GaleriePinakis WeltFreitag, 15. Mai 2020 Das junge Schwarznasenschaf ist an mir genauso interessiert wie ich an ihm. Wir gehen mit kleinen Schritten aufeinander zu, über das weiche Gras, bis es von seiner Mutter gestoppt wird: eine schwarze Nase stösst sanft gegen die andere. Dies ist der erste Schritt auf seiner Reise, um diese niedrigere, mehr als 2000 Meter hohe Alp zu erreichen.

Bald wird diese Schafherde über die Berge ziehen: hinauf auf den fast 2700 Meter hohen Grat und dann hinunter ins nächste Tal, unter den Gletscher. Ein Ort, wo man sich sehr, sehr weit weg von allem fühlt. Berghänge mit wilden Namen, eingekratzt in lose Steine unter Gletschern. Grosse Wanne. Stenofärich. Ochsetälli. Namen, die sich nur ein schwarznasiges Schaf merken würde.

Und sie spiegeln beim Auf- und Abwandern das Nomadendasein wider, das die Menschen hier vor nicht allzu langer Zeit führten. Denn alle Siedlungen weiter unten an den Hängen, die heute Dörfer sind, waren einst Alpen, die saisonal bewohnt waren. Wie Marie, die 1933 geboren wurde (und ihren 30 Jahre alten Schnaps mit mir teilt) und mir flüsternd weitere Namen verrät: Unterstalden, Bitzine, Tärbinu, Mettilmatte … All diese Reisen, über all diese Zeit. Und jetzt, hier auf der Alp Rüspeck, der Beginn einer weiteren.