Die Schweinebranche ist am Anschlag: Die Produzentenpreise sind im Keller, viele Schweinehalter haben Mühe, überhaupt noch ihre Rechnungen zu bezahlen.
Viele wollen nicht über das Thema sprechen, zu heikel ist die Angelegenheit. Die BauernZeitung hat trotzdem nachgefragt und wollte wissen, wie gross die Misere bei den Schweinehaltern und -halterinnen ist.
Tragische Schicksale und grosse Betroffenheit
Ein Ferkelproduzent aus dem Kanton Bern, der nicht namentlich erwähnt werden möchte, gab die Produktion letzten Frühling auf. «Fast jeden Monat habe ich rote Zahlen geschrieben», sagt er bedrückt. Grund sei für ihn der Preis der tragenden Muttersauen im Verhältnis zu deren immer schlechter werdenden Gesundheit gewesen.
«Meine Abnehmer haben nicht mehr das Telefon abgenommen»
Sagt ein Ferkelproduzent, der anonym bleiben will, gegenüber der BauernZeitung.
Auch habe er dann die Ferkel gar nicht mehr an Mäster verkaufen können. Die Kommunikation innerhalb der Ringe habe einfach nicht mehr funktioniert.
Schlechte Marktlage, gepaart mit Personalmangel
Für den ehemaligen Ferkelproduzenten Martin Rihs aus Heitenried FR kam alles auf einmal zusammen. «Wir fanden keinen, der im Schweinestall arbeiten wollte», sagt Rihs. Das Problem des Personalmangels sei auch auf höheren Ebenen, wie Betriebsleiter und Schweinespezialist, zu finden.
Dazu sei die schlechte Marktlage gekommen. Er habe sich in der Landwirtschaft breit aufgestellt. »Hochspezialisierte Schweinebauern können nicht einfach so aufhören», sagt Rihs. Es sei ihm in den letzten vier Jahren wie ein Kampf zwischen Mästern und Züchtern vorgekommen.
Suisseporcs hat vergeblich gewarnt
Der Verband der schweizerischen Schweinehalter Suisseporcs habe fähige und sehr engagierte Leute in den Gremien, aber trotzdem haben diese zu wenig Einfluss. Die Machtpositionen lägen ungleichmässig verteilt in der Branche.
«Es gibt eigentlich nur zwei Schlachthäuser, aber viele Hunderte Produzenten»
Sagt Martin Rihs, ehemaliger Ferkelproduzent.
Die beiden grössten Schlachtunternehmen für Schweinefleisch in der Schweiz, Bell und Micarna, gehören den beiden grössten Abnehmern Coop und Migros.
Es ist immer das Gleiche
Martin Rihs schätzt, dass nicht nur der Preis bei vielen eine Rolle spielt, ihre Produktion zu schliessen, sondern auch der Personalmangel. «Fähige Leute werden in Zukunft nicht mehr nachts und am Wochenende arbeiten, so wie es in der Schweineproduktion üblich ist», gibt er zu bedenken. Viele würden die Sache nun aussitzen, aber das nächste Preistief komme bestimmt.
«Mit den Schweinen ist es immer das Gleiche: Erst schiessen alle aufeinander und dann geht es wieder von vorne los»
Zitiert der ehemalige Ferkelproduzent seinen eigenen Vater.
Armin Troxler, Mitglied der Geschäftsleitung der Produzenten-Organisation Profera, sitzt mit am Tisch der Schweinbörse in Sursee und Wil. Auf die Frage, warum die Branche, wenn diese zweimal in der Woche zusammen sitzt, die Landwirte nicht zielführend über die Überproduktion informiert, sagt Troxler: «Die Branche und auch Profera habe die Produzenten schon früh über die sich anbahnende Situation informiert.»
Aber man könne nicht einzelne Landwirte auswählen, die ihre Produk-tion runterfahren, es seien alle eigenständige Unternehmer. Jeder müsse für sich selbst entscheiden.
Corona sei Schuld an der Überproduktion
Armin Troxler ist seit über 20 Jahren in der Branche tätig. Er kenne den Schweinezyklus gut. Durch Corona sei es diesmal wirklich nicht gut ausgegangen. Aber es gebe jedes Jahr Betriebe, die mit den Schweinen aufhören.
«60'000 Mastplätze müssen vom Markt»
Armin Troxler, Geschäftsleitung der Produzenten-Organisation Profera.
