Ferien auf dem Bauernhof haben während dem ersten Covid-Pandemiejahr 2020 stark an Beliebtheit zugelegt. Hat sich das im zweiten Pandemiejahr bestätigt und wie entwickeln sich die Zahlen aktuell?
Daniel Schneider: Sowohl 2020 als auch 2021 waren starke Jahre. 2021 war sogar deutlich stärker als 2020. Ein Indiz hierzu liefern die letzten beiden Rechnungen – so waren die Kommissionen, die wir vom Ferienwohnungen- und Ferienhäuser-Onlinevermittler E-Domizil erhalten haben, 2021 fast doppelt so hoch wie 2020. Hier ist zwar anzufügen, dass nicht alle unsere Mitglieder ihre Angebote über diese Online-Buchungsplattform anbieten, aber diese Zahlen liefern doch einen Anhaltspunkt.
Hanspeter Stark: Für 2022 ist es etwas früh für eine Prognose, aber die ersten Rückmeldungen von einigen unserer Mitglieder tönen bereits vielversprechend. Sie sind zum Teil schon gut ausgebucht – auch ausserhalb der klassischen Feriensaison. Unser Angebot scheint also auch im neuen Jahr anzukommen.
Wo und wie werden potentielle neue Gäste gesucht und wie kommt man an diese heran?
Hanspeter Stark: Als Verein haben wir nicht unbeschränkte Möglichkeiten, wir haben kein riesiges Budget für Werbung. Daher suchen wir unter anderem in den doch breit gestreuten Printmedien sicher immer wieder partnerschaftlich Möglichkeiten, um unser Angebot zu platzieren. Daneben ist auch ein guter Internetauftritt wichtig – denn wer Ferien machen will, sucht und bucht entsprechende Angebote heute im Internet. Hier sind wir gut aufgestellt, da wir beispielsweise in der Google-Suchmaschine mit «Ferien auf dem Bauernhof» gut gelistet sind. Ausserdem sind Angebote unserer Mitglieder auch schon das eine oder andere Mal durch Marketingaktivitäten der Plattform E-Domizil ganz vorne auf der Website gelandet, was auch nicht zu unterschätzen ist.
Agrotourismus ist auch in anderen europäischen Ländern sehr beliebt. Deutschland beispielsweise ist sozusagen Agrotourismus-Experte und hat laut einer Studie rund 138’000 Betten auf zirka 10’000 Beherbergungsbetrieben mit signifikantem Bezug zur Landwirtschaft – plus rund 17’000 Schlafgelegenheiten im Campingbereich und 3’000 Schlafmöglichkeiten in Heuherbergen. Gibt es Kontakte und findet ein Austausch statt?
Daniel Schneider: Austausch findet sicher statt – früher allerdings noch intensiver als heute. So waren wir mit Agro-Marketing Suisse über Jahre an der internationalen Messe «Grüne Woche» in Berlin präsent und waren auch Mitglied des europäischen Vereins von Bauernhofferien-Anbieter. Sicher sind Deutschland, Österreich oder das Südtirol ganz starke Anbieter, die Anbieter dort haben aber auch ganz andere Voraussetzungen und Grundbedingungen: Anbieter können mehrere Wohnungen anbieten und dies wird mit den Strukturprogrammen der EU auch gefördert – ganz im Gegensatz zur Schweiz, wo man aufgrund der gesetzlichen Grundlagen durch das Raumplanungsgesetz nur eingeschränkte Möglichkeiten hat. Entsprechend sind Vergleiche mit der Schweiz auch kaum möglich.[IMG 2]
Hanspeter Stark: Die gesetzlichen Voraussetzungen sind sicher anders, so wird beispielsweise in Baden-Württemberg der Bau einer Wohnung mit 25’000 Franken unterstützt und es gibt Vollerwerbshöfe, die auf Agrotourismus bauen können. Das ist bei uns so gar nicht möglich. Noch wenn man leerstehende Infrastrukturen hat, haben wir mit den aktuell geltenden Raumplanungsgesetzen gar nicht die Möglichkeit, diese auszubauen und das macht es für unsere Anbieter auch schwierig, das Angebot beispielsweise auszuweiten.
