«Hofübergabe – ich stelle meinen Vater an»: Das war der Titel von Marina Schärlis Projektarbeit für die Berufsprüfung Bäuerin. Der Vater Urs Wölfli hat noch ein Jahr als Betriebsleiter vor sich, danach ist offiziell seine Tochter die Chefin.

Rollen werden getauscht

Man möchte meinen, das sei eine ungewöhnliche Situation im traditionsbewussten Ruedertal. Aber Marina Schärli hätte nicht bemerkt, dass das ein Thema wäre in der Nachbarschaft und auch Urs Wölfli hat kein Problem mit dem Rollentausch: «Es ist schön, dass es mit dem Betrieb innerhalb der Familie weitergeht», findet der 62-Jährige.

Lange hatte es anders ausgesehen. Die vier Wölfli-Töchter absolvierten vorerst keine bäuerliche Ausbildung und waren sich einig, keinen Bauern zu heiraten. Marina arbeitete im Service, ging auf Reisen, heiratete – keinen Bauern, aber einen Bauernsohn. Und merkte immer mehr, dass es sie ins Ruedertal zurückzog. «In einer Mietwohnung möchte ich nicht leben, und hier oben bin ich zuhause», stellt sie klar. Sie beschreibt sich als aktive Person, der es beim Faulenzen schnell langweilig wird, sie packt gerne an und mag Abwechslung.

«Die Führung eines Betriebs ist Teamarbeit.»

Marina Schärli wird von ihrem Mann unterstützt.

Zuerst das Stöckli gebaut

Auf dem Betrieb auf der Nütziweid in Schmiedrued mit 13 Hektaren landwirtschaftlicher Nutzfläche ist Schweinehaltung das wichtigste Standbein: 20 Mohrenplätze, 227 Aufzucht- und 197 Mastplätze in einem AFP-Ring, dazu 24 Mastrinder.

Die Idee der Hofübernahme reifte allmählich bei Marina Schärli. Im Jahr 2016 zog sie mit ihrem Ehemann und dem damals dreijährigen Sohn ins neu gebaute Stöckli neben dem Betrieb. Im selben Jahr startete sie den zweijährigen berufsbegleitenden Bäuerinnen-Lehrgang am Landwirtschaftlichen Zentrum Liebegg und wurde offiziell Mitarbeiterin auf dem elterlichen Betrieb mit einem 50-Prozent-Pensum.

Die Berufsprüfung hat die 33-Jährige im vergangenen Frühling erfolgreich absolviert. Das berechtigt sie einerseits zum Bezug von Direktzahlungen, andererseits brachte ihr die Ausbildung konkreten Nutzen für ihren Alltag. Effizientes Haushalten hat sie gelernt, die Fächer landwirtschaftliche Betriebslehre und Recht haben sie auf die Hofübernahme vorbereitet. Im Modul Familie und Gesellschaft war der Umgang mit zwischenmenschlichen Konflikten ein Thema, wie sie bei einer Hofübernahme durch die Tochter durchaus denkbar sind. «Ich bin stolz darauf, dass wir es bis jetzt so gut geschafft haben», sagt Marina Schärli zu diesem Thema. Eine offene Kommunikation sei wichtig, hilfreich auch die Distanz durch eine getrennte Wohnsituation. «Manchmal haben mein Vater und ich auch Differenzen. Dann geht jeder am Feierabend zu sich nach Hause, und bis am Morgen haben wir uns wieder beruhigt.»

«Manchmal haben wir auch Differenzen.»

Marina Schärli über die Zusammenarbeit in der Familie.

 

Ausbildung zur Bäuerin

Informationsabende zum Fachkurs Bäuerin am LZ Liebegg, Gränichen: Dienstag, 14. Januar, 19.30 Uhr; Donnerstag, 19. März, 19.30 Uhr. Beginn Lehrgang 2020 bis 2022: Donnerstag, 13. August.

 

Verantwortungen aufgeteilt

Die Tochter ist im Stall für den Mastbereich bei den Rindern und Schweinen zuständig, der Vater für die Zuchtmohren. Beide helfen einander aus. Aber es sei wichtig gewesen, die Verantwortungen klar zu definieren, sagt Marina Schärli. Das hat Missverständnisse und Diskussionen zur Arbeitsteilung stark reduziert.

Eine weitere wichtige Person in diesem Arrangement ist der Ehemann von Marina Schärli. Heute arbeitet er Vollzeit als Service-Techniker. Daneben hilft er auf dem Betrieb mit und könnte sich gut vorstellen, später sein externes Arbeitspensum zu reduzieren und mehr auf dem Hof zu wirken. Marina Schärli stellt klar: «Wir übernehmen den Betrieb gemeinsam. Ohne die Unterstützung meines Mannes würde ich es nicht machen. Die Führung eines Landwirtschaftsbetriebs ist Teamarbeit.»

Das Paar übernimmt den Betrieb in einem Jahr mit 1,2 Standardarbeitskräften und führt die aktuelle Bewirtschaftung weiter. Jedenfalls so lange, wie der Vater mitarbeitet. Danach wird es wohl Änderungen geben. Marina Schärli macht fast alles im Stall – nur in die Buchten der Zuchtmohren geht sie nicht: «Vor denen habe ich zu viel Respekt, und dann kommt es nicht gut. Zudem brauchen sie viel Zeit. Ich bin ja nicht nur Betriebsleiterin, sondern auch Mami und Hausfrau.» Der Vater sagt, er könnte mit einem Hof ohne Abferkelstall leben, weist aber doch gerne auf dessen positive wirtschaftliche Bilanz hin. Die Bäuerin weiss auch, dass der Betrieb durch einen solchen Abbau den Gewerbestatus verlieren könnte. Sie hat die Konsequenzen ihren Geschwistern erklärt. Sie hat diese überhaupt frühzeitig in den Entscheidungsprozess einbezogen und Abmachungen schriftlich festgehalten. Ein weiterer Punkt, der Marina Schärli wichtig ist: «Meine Geschwister und ihre Partner sind einverstanden und finden es gut.» Mit ihrem Mann hat sie sich zudem den unangenehmen Themen Trennung oder Tod gestellt. Der Betrieb soll in jedem Fall in der Familie von Marina bleiben, auch mit Blick auf den Sohn, der gerne im Stall ist und sich vom Grossvater die Tiere und die Maschinen erklären lässt. Ein Ehe- und Erbschaftsvertrag sichert dies ab.

Es geht doch

Mittlerweile geht es gegen Mittag, die Sonne scheint durch den Nebel. Und auf einmal steht Marina Schärli doch in einer Bucht mit angehenden Muttersauen und schiebt den Mist zusammen, der nach einer Frostnacht wieder angetaut ist. «Die sind nur ausnahmsweise hier, und mit denen verstehe ich mich schon ganz gut», erklärt die die Bäuerin und krault eine More hinter den Ohren.