Die grösste Herausforderung des Klimawandels bei der Waldbewirtschaftung ist der lange Zeithorizont, den es zu beachten gilt. Denn was heute an Bäumen gepflanzt oder gefördert wird, sollte in den nächsten 50 Jahren wachsen und danach idealerweise noch weitere 50 Jahre überleben können.

Nun können Waldbesitzer und Förster aber nicht in die Zukunft blicken, um zu bestimmen, welche Baumart an einer gewissen Stelle zukunftsfähig ist. Die neue TreeApp schon. Diese wurde am Mittwoch von Vertretern der Forschung, der kantonalen Förster und des Bundes im Bireggwald LU vorgestellt.

Für Empfehlung tippen

Die TreeApp wurde basierend auf wissenschaftlichen Ergebnissen aus rund 50 Projekten von 2009 bis 2018 entwickelt. Wahlweise auf einer Karte oder einem Satellitenbild kann man einen Waldstandort auswählen. Die App liefert dazu die heutige Waldgesellschaft (die für diese Standortbedingungen typische Pflanzenzusammensetzung) sowie jene gegen Ende des 21. Jahrhundert. Letztere basiert auf Modellierungen. Es werden jeweils Baumarten aufgelistet, die es zu fördern oder zu reduzieren gilt, sowie mögliche Problempflanze (Neophyten).

Zwei Szenarien

Für die Zukunfts-Empfehlungen der App kamen zwei verschiedene Szenarien zum Einsatz: eines mit mässigem und eines mit starkem Klimawandel. Der Temperaturunterschied zwischen diesen Szenarien beträgt 1,3 Grad, der wichtigere Unterschied der beiden Szenarien ist aber die Trockenheit. Beim starken Klimawandel wurde von 20 Prozent weniger Sommerniederschlag ausgegangen, während er beim mässigen Szenario als gleich wie heute angenommen wurde.

In der App werden immer Baum-Empfehlungen für beide Szenarien gegeben. «Welche der betroffene Waldbesitzer anwendet, ist noch nicht verbindlich geregelt», erklärte Peter Brang vom Forschungsinstitut für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) gegenüber den Medien. Je nachdem werde es aber staatliche oder kantonale Vorgaben geben, gerade bei beantragten Unterstützungsbeiträgen.

Risikoverminderung und -verteilung

Peter Brang von der WSL war der Leiter der Forschungsarbeiten, die das Wissen für die TreeApp zusammengetragen haben. «Die Idee ist eine Risikoverminderung, indem auf Bäume gesetzt wird, die an einen Standort passen und zukunftsfähig sind», erklärte er. «Gleichzeitig sollte das Risiko durch eine grosse Artenvielfalt von Bäumen verteilt werden», fuhr Brang fort. Beim Umbau des Waldes will man laut den Verantwortlichen vor allem auf die Naturverjüngug setzen; vielversprechende Baumarten sollen gefördert werden (etwa durch das Zurückschneiden konkurrenzierender Pflanzen) und nur wo nicht anders möglich will man neu pflanzen. Dies vor allem, um Kosten und Aufwand für Neupflanzungen und Wildabwehr zu vermeiden.

Noch eine Testversion

TreeApp ist web-basiert und bereits online verfügbar. Erstmals dem forstwirtschaftlichen Publikum vorgestellt wird sie an der Forstmesse in Luzern (16. Bis 18. August 2019). Bisher handelt es sich um eine vorläufige Testversion mit beschränktem Gebiet (Kanton Luzern), per Ende Jahr soll dann die definitive fertiggestellt werden.

 

Forschungsresultate zum Klimawandel im Wald

  • Selbst bei Einhaltung des Pariser Abkommens werden sich die Schweizer Wälder in den kommenden Jahrzehnten fast überall stark verändern
  • Man geht von einer Verschiebung der Vegetationshöhenstufen um 500 bis 700 Höhenmetern aus. Das heisst, dass sich grosse Flächen von heute natürlichen Nadel- und Mischwäldern zu reinen Laubwäldern entwickeln werden.
  • In Zukunft wird der Wald zunehmend unter Sommertrockenheit und damit verbunden unter Bränden, Schädlingen und Stürmen leiden

Laubbäume statt Fichten

«Der Wald stirbt nicht, er ist im Wandel», betonte Samuel Bernhard vom Bundesamt für Umwelt an der Medienorientierung am Mittwoch. Durch die zunehmende Sommertrockenheit, höhere Temperaturen und punktuelle Extremereignisse werden also einige Baumarten mehr leiden als andere und werden verdrängt.

«In 70 Jahren werden wir voraussichtlich mehr Laubbäume im Mittelland haben, die Fichte wird praktisch verschwunden sein», fuhr er fort. Damit der Wald sich auf diese Weise an die neuen Bedingungen durch den Klimawandel anpassen kann, braucht er von Waldeigentümern Hilfe. Sonst ginge der Umbau zu lange und die verschiedenen Waldfunktionen könnten nicht mehr zuverlässig geleistet werden. 

 

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