Wo liegt bei Ferien auf dem Bauernhof oder allgemein im Agrotourismus noch Potential brach? Wie sieht die zukünftige Ausrichtung aus?
Hanspeter Stark: Wir als Verein müssen sicher darauf achten, dass wir unseren Mitgliederbestand halten respektive aufstocken können. Einerseits ist es nicht einfach, neue Vereinsmitglieder zu gewinnen, andererseits müssen die Angebote von potentiellen Neumitgliedern passen und wir müssen diese aufnehmen können. Der Verein Ferien auf dem Bauernhof konzentriert sich auf dem breiten Feld der agrotouristischen Angebote ja auf den Bereich Beherbergung. Auf die aktive Gewinnung von Neumitgliedern und eine gute Betreuung der bestehenden Mitglieder wollen wir uns deshalb in nächster Zukunft besonders fokussieren. Daneben ist das Thema Marketing ein ständiger Begleiter, denn da kann man immer mehr machen. Da sind wir finanziell sicher beschränkt und brauchen Partner, auf deren Trittbrett wir allenfalls auch mitfahren können.
Apropos Partner – 2018 ist der Verein Ferien auf dem Bauernhof aus der Dachorganisation Agrotourismus Schweiz ausgetreten. Ist ein Wiedereintritt ein Thema?
Hanspeter Stark: Dafür müssten wir uns künftig auf Augenhöhe begegnen. Aktuell ist ein Wiedereintritt kein Thema, aber sag niemals nie.
Warum soll beispielsweise eine junge Familie aus der Stadt Zürich Ferien auf dem Bauernhof machen?
Hanspeter Stark: Weil es schön ist! Es bietet die Möglichkeit, einfach mal aus seinem gewohnten Umfeld auszubrechen und ganz andere Betätigungsmöglichkeiten zu finden, Kinder haben Raum oder man sucht die Ruhe. Und: Man trifft auf Gastgeber mit Herz. Ein Hotel beispielsweise ist nur Business. Bei Ferien auf dem Bauernhof trifft man aber auf Anbieter, die ihre Höfe aus Überzeugung öffnen und zugänglich machen und nicht in erster Linie nur für den wirtschaftlichen Effekt.
Daniel Schneider: Unsere Anbieter fördern mit ihrem Angebot den Austausch und das Verständnis zwischen der Landwirtschaft und der Bevölkerung. Man hat die Möglichkeit, sich auf Augenhöhe zu begegnen und Informationen zu unserer Lebensmittelproduktion aus erster Hand zu erhalten – ja sogar zu erleben.
Was ist Ihr tollstes Ferien-auf-dem-Bauernhof-Erlebnis?
Hanspeter Stark: Meine Eltern haben Kinderferien angeboten. Bei diesem Angebot machen Kinder ohne die Begleitung ihrer Eltern Ferien und können den Bauernhof erleben. Das waren für mich als Kind immer tolle Begegnungen. Der Hof ist ausserdem am Jakobsweg gelegen und einmal kam spätabends ein Pilger vorbei, der darum bat, übernachten zu dürfen. Die Dankbarkeit dieses Pilgers bleibt mir bis heute in Erinnerung.
Daniel Schneider: Die Welt kam auf unseren Bauernhof – das war der Eindruck, den ich jeweils hatte, wenn wir Gäste beherbergten. Als der damalige US-Präsident Bill Clinton einmal in Genf zu Besuch war, hat sich einer seiner Mitarbeiter ausgeklinkt und kam für vier Tage zu uns ins Emmental, um zu erleben, wie der Emmentaler Käse produziert wird. Oder auch der Entdecker des Epstein-Barr-Virus, Professor Michael Anthony Epstein, verbrachte zusammen mit seiner Frau jahrelang Wochen, ja sogar Monate auf unserem Hof als er an der Universität Genf lehrte. Auch andere Familien kamen regelmässig und immer wieder, sodass wir deren Kinder aufwachsen sahen. So sind Freundschaften fürs Leben entstanden.