weniger verdienen, wäre das auch nicht fair».
Der Nestlé-Chef verglich mit der Situation an der Elfenbeinküste, wo man Produzent(inne) unter anderem dafür honoriere, dass sie ihre Kinder in die Schule schicken und die Produktionstechniken nachhaltiger ausgestalten.
Es geht nur mit gemeinsamer Anstrengung
Er war sich einig mit seinen Gesprächspartnern, dass sich der grosse Wurf nur in einer gemeinschaftlichen Anstrengung lösen lässt. «Das ganze Ernährungssystem hinterlässt einen grossen Fussabdruck», sagte Robert Finger, «es ist nicht der Einzelbetrieb». Es brauche Anreize auf allen Stufen der Wertschöpfungskette, so der ETH-Agrarökonom.
Salome Hofer plädierte für einen risikobasierten Ansatz. Man könne nicht global alles 1:1 umsetzen, wie man sich das zunächst vorstelle. Sie erwähnte als Beispiel den Ersatz von Palm- durch Kokosöl. Dessen forcierte Umsetzung berge die Gefahr, dass erneut die gleichen Probleme entstünden, wie mit den Ölpalmen, deshalb sei man nun dran, einen Bioanbau auf die Beine zu stellen, um punkto Nachhaltigkeit ab Beginn bei den Leuten zu sein.
Res Stalder plädierte seinerseits für einen standortangepassten Ansatz, der Nachhaltigkeit regionalisiere. Er unterstrich dabei, dass die Kuh kein Klimakiller sei, sondern dort, wo sie grast die wertvollsten Böden weltweit erzeugt habe.
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