Schaurige Gestalten gehen am letzten Tag des Jahres um. Schon von Weitem ist das wilde Geläut der Schellen zu hören. Es sind die Silvesterchläuse, die von Haus zu Haus ziehen. Der Brauch, in der Alpsteinregion seit Jahrhunderten bekannt, ist vor allem im Appenzeller Hinterland heute noch lebendig. Mit «Silvesterchlausen» hat der Appenzeller Verlag ein Buch herausgegeben, das dem Brauch und seiner Verbreitung auf den Grund geht. 

Kunstvoll angefertigter Kopfschmuck

AboAppenzeller ViehzuchtgemeinschaftenDas Brauchtum ist Teil des Erfolgs der Appenzeller BraunviehzuchtMontag, 13. März 2023 Charakteristisch für das Silvesterchlausen sind die verschiedenen Chläuse. Autor Johannes Schläpfer stellt sie am Anfang des Buches vor: Die «Wüeschte» sind die ursprünglichen Chläuse. Mit ihrem schweren Tenü, genannt «Groscht», welches etwa aus Naturprodukten wie Reisig, Stroh, Fellen oder Knochen angefertigt ist, und ihren Larven (Masken) machen sie einen wilden Eindruck. Die Schönen dagegen sind erst seit Mitte des 19. Jahrhunderts bekannt. Darunter gibt es die Rollenweiber, die in Röcke und Schürzen gehüllt sind und sorgfältig angefertigte, radförmige Hauben tragen.

Auch die Hüte ihrer männ­lichen Pendants, der Schellen­chläuse, sind kunstvoll ange­fertigt. «Die Ornamentik der Hauben und Hüte hat die einst in Ausserrhoden blühende Stickerei beeinflusst», schreibt der Autor, der vor seiner Pensionierung als Mittelschullehrer und Kantonsbibliothekar tätig war. Zudem nennt er weitere Chlaus­typen, so etwa die Mischform der «Schö-Wüeschte» und die Spasschläuse. Allen gemeinsam ist, dass sie traditionellerweise von Männern oder Knaben dargestellt werden. Einst zogen auch Bettelchläuse umher, die ihre Geldsäckel mit dem Chlausen füllten. Unklar bleibt, ob es sich beim Silvesterchlausen ursprünglich um einen heidnischen Brauch, einen Fruchtbarkeitsritus oder um eine Betteltour handelte.

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Schon in den frühen Morgenstunden unterwegs

Das Tagesprogramm beim Silvesterchlausen kann grob in drei Teile gegliedert werden: das Früh­chlausen, das Chlausen tagsüber sowie das Schlusschlausen. Beim Frühchlausen, das nicht in jeder Gemeinde Tradition hat, ziehen Chlausengruppen ab Tagesanbruch noch ohne Larve und Kopfputz los, um bei Bekannten zu schellen und ein Zäuerli darzubieten (zu zauern). Bei diesem handelt es sich um einen mehrstimmigen Ausserrhoder Naturjodel ohne Text, der von einem Sänger angestimmt und von seinen Kameraden akkordmässig begleitet wird. Tagsüber sind üblicherweise Schuppeln (Gruppen) von sieben bis zehn Chläusen von Haus zu Haus unterwegs. Der Ablauf ist meistens derselbe: Einem Rollenweib, dem Vorrolli, folgen jeweils die Schellenchläuse. 

Zwischendurch ein Zäuerli

Voran geht jener mit den kleinsten, zuletzt jener mit der grössten und tiefsten Schelle. Der Abschluss des Schuppels macht wiederum ein Rollenweib, Nachrolli genannt. Beim Haus angelangt, beginnen die Gestalten hüpfend und tanzend ihre angehängten Schellen und an den Gewändern befestigten Rollen in Klang zu versetzen. Anders als die Schellen enthalten Rollen abgekantete Eisenteile, was bei Bewegung ­einen Klang erzeugt. Als Nächstes formiert sich der Schuppel zu einem Kreis und setzt zu einem Zäuerli an. 

Sind die letzten Töne abgeklungen, beginnt das Schellen und Rollen von Neuem. Der Ablauf wiederholt sich traditionellerweise dreimal und wird dann und wann unterbrochen durch die Hausbesitzer, die etwa Glühmost oder Wein anbieten. 

Mancherorts war der Brauch verboten

Buch: «Silvesterchlausen» von Johannes Schläpfer. Appenzeller Verlag. 2023. 160 Seiten. Fr. 49.–.

Über die Jahre ist es in manchen Gemeinden auch Brauch geworden, dass die Chläuse zur Mittagszeit in die Dorfzentren kommen, wo sie von Schaulustigen bewundert werden. Das Schluss­chlausen spielt sich dagegen in den Gasthöfen ab. Früher war Punkt Mitternacht Schluss, heute geht es oft weiter bis in die ersten Stunden des neuen Jahres. Das ist ein Beispiel für den Wandel im Laufe der Zeit. «Das Chlausen verändert sich laufend, was Grundvoraussetzung für den Fortbestand jeder Tradition ist», so Johannes Schläpfer. Der Autor hat ausserdem zusammengetragen, in welchen Gemeinden der Brauch erhalten blieb und wo er einst – aufgrund sittlicher Einwände – verboten wurde. Früher wurde zudem auch im angrenzenden Kanton St. Gallen sowie im Kanton Appenzell Innerrhoden gechlaust, in Gonten ist dies nach wie vor der Fall.

Mitmachen und gewinnen

Vielen Dank für Ihr Interesse. Teilnahmeschluss war der 30. November 2023. Die Gewinnerinnen und Gewinner werden direkt angeschrieben.