Im Vorfeld zur Abstimmung über den Ausbau der Autobahn wird verschiedentlich über deren Kosten und Nutzen debattiert. Die vom Gesamtverkehr (Strasse, Schiene und Luftfahrt) verursachten externen Kosten werden jährlich vom Bundesamt für Raumentwicklung (ARE) publiziert. Die Daten dienen der Berechnung der Schwerverkehrsabgabe (LSVA) und verschiedenen Kosten-Nutzen-Analysen, denn per Definition kommen nicht die Verkehrsteilnehmenden selbst für die externen Kosten auf. Der neueste Bericht des ARE fand mehr mediale Beachtung – einerseits wegen der Debatte um den Autobahn-Ausbau. Andererseits, weil die geschätzten externen Kosten plötzlich 69 Prozent höher liegen als in den Vorjahren, nämlich bei rund 21'589 Millionen Franken.
Wegen Klima und Gesundheit
Grund dafür sind gemäss Schlussbericht Anpassungen in der Berechnung. Das Vorgehen werde laufend an den aktuellen Wissenstand angepasst, heisst es dazu. Der neue Bericht wertet die Zahlen für 2021 aus. Ein Befund: Drei Viertel des Kostenanstiegs seien auf eine Erhöhung des Ansatzes für Klimakosten zurückzuführen. Der Rest gehe auf höhere Gesundheitskosten durch Luftverschmutzung zurück. Beispielsweise wurden neu auch Demenz und Diabetes als Krankheitsbilder mit dem Verkehr in Verbindung gebracht.
Ozon verringert den Ertrag
Für die Auswirkungen des Verkehrs auf die Landwirtschaft sind insbesondere Luftschadstoffe relevant, allen voran Ozon. Die Folgen bodennahen Ozons auf Nutzpflanzen seien gut untersucht, so der Schlussbericht. Es beeinträchtige Photosynthese und Transpiration, was im Endeffekt das Pflanzenwachstum reduziere und damit die Erträge schmälere. Die Kulturen reagieren dabei unterschiedlich stark: Weizen uns Sonnenblumen sind z. B. empfindlicher auf Ozon als Gerste oder Körnermais. Insgesamt beliefen sich diesen Berechnungen zufolge die durch den Verkehr verursachten Ernteausfälle 2021 auf gut 58,3 Millionen Franken. Der Strassenverkehr steuerte mit knapp 90 Prozent den grössten Anteil bei, der Personenverkehr mit 67 Prozent mehr als jener für Güter (33 Prozent).
Die geschätzten Ernteausfälle nehmen mit der neuen Berechnung um 16 Prozent zu. Die Methode sei gleichgeblieben, aber man habe mit einer aktualisierten Datengrundlage gearbeitet. Das gilt auch für die Schätzungen zu Biodiversitätsverlusten durch Luftverschmutzung – dort führten neue Daten aber zu rund drei Prozent tieferen Gesamtkosten von 86 Millionen Franken.
Zwei Bereiche stellen alle anderen in den Schatten
Weitaus höher als die geschätzten Ernteausfälle liegen die externen Kosten des Verkehrs im Bereich «Natur und Landschaft», bei dem es um fragmentierte und verlorene Lebensräume geht. Nach Abzug von u.a. ökologischen Ersatzmassnahmen bleiben 1118 Millionen Franken externe Kosten (87 Prozent davon durch den Strassen- bzw. 81 Prozent durch den Personenverkehr verursacht). Durch den Einbezug neuer Daten, etwa zur tatsächlichen Streckenlänge von Autobahnen und -strassen, fallen die Gesamtkosten des Verkehrs hinsichtlich Lebensräume aber 14 Prozent tiefer aus als in früheren Schätzungen.
Die externen Kostenbereiche Gesundheit und Klima stellen mit Beträgen in der Grössenordnung von 6000 bis 7000 Millionen Franken sowohl Biodiversitäts- als auch Ernteverluste indes weit in den Schatten. In beiden Bereichen sind die Berechnungen über viele Seiten dargelegt und offensichtlich sehr komplex.
«Gesamtnutzen unbestritten grösser»
Der Bericht im Auftrag des ARE ist eine reine Zusammenstellung der externen Kosten, wie sie – wie erwähnt – in regelmässigen Abständen vorgenommen wird. Per Definition tragen externe Kosten nicht die Verursachenden (z. B. Autofahrer), weil etwa die Folgen von Luftverschmutzung kaum Einfluss darauf haben, wie viel eine Fahrt kostet. Idealerweise sollte zwar ebendies der Fall sein – man spricht von der Internalisierung externer Kosten. Die Autoren des Berichts betonen aber auch den «unbestrittenen» Nutzen des Verkehrs, etwa durch kürzere Reisezeiten, tiefere Transportkosten oder die Nutzung von Verkehrswegen als Marktplätze. «Ebenfalls unbestritten ist, dass die Gesamtnutzen des Verkehrs grösser sind als die Gesamtkosten», heisst es weiter. Man beziffert diesen Nutzenüberschuss auf 3–8 Milliarden Franken. «Dieses Ergebnis widerspiegelt die ökonomische Grundlogik, dass im Verkehr oder in der Wirtschaft letztlich nur Aktivitäten unternommen werden, die den involvierten Akteuren mehr privaten Nutzen stiften, als private Kosten verursachen», so das Fazit. Aus ökonomischer Sicht gelte aber: «Liegen externe Kosten vor, sollten sie internalisiert werden.» Im Güterverkehr auf der Strasse dient dazu die leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe (LSVA).