In den letzten Jahren waren viele Anpassungen wie die Schmerzausschaltung bei der Kastration oder das Kasten- und Vollspaltenverbot nötig. Dies führte immer wieder zu Betriebsaufgaben, dieses Mal sei es aber der Markt, der die Betriebe zum Schliessen zwinge. «Gemäss Berechnungen müssten zirca 60'000 Mastplätze und 6000 Plätze für Mutterschweine vom Markt», resümiert Troxler.
Der Preis 2019 gab keinen Grund, etwas zu ändern
Einfluss auf die jetzige Lage des Schweinemarktes hatte zudem Corona. In der Pandemiezeit wurde der Einkaufstourismus eingeschränkt. Deshalb war der Preis im Jahr 2019 mit Fr. 4.34 pro Kilogramm Schlachtgewicht (SG) für Schlachtschweine nach QM kein Grund, die Produktion zu reduzieren.
Wenn sich der Preis von Schweinefleisch erhöht, dauert es in der Regel zehn Monate, bis das Angebot nachzieht. Dem sind natürliche Grenzen gesetzt; ist die Betriebskapazität ausgeschöpft, wird meistens angebaut oder sogar neu gebaut.
Tagt zweimal wöchentlich in Sursee und Wil
Die in der Schweineproduktion existierenden drei Produktionsstufen Ferkel, Jager und Mastschweine, werden von Organisationen wie Suisseporcs, Interessenvertreter der schweizerischen Schweinehalter preislich überwacht.
Der Richtpreis wird zweimal wöchentlich von Züchtern, Mästern und Schweinehändlern, so schreibt Suisseporcs auf ihrer Website. Die Schweinebranche trifft sich am Dienstagnachmittag zeitgleich in Sursee und Wil zur Börse. Angebot und Nachfrage werden dort diskutiert und der Preis festgelegt.
Coop und Migros sitzen mit am Tisch
Am Tisch für die Preisverhandlung für QM-Schlachtschweine am Donnerstag sitzen Vertreter des Schweinehandels und die beiden grössten Abnehmer Coop und Migros. Laut Suisseporcs beziehen diese zwei von drei Schlachtschweinen in der Schweiz. 52 Mal im Jahr sitzen vierzehn Männer der Branche an einem Tisch und schätzen das Angebot und die Nachfrage ein.
42 Wochen ohne Handlung
Knapp zehn Monate von der Geburt bis ins Schlachthaus dauert ein Schweineleben. Im Oktober letzten Jahres stand das System bereits vor dem Kollaps. Das SRF berichtete im Juni über einen Bauern, der seine Schweine nicht mehr los wird.
Alle sind voneinander abhängig
Dann, im Oktober 2022 gibt der Präsident von Suisseporcs, Meinrad Pfister, ein Interview, dass die Branche um den Schweinezyklus wisse, aber jeder Produzent von More, Jager oder Mast selbst entscheiden könne, wie viel er produziere. Tatsächlich sind aber alle voneinander abhängig.
«So schlimm wie jetzt war es noch nie.»
Peter Stadelmann, Geschäftsführer der Futtermühle Fors.
Auf gute Jahre folgen schlechte Jahre
Ein eisernes Gesetz des Schweinezyklus ist, dass auf zwei gute zwei schlechte Jahre kommen. Wer nichts zurückgelegt habe, Neueinsteiger sei oder in den letzten Jahren Investitionen getätigt habe, hätte nun teilweise Zahlungsschwierigkeiten, sagt Peter Stadelmann, Geschäftsführer des Mischfutterherstellers Fors in Burgdorf BE.
Erfahrungen aus 35 Jahren in der Branche
Er sei seit 35 Jahren in der Branche. «So schlimm wie jetzt war es noch nie.» Suisseporcs habe die Situation vor Monaten bereits kommuniziert, aber leider hätten die Warnungen zu wenig bewirkt. Die Pandemie und die mit dieser entstanden gestärkten Nachfrage nach Schweinefleisch hätten mit Sicherheit auch noch zu der aktuellen Situation beigetragen. «Wenn jeder nur 5 % weniger produzieren würde, so ginge es der ganzen Branche viel besser.»
Einige in Zahlungsverzug
Die gesamte Schweineproduktion müsse längerfristig denken und eine nachhaltige Lösung finden. «Es gibt bereits Kunden, die ihre Rechnungen nicht bezahlen können, aber wir versuchen immer eine Lösung zu finden und lassen niemanden im Regen stehen», sagt Peter Stadelmann.