«Einen Hofladen zu betreiben ist fast wie Milchkühe halten», fasst Marco Messerli die Arbeitsbelastung zusammen. Seine Partnerin Nicole Mühle-stein erläutert: «Wir sind jeden Morgen mit drei Personen eine Stunde damit beschäftigt, den Laden aufzufüllen. Auch tagsüber schauen wir regelmässig nach dem Rechten, nehmen uns Zeit für Gespräche mit Kunden.» So ist es fast ein wenig eine Entlastung, hat der Laden wegen Corona nun fixe Öffnungszeiten und ist am Sonntag zu. «Gerade für unsere älteren Kunden war es aber schon eine Umstellung, die haben es sehr genossen, ausserhalb der Geschäftszeiten, spät am Abend oder früh morgens einzukaufen, wenn ihnen niemand begegnete», hält Mühlestein fest.
Bald alles Bio
Seit gut zwei Jahren betreiben die beiden in Belp BE ihren Hofladen mehrheitlich mit Bioprodukten. Und das Sortiment ist grösser geworden. Die Eier produziert Nicole Mühlestein in einem Hühnermobil neben dem Hofladen. So können die Kunden sehen, wie die Hennen leben. Auch das Fleisch der ausgedienten Hühner wird vermarktet: «Wir haben beispielsweise über die Nachfrage nach Suppenhuhn extrem gestaunt», erzählt Nicole Mühlestein. Doch Fleisch im grossen Stil zu vermarkten ist nicht das Ziel: «Wenn mal jemand einen Lauch stiehlt, ist es nicht so schlimm, aber bei Fleisch geht es dann schnell ins Geld», ergänzt Marco Messerli. Vor Kurzem kam ein zweites, grösseres Hühnermobil für 340 Bio-Hennen dazu, um die Eiernachfrage zu decken, denn seit diesem Jahr stellt Mühlestein ihren Betrieb auf Bio um. Diesen Monat noch stehen Milchkühe in ihrem Stall, dann ist Schluss, der Stall ist nicht biotauglich und die junge Frau hat Rückenprobleme. «Will ich gesund bleiben und meinen Rücken schonen, muss ich etwas ändern», Mühlestein lächelt wehmütig, der Abschied von den Tieren fällt schwer, doch sie freut sich auch auf das neue Kapitel, ist voller Tatendrang.
Ein zweiter Laden
So wird sie auf einem Mutterkuhbetrieb mitarbeiten und weiterhin mit Rindvieh zu tun haben. «Du liebst halt Tiere sehr», ergänzt Marco Messerli. Er hingegen ist leidenschaftlicher Obstbauer, auf einem Obstbetrieb in Kirchdorf BE aufgewachsen, den er zusammen mit seinem Vater bewirtschaftet. Das Bio-Obst, das im Hofladen angeboten wird, stammt von dort, Gemüse wird zugekauft. Nun steht auch in Kirchdorf ein Hofladen mit der Möglichkeit, vorbestellte Ware ausserhalb der Öffnungszeiten abzuholen. Für Kunden, die Menschenansammlungen meiden wollen.
Ideen haben Nicole Mühle-stein und Marco Messerli noch viele. Zum Beispiel ein paar weitere Standorte für Hofläden. Dabei orientieren sie sich an den Bedürfnissen ihrer Kunden: «Wir haben einen Kurs für Soziale Medien gemacht und dabei die Möglichkeiten von Instagram entdeckt», erzählt Mühlestein. Von dort bekämen sie sehr viele Rückmeldungen. «Wir machen Umfragen, suchen Namen, wenn wir ein Tier taufen oder informieren über Produkte», so Messerli über die Kundenpflege. Dabei orientiert er sich gerne am KMU, wo er die Professionalität schätzt. Da könne die Landwirtschaft in Sachen Vermarktung noch viel lernen.
Umsatz vervierfacht
Seit Kurzem bieten sie im Hofladen etwas widerwillig auch importierten Blumenkohl und Brokkoli an. «Wir haben versucht, die Kunden zu erziehen, ihnen zu sagen, wann was Saison hat. Doch im Winter gibt es halt schon sehr wenig einheimisches Gemüse», erläutert Marco Messerli den Gewissenskonflikt. «Wir haben festgestellt, dass die Kunden ihren Blumenkohl im Grossverteiler holen und bei uns die Äpfel und die Milch», ergänzt Nicole Mühlestein. So hätten sie entschieden, ein breiteres Sortiment anzubieten, was die Kunden gerade während Corona schätzten. «Im Frühling hat sich unser Umsatz kurzfristig vervierfacht. Jetzt verkaufen wir noch das Doppelte», so Mühle-stein. Es werde sich später zeigen, wie viele Kunden langfristig blieben.
Viel Lob von Kunden
«Wir nehmen aber schon eine veränderte Haltung gegenüber der Landwirtschaft wahr», fasst Marco Messerli zusammen. Seit Corona sei plötzlich mancher wieder dankbar, könne er direkt auf dem Hof einkaufen. «Wir bekommen sehr viel Lob und Anerkennung von den Kunden, was uns in unserem Tun bestärkt», so Nicole Mühlestein. «Wenn ich schlechte Laune habe, dann gehe ich in den Laden, rede mit den Leuten und lasse mich ein bisschen loben», erzählt sie lachend.