«Ich habe eigentlich keine Zeit für Politik, ich muss arbeiten», sagt Marc Güntert. Der Biowinzer produziert in Miège im Kanton Wallis auf vier Hektaren 23 verschiedene Weinsorten. Neben dem Rebbau hilft der gelernte Schreiner aktuell noch beim Bau seines neuen Einfamilienhauses mit und betreut den viermonatigen Sohn mindestens einen Tag die Woche.
Seit 1989 biologisch
«Biocave» ist ein Familienunternehmen, die Schwester kümmert sich ums Marketing, die Mutter liefert die bestellten Weine in die ganze Schweiz aus und ein externer Mitarbeiter ist fast vollamtlich in den Reben tätig. Der Vater, der bereits seit 1989 biologisch produzierte, ist seit drei Jahren pensioniert, erledigt aber noch viele Maschinenarbeiten.
Gute Kernbotschaft, aber...
Trotz aller Arbeit, ganz um die Politik herum kommt Marc Güntert nicht. Auch ihn beschäftigen die beiden Pflanzenschutz-Initiativen, die am 13. Juni zur Abstimmung kommen. Obwohl er biologisch produziert, wird er zweimal Nein stimmen, auch aus Solidarität, wie er sagt: «Die Schweizer Landwirtschaft ist definitiv zu komplex, als dass man das mit solchen Gesetzestexten lösen könnte.» Die Kernbotschaft der beiden Initiativen sei zwar richtig, aber flächendeckend auf Pflanzenschutz zu verzichten, sei für ihn nicht realistisch. Man müsste eine andere Schiene fahren, überall verzichten, wo es eben möglich sei, und diesen Verzicht womöglich finanziell fördern.
Bio-Mittel funktionieren gut
[IMG 2]
Die grösste Herausforderung für Biowinzer Marc Güntert ist das Gras in den Rebbergen. Hat es zu viel Unkraut, leiden die Reben unter Trockenstress.
Ihn stört am aktuellen Abstimmungskampf vor allem die Polemik. «Eine sachliche Diskussion ist gar nicht mehr möglich.» Kürzlich etwa sei die Landwirtschaft im welschen Fernsehen von Stadtmenschen, die keine Ahnung hätten, dermassen angegriffen worden, dass es ihn richtig auf die Palme gebracht habe.
«Wir haben Glück, an unserem Standort funktionieren unsere Bio-Spritzmittel sehr gut. Doch auch sie wären von einer Annahme der beiden Initiativen betroffen», sagt der Wein- und Rebbautechniker. «Wir versuchen möglichst viel natürlich zu machen, mähen alternierend, setzen Nützlinge ein, die die Schädlinge im Zaum halten.» Behandeln muss er gegen echten und falschen Mehltau, andere Krankheiten sind in Miège kein Problem. «Die grösste Herausforderung ist das Gras», so Marc Güntert, denn an den steilen Hängen komme man mit der maschinellen Bearbeitung schnell an die Grenze.
Wetter wird extremer
Auch die Trockenheit und der Klimawandel sind ein Thema. «Wir merken die Wetterextreme stark.» So gab es heuer im Mai noch Minusgrade, aber «in einigen Wochen haben wir sicher schon über 30 Grad». Während der Mensch sich einfach an- und ausziehen könne, stehe die Rebe füdliblutt da und bekomme jedes Mal einen Schlag, beschreibt Marc Güntert das Problem bildhaft. So kam es heuer im April beim Cornalin, einer frühaustreibenden Rebsorte, zu Frostschäden. 2017 gab es ebenfalls grosse Schäden, ein Jahr bevor Marc Güntert den Betrieb von seinem