Es sei eine Vision, eine Inspiration, vielleicht auch nur ein erster Traum. So beschreiben die Autoren vom Bündnis Landwirtschaft mit Zukunft ihre Skizze der zukünftigen Schweizer Landwirtschaft. In Bern stellten am 18. Februar 2020 Vertreterinnen und Vertreter von Uniterre, Klimastreik Schweiz, Biovision und der Kleinbauern-Vereinigung ihre Ideen vor.
«Wir brauchen ein System abseits von der Marktnachfrage»
Regina Fuhrer von der Kleinbauern-Vereinigung betonte zwar, die Konsumentinnen und Konsumenten würden über ihren Einkauf die Entwicklung der Landwirtschaft mitbestimmen. «Wir brauchen aber ein System abseits der Marktnachfrage, damit man sich nicht hinter einer sinkenden Nachfrage nach Bio-Produkten verstecken kann», erklärte sie. Neben der Sensibilisierung der Konsumenten gelte es daher, über Lenkungsabgaben auf Mineraldünger oder Pflanzenschutzmittel und CO2-Bepreisung bei Lebensmitteln für Kostenwahrheit zu sorgen. Wenn Umweltkosten miteingerechnet wären, würden Bio-Produkte billiger und so für alle erschwinglich.
SBV kann die Vision «absolut mittragen»
Die Ziele der Bewegung von Landwirtschaft mit Zukunft wie gesundes Essen, faire Preise, fruchtbare Böden und Wertschätzung könne man absolut mittragen, schreibt Sandra Helfenstein vom Schweizerischen Bauernverband (SBV). Ebenso, dass man für diese Vision auf allen drei Ebenen Politik, Gesellschaft und Wirtschaftlichkeit ansetzen müsse. Was dem SBV etwas fehle, sei, mit welchen konkreten Massnahmen die Ziele erreicht werden sollen. «Diese Fragen haben wir einer Delegation auch an unserem Treffen mit einigen Exponenten der Bewegung letzte Woche gestellt. Wir sind so verblieben, dass wir uns wieder treffen, wenn ihre Massnahmen konkreter sind», erklärt Helfenstein.
«Landwirtschaft betrifft uns alle – mindestens dreimal pro Tag»
Ursina Töndury von Uniterre sieht Konsumentinnen und Konsumenten als Partner. Das Ziel der Produktion sei der tatsächliche Bedarf der Bevölkerung und nicht der durch Grossverteiler und wenige Verarbeiter dominierte Markt.
Töndury betonte auch die Solidarität zu Produzentinnen und Produzenten im globalen Süden. Probleme wie Saatgutmonopolisierung, Landnahme, Vertreibung und Billigexporte zerstörten die bäuerliche Lebensgrundlage. Das bekomme man auch im Norden zu spüren – in Form von Flucht und Migration. «Die Landwirtschaft betrifft uns alle – mindestens dreimal pro Tag», schloss Ursina Töndury.
«Agrarberichte sind nicht wie Wein: Sie werden über die Jahre nicht besser»
Möglichkeiten für eine zukunftstaugliche Landwirtschaft habe bereits vor 10 Jahren der Weltagrarbericht 2008 aufgezeigt, nämlich in Richtung Agrarökologie. «Bisher fehlen aber konstruktive und konkrete Lösungsansätze dafür, dass die Landwirtschaft Teil der Lösung statt der Probleme wird», erklärte Daniel Langmeier von Biovision.
Leider sei ein Agrarbericht nicht wie Wein und werde über die Zeit nicht besser. Es brauche einen Kurswechsel – der aber ein Generationenprojekt sei – und eine breite Allianz zur Lösungsfindung. «Die heutige Situation ist einmalig: die zwei Landwirtschaftsinitiativen üben Druck auf die Politik aus und das Parlament ist neu zusammengesetzt.» Jetzt müsse man die Rahmenbedingungen für eine nachhaltige Produktion schaffen, betonte Langenmeier.
So sieht die Vision aus
Die «Vision 2030» des Bündnisses Landwirtschaft mit Zukunft zeichnet die Idee einer sozialen, bäuerlichen und agrarökologischen Produktion:
Sozial: Es geht darum, Menschen zu ernähren und für ihr Wohlergehen zu sorgen. Wichtig sind die Mitbestimmung bei der Produktion und die Wertschätzung gegenüber Bäuerinnen und Bauern, ihrer Arbeit und ihrer Produkte.
Bäuerlich: Die landwirtschaftliche Produktion soll lokal verankert und vielfältig, möglichst selbstbestimmt und unter würdigen Arbeitsbedingungen möglich sein. Die Wertschöpfung aus dem Verkauf gelte es zu einem guten Teil bei den Produzenten zu halten.
Agrarökologisch: Der Minderertrag aus einer ökologischeren Landwirtschaft könne durch weniger Food Waste und dank weniger tierischer Produktion (nach dem Prinzip Feed no Food) ausgeglichen werden. Der Selbstversorgungsgrad soll damit gleichbleiben oder sogar steigen, während weniger Pflanzenschutzmittel und Dünger zum Einsatz kommen.
«Bisher gibt es keinen Plan, der der heutigen Situation und Dringlichkeit gerecht wird»
Es sei traurig, dass erst im Jahr 2020 über eine obligatorische soziale Absicherung von mitarbeitenden Familienmitgliedern in der Landwirtschaft debattiert werde, meinte Dominik Waser vom Bündnis Landwirtschaft mit Zukunft. Angesichts der Klima- und Biodiversitätskrise und der schwierigen Situation der Bäuerinnen und Bauern fehle die Zeit, lange an der Agrarpolitik zu basteln. Bisher gebe es keinen Plan, der der aktuellen Situation gerecht werde. «Wir müssen die Agrarwende fördern, und zwar jetzt», fasste Waser zusammen.
«Eine freundschaftliche Beziehung statt Vorurteile gegenüber Bäuerinnen und Bauern»
Der Klimastreik Schweiz trat als Unterstützer von Landwirtschaft mit Zukunft und Demo-Mitorganisator auf. Anja Gada erklärte, ein wichtiger Schritt hin zu einer nachhaltigen Produktion sei die gegenseitige Wertschätzung und Unterstützung von Konsumenten und Produzenten. «Anstelle von Misstrauen und Vorurteilen soll eine solidarische und freundschaftliche Beziehung entstehen», so Gada. Die Landwirtschaft spiele eine Schlüsselrolle bei der Erreichung der Forderung des Klimastreiks nach netto Null Treibhausgasemissionen bis 2030.
Der Weg ist noch zu finden
Während die Zukunftsvision also steht, ist der Weg dahin noch zu definieren. Dazu will sich Landwirtschaft mit Zukunft mit Akteurinnen und Akteuren des Schweizer Landwirtschafts- und Ernährungssystem austauschen. Es brauche für den nötigen gesellschaftlichen Wandel einerseits den Druck der Strasse, der Bewegungen und der Bevölkerung, erklärte Dominik Waser. Deshalb wird auch am 22. Februar zur Demo aufgerufen.
Andererseits brauche es konstruktive Diskussionen, Verhandlungen und konkretes Handeln aller Beteiligten über die Bundesämter hinaus.
Wer ist «Landwirtschaft mit Zukunft»?
Im Bündnis sind mehr als 30 Organisationen, Verbände und Institutionen vertreten. Darunter Bio Suisse, Uniterre, die Kleinbauern-Vereinigung, einzelne Bäuerinnen und Bauern, Klimastreik Schweiz, WWF, Biovision, Pro Natura, Greenpeace, Slow Food, Fastenopfer und Brot für alle.
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