Nicht nur bei der Landwirtschaft gibt es immer mehr Bürokratiemonster wie beispielsweise das angedachte Digiflux. Überall wächst der staatliche Speckgürtel, in dem Personen nichts mehr produzieren, sondern nur noch kontrollieren, erfassen, beraten und Statistiken erstellen, die schon veraltet sind, wenn sie ausgewertet werden.
Bezahlen können die Kontrollierten
Für alles Mögliche braucht es heute Zertifikate, Nachweise, Bewilligungen, Prüfungen – und überall verdienen Beratungsbüros sehr gutes Geld an diesem unnötigen und wirtschaftsschädigenden Kontrollwahn. Meistens sind das gut bezahlte Berufe, bei denen man genug verdient, um sogar Teilzeit zu arbeiten. Bezahlen können das die Kontrollierten.
Auch der Staat wird immer mehr aufgebläht. Die Bundesausgaben sind von 47,1 Mia Franken im Jahr 2000 auf aktuell 85,7 Mia Franken (Budget 2024) gestiegen. Aber sicher nicht wegen der Landwirtschaft. In diesem Bereich sind die Ausgaben stabil bei 3,6 Mia geblieben. Die Entwicklungshilfe ist dagegen von 2,2 Mia auf 3,8 Mia gestiegen. Aber auch die Ausgaben für das Bundespersonal sind massiv angewachsen – vor allem wegen der hohen Gehälter. Der Ökonom Christoph Schaltegger hat berechnet, dass ein Staatsangestellter bei gleichen Qualifikationen einen Monatslohn mehr verdient als in der Privatwirtschaft.
Viele zusätzliche Feiertage
Der Staat als Arbeitgeber hat sich in eine ungesunde Richtung entwickelt: Es gibt immer mehr Privilegien für die Mitarbeitenden. Vielleicht denken Sie jetzt, ich übertreibe. Aber es ist leider so, wie das Beispiel der Stadt Bern zeigt. Zitat: «Der ordentliche Altersrücktritt für städtische Mitarbeitende erfolgt unabhängig vom Geschlecht im Alter von 63 Jahren.» Statt mit 65 Jahren! «Die Arbeitszeit in der Stadt Bern beträgt bei einem Vollzeitpensum 40 Stunden.» Statt 41,8 Stunden! Ferien gibt es je nach Alter zwischen 5 bis 7 Wochen. Neben den ordentlichen 10 (!) Feiertagen (Neujahrstag, Berchtoldstag, Karfreitag, Ostermontag, Auffahrt, Pfingstmontag, 1. August, Bettag, Weihnachtstag und Stephanstag) gibt es noch 2,5 zusätzliche bezahlte Feiertage (1. Mai, «Zibelemärit» ½ Tag, Nachmittag des 24. Dezembers und Nachmittag des 31. Dezembers). Wen wundert es da noch, dass der Vaterschaftsurlaub doppelt so lange ist (4 Wochen) als bei den Normalsterblichen?
Allerdings werden – und das macht mir fast noch mehr Sorgen – auch privat geführte Verbände und Firmen immer bürokratischer. Kürzlich musste ich einen Auftrag über 724 Franken zweimal offerieren. Anschliessend bekam ich für diesen 724-Franken-Auftrag einen zehnseitigen Werkvertrag mit Bedingungen. Und jetzt kommt die Pointe: Am Ende des Vertrages hiess es, wir sollten den Auftrag am Schluss nach Aufwand abrechnen. Warum also das Ganze? Offenbar hatte eine Überprüfung ergeben, dass die Firma zu viele Arbeiten ohne Verträge vergeben hat und jetzt anscheinend niemand mehr Verantwortung übernehmen möchte …
Alles dauert hier viel länger
Die Folge des Bürokratie-Irrsinns und der Datensammlungswut ist, dass alles viel länger dauert und wir an Konkurrenzfähigkeit verlieren. Diejenigen Leute, die Mehrwertwert schaffen, müssen diesen bürokratischen Speckgürtel finanzieren. Schätzungen zeigen, dass rund 1 Milliarde des Landwirtschaftskredits gar nicht bei den Bauernfamilien ankommt, sondern in der Verwaltung oder sonst wo versickert. Dazu kommt, dass wir Bauern, aber auch alle anderen Gewerbe, mit unseren Einkünften all die Kontrollen, Nachweise und Zertifikate bezahlen müssen.
Wollen wir als Schweiz erfolgreich bleiben, unsere Produktivität erhalten, dann müssen wir diesen Bürokratie-Irrsinn dringend stoppen und Eigenverantwortung wieder höher gewichten. Zudem hätten wir ohne diesen Speckgürtel auch keinen Fachkräftemangel mehr und könnten uns bei der täglichen Arbeit wieder auf das Wesentliche konzentrieren.
Zur Person
Manuel Strupler ist Co-Vizepräsident des Verbands Thurgauer Landwirtschaft (VTL) und SVP-Nationalrat. Er schreibt für die Rubrik «Arena» im Regionalteil Ostschweiz/Zürich der BauernZeitung.