Die Schweizerische Eidgenossenschaft schützt die Freiheit und die Rechte des Volkes und wahrt die Unabhängigkeit und die Sicherheit des Landes.» So der zweite Artikel in unserer Bundesverfassung. Gerade bezogen auf die Energiesicherheit, sind wir am 9. Juni 2024 alle gefordert, hierzu unseren Beitrag zu leisten, wenn es um die Abstimmung zum Stromgesetz geht, auch bekannt als «Mantelerlass».
Akkus dank dem Kobalt aus dem Kongo
Beim Lesen dieses zweiten Artikels aus der Bundesverfassung muss man über den Begriff «Unabhängigkeit wahren» stolpern. Welche Unabhängigkeit gilt es hier denn bitte effektiv noch zu wahren? Schenken wir uns doch selbst mal reinen Wein ein! Wir beziehen unsere Energie, Gas und Uran, aus Staaten, welche die Menschenrechte missachten und Kriege führen. Wir laden unsere Akkus – vom Handy bis zum Akkuschrauber –, die nur dank dem Kobalt aus dem Kongo funktionieren. Wir blenden aus, dass wir kein eigenes Silizium für Halbleiter irgendwo, wo sich etwa der Alpenfirn rötet, abbauen können.
Ich möchte mir ja nicht anmassen, die Bundesverfassung korrigieren zu wollen, aber mindestens einen Gedanke anstossen: Müsste es statt «Unabhängigkeit wahren» nicht «die Abhängigkeit verringern» heissen? Abhängigkeiten verringern im Bereich der Energie heisst heute, dass wir mehr auf inländische Stromproduktion setzen müssen. Dies tun wir, wenn wir neben der bewährten Wasserkraft auch auf Strom aus Sonne und aus Wind setzen. Dies will der Mantelerlass unter anderem mit beschleunigten Verfahren. Ansonsten dreht man in Russland am Gashahn und wir ächzen beinahe zeitgleich unter den teuer werdenden Energiepreisen, die sich in fast allen Produkten und Leistungen niederschlagen. Wir als Bauern und Bäuerinnen wissen dies am besten, sind es doch wir, welche in aller Regel genau diese Kosten nicht wirklich abwälzen können.
Ehrlich sein mit sich selbst
Viele, die ihre Unterschrift für das Referendum zum Mantelerlass gegeben haben, taten dies im Zusammenhang mit der Windenergie. Verschandelung der Landschaft als Argument für ein Nein zu diesem Gesetz? Hatten etwa unsere Vorfahren die Wahl, sich zimperlich zu zeigen, als es um den Bau von Stauseen ging? Sie haben Verantwortung übernommen. Wir alle profitieren heute davon. Sie haben damals schon lokale Wertschöpfung rund um die Stromproduktion ermöglicht.
Wir Politiker und Politikerinnen können nicht Freiheit und Sicherheit predigen und gleichzeitig den Landschaftsschutz über alles stellen. Wir müssen ehrlich mit uns selbst sein: Wer aus Prinzip nicht will, dass ein Windrad im Hintergrund surrt, muss sich darauf einstellen, dass im Melkstand plötzlich gar nichts mehr surrt.
Sich durch den Bürokratie-Dschungel kämpfen
Beschleunigung bei unseren Bauvorhaben wünschen wir uns doch alle. Wer investieren will, will sich nicht zuerst durch einen Bürokratie- und Rechts-Dschungel kämpfen müssen, Bauen ist teuer genug. Auch vor diesem Hintergrund gilt es, diese Vorlage zu unterstützen. Ziel ist es nämlich, vor allem Kraftwerkprojekte zu beschleunigen. Zum Beispiel, indem gegen ein Kraftwerk nur noch einmal bis vor Bundesgericht geklagt werden kann und indem nicht wie bis anhin Projekte jahrzehntelang verzögert werden können. Gerade der Einsprache-Praxis der Umweltschutzverbände, die auch der Landwirtschaft des Öfteren das Leben schwer machen, wird damit Einhalt geboten.
Am 23. März 2024 vom wurde mit 242 gegen 149 Ja-Stimmen eine Nein-Parole ergriffen, die widersprüchlicher nicht sein könnte. Kurz zuvor erklang im selben Saal der Schweizerpsalm, vermutlich vorbeugend: «Betet, freie Schweizer, betet …», … dass uns kein Blackout ereilt.
Zur Person
Franziska Steiner-Kaufmann ist Bäuerin, Kantonsrätin und Präsidentin von Die Mitte St. Gallen. Sie schreibt für die Arena der BauernZeitung Ostschweiz/Zürich.