Wann hat man das zuletzt gelesen? "Der Schweizer Bauernverband (SBV) steht hinter dem Entscheid", hiess es am Mittwoch in einer Medienmitteilung aus Brugg. Begrüsst wurde damit das unmissverständliche Nein des Bundesrats zur Pestizidverbots-Initiative.
Seltenes Lob
Solches Lob des SBV zu einem Beschluss der Regierung war zuletzt äusserst selten. Aber seit dem Amtsantritt von Guy Parmelin als Landwirtschaftsminister harmoniert man bestens. Das ist zunächst einmal erfreulich. In der heissen Partie um Pflanzenschutz ist im Moment so etwas wie Halbzeit und es sieht gut aus.
Im Januar 2018 haben Franziska Herren und ihre Getreuen die Trinkwasser-Initiative eingereicht, voraussichtlich im Mai 2020 wird die Abstimmung über beide Vorlagen stattfinden. Tore sind noch keine gefallen, aber die Gegner der beiden Volksbegehren haben sich ein klares Chancenplus erspielt.
Anstrengungen bereits in Gang
Die Rechnung des SBV ist bisher voll aufgegangen. Der Bundesrat hat in beiden Fällen auf Gegenvorschläge verzichtet. Begründet hat er dies mit denselben Argumenten, wie sie die Branche stets verwendet: Es laufen bereits umfangreiche Anstrengungen zur Reduktion des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln (PSM).
Zusätzlich hat man in der Agrarpolitik 2022+ ein Massnahmenpaket vorgesehen, das weitere Verbesserungen bringen soll. Das Fazit des Bundesrats: Es ist kein Gegenvorschlag nötig, es wird bereits genug getan. Auch die zaghaften Anstrengungen aus dem Parlament, einen Gegenvorschlag zu lancieren sind im Fall der Trinkwasser-Initiative gescheitert. Im Moment fehlt die Unterstützung für ein solches Gegenprojekt, das dürfte auch im Falle der Pestizidverbots-Initiative nicht anders sein. Dazu beigetragen hat auch die geschlossene Ablehnung eines Gegenvorschlags durch die kantonalen Landwirtschaftsdirektoren.
Einsatz von synthetischen PSM nimmt ab
Legales Doping hat die Equipe der Initiativgegner auch durch die jüngst publizierten Daten des Bundesamts für Landwirtschaft erhalten. Der Einsatz von synthetischen PSM hat klar abgenommen. Zugelegt haben dagegen die Hilfsstoffe, welche sowohl konventionell wie auch im Biolandbau eingesetzt werden können. Das zeigt, dass auch ÖLN-Ackerbauern und konventionelle Produzenten mit Spezialkulturen vermehrt synthetische PSM mit Kupfer und weiteren Bio-Hilfsmitteln ersetzen.
Felle der Initianten schwimmen davon
Zwar gibt es kritische Stimmen, die versuchen, die Resultate umzudeuten. Die Menge sei gar nicht entscheidend, sondern die Wirkstoffe, wird hier aufs Spielfeld gerufen. Doch bis anhin haben diese Argumente nicht verfangen. Zu offensichtlich ist wohl die Tatsache, dass die Anhänger von PSM-Verboten die Felle davonschwimmen sehen und verzweifelt versuchen, die Situation drastischer darzustellen, als sie effektiv ist.
Initianten unter sich uneinig
Geholfen hat den Gegnern ein weiterer Umstand: Die Initianten sind sich gegenseitig in die Haare geraten. Jean-Denis Perrochet bekräftigt in dieser Ausgabe der BauernZeitung seine Ablehnung der Trinkwasser-Initiative. «In dieser Formulierung kann ich sie nicht unterstützen», erklärt der Co-Initiant der Pestizidverbots-Initiative. Das Hauptargument des Winzers: Man könne den Bauern nicht die ganze Verantwortung aufbürden für die mannigfaltigen Umweltprobleme, die unsere Gesellschaft produziert.
Gechlossene Teamleistung
Die Aussichten für die zweite Halbzeit im Spiel um PSM sind für die bäuerliche Equipe also sehr gut. Die drei Punkte für einen Sieg sind aber noch nicht im Trockenen. Um sich diese definitiv zu sichern, ist eine geschlossene Teamleistung nötig. Spaltungen innerhalb der Landwirtschaft sind zu vermeiden. Eine solche konnte durch den raschen Rückzug der Nullparzellen verhindert werden. Jetzt wird es viel Fingerspitzengefühl und Diplomatie brauchen, um das heterogene Meinungsspektrum in der Branche unter einem Hut zu behalten.
Zu viel Harmonie weckt schlafende Hunde
Nicht übertreiben sollte man es zudem mit der Harmonie zwischen dem Departement Parmelin und dem Bauern-verband. Wenn es plötzlich danach aussieht, als erhalte der Landwirtschaftsminister Direktiven aus Brugg, um diese dann direkt ins BLW einzuspeisen, könnte dies im Parlament und auf der Medientribüne ein paar schlafende Hunde wecken.
Das ist aber das Letzte, was es braucht. Die zweite Halbzeit im Match um die Gunst des Souveräns wird auch ohne hart genug. Aber wie gesagt, die Chancen sind gut und mit den Killerargumenten Preiserhöhung der Lebensmittel und Minderung der Auswahl stehen noch zwei Joker zur Einwechslung bereit.
Adrian Krebs