Mythus 1: Je höher die Franchise bei der Grundversicherung, desto mehr Geld spart man unter dem Strich?
Ab Alter 19 beträgt die ordentliche Franchise 300 Franken pro Kalenderjahr. Sie kann jedoch in den folgenden Varianten erhöht werden: 500, 1000, 1500, 2000 oder 2500 Franken. Je höher die gewählte Franchise, desto tiefer fällt die Prämie aus. Für Personen mit keinen bzw. tiefen Gesundheitskosten empfehlen wir eine hohe Franchise. Insbesondere bei Arbeitnehmern, welche für Berufs- und Nichtberufsunfälle der Unfallversicherung gemäss Bundesgesetz über
die Unfallversicherung (UVG) unterstellt sind. Bei diesen ist die Franchise nämlich nur im Krankheitsfall relevant. Kinder (0 bis 18 Jahre) haben die ordentliche Franchise Null Franken. Dies kann in der Regel so belassen werden, da die Prämieneinsparung im Vergleich zum zusätzlichen Risiko gering ist. «Eine erwachsene Person spart beispielsweise im Jahr 2019 im Kanton Aargau beim Agrisano-Basismodell mit einer Franchise von 2500 Franken im Vergleich zu einer Franchise von 300 Franken rund 1500 Franken Prämien pro Kalenderjahr», rechnet der Versicherungsberater Beat Nebiker vor. Bei Krankheitskosten ab zirka 1800 Franken pro Kalenderjahr (Arzt, Medikamente, Spital etc.) lohne sich eine Franchise von 300 Franken. Nebiker warnt aber vor einem möglichen Klumpenrisiko: Wenn alle Familienmitglieder die jeweils höchste Franchise abgeschlossen haben, könne man Gefahr laufen, dass plötzlich alle mit hohen Kostenbeteiligungen konfrontiert werden.
Mythus 2: Eine Trennung von Grund- und Zusatzversicherung führt zu höheren Kosten und höherem Verwaltungsaufwand.
Mit dem Wechsel der Grundversicherung zu einer anderen Krankenkasse können unter Umständen grosse Prämieneinsparungen realisiert werden. Deshalb kann sich der erhöhte Verwaltungsaufwand für die versicherte Person sehr wohl lohnen. Bei einer Trennung zwischen Grund- und Zusatzversicherung ist zu beachten:
- Es kann allenfalls zu höheren Prämien in der entsprechenden Zusatzversicherung kommen, da Kombinations-Rabatte gestrichen oder reduziert werden.
- Eine solche Konstellation ist im Leistungsfall komplizierter: z.B. müssen gegebenenfalls Kostengutsprachen oder Leistungsabrechnungen bei zwei Krankenkassen eingereicht werden.
- Zu beachten ist auch, dass Zusatzversicherungen bei bestimmten Versicherern nur neu abgeschlossen werden können, wenn im entsprechenden Abschlussjahr auch die Grundversicherung beim gleichen Versicherer geführt wird.
- Bei einem Wechsel der Zusatzversicherung sollte erst dann gekündigt werden, wenn die vorbehaltlose Aufnahme des neuen Versicherers vorliegt.
- Aus Sicht der Krankenkassen führen Wechsel und wegfallende Synergieeffekte zu marginalen Mehrkosten, und sind somit nicht Treiber von Prämiensteigerungen.
Mythus 3: Versicherung A darf einem die Zusatzversicherungen nicht kündigen, wenn man die Grundversicherung zu Versicherung B wechselt?
«Wird die Grundversicherung gekündigt, darf die Krankenkasse niemanden zwingen, eine allfällige Zusatzversicherung bei derselben Krankenkasse ebenfalls zu kündigen oder von sich aus die Zusatzversicheurng für beendet zu erklären», stellt Beat Nebiker klar. Die meisten Versicherer verzichten in ihren allgemeinen Vertragsbedingungen sogar ausdrücklich auf das ihnen zustehende gesetzliche Recht, per Vertragsablauf zu kündigen resp. im Schadenfall vom Vertrag zurückzutreten. Vorbehalten bleibt aber immer der Rücktritt bei vertragswidrigem Verhalten.
Mythus 4: Beschränkt man die Spitaldeckung auf den Wohnkanton, muss bei einer Notfallbehandlung ausserhalb des Wohnkantons mit immensen Kosten gerechnet werden.
Beat Nebiker gibt hier Entwarnung: «Nein, muss man wegen eines Notfalls ausserhalb des Wohnkantons in die allgemeine Abteilung eines Schweizer Spitals, ist die Kostenübernahme durch die Grundversicherung gesetzlich garantiert. Zu beachten ist natürlich immer auch die individuelle Kostenbeteiligung wie Franchise und Selbstbehalt.» Handelt es sich jedoch nicht um einen Notfall, können ungedeckte Kosten entstehen: Ausserkantonale Spitalaufenthalte werden nämlich von der Grundversicherung nur übernommen, wenn das Spital auf einer Spitalliste aufgeführt ist und die Kosten (Fallpauschale) nicht höher sind als im Wohnkanton. Ist die Fallpauschale höher als im Wohnkanton, gehen die Mehrkosten zu Lasten des Patienten oder dessen Zusatzversicherung. Gerade für Versicherte aus Kantonen mit tiefen Spitalkosten, die sich ausserkantonal behandeln lassen wollen, lohnt sich somit die Deckung «Allgemeine Abteilung ganze Schweiz» über eine Zusatzversicherung.
Mythus 5: Wer in einem Anstellungsverhältnis arbeitet, ist automatisch für Unfall versichert.
In der Grundversicherung der Krankenkasse ist auch das Unfallrisiko gesetzlich eingeschlossen, wobei ausschliesslich die Heilungs- und Pflegekosten gedeckt sind. Ist man bei einem Arbeitgeber angestellt, besteht über dessen Unfallversicherung gemäss UVG die Deckung für Berufsunfälle und Berufskrankheiten. Wer mindestens acht Stunden pro Woche bei einem Arbeitgeber angestellt ist, ist über die Unfallversicherung auch für Nichtberufsunfälle versichert. In diesem Fall kann bei der Krankenkasse die Unfalldeckung in der Grundversicherung sistiert und es können Prämien gespart werden. Die Unfallversicherung nach UVG bietet einen umfassenderen Schutz als die Krankenkasse. Die Krankenkasse mit Unfalldeckung versichert «nur» Heilungs- und Pflegekosten, zu-dem muss auch bei Unfall die Kostenbeteiligung (Franchise und Selbstbehalt) übernommen werden. Die Unfallversicherung gemäss UVG versichert unfallbedingte Heilungs- und Pflegekosten (Arzt, Medikamente, Spital) ohne dass eine Kostenbeteiligung (Franchise, Selbstbehalt) fällig wird. Auch werden aus dem Unfall rührende Geldleistungen an den Verunfallten (Unfalltaggelder, Invalidenrente, Hilflosenentschädigung, Integritätsentschädigung) oder an die Hinterlassenen (Witwenrente oder Kapitalabfindung, Witwerrente, Waisenrente) übernommen.
Debora Moos
Zehn Versicherungsmythen im Check (Teil 2) erscheint am 11. November.
Dies ist ein Artikel aus der Printausgabe der BauernZeitung vom 9. November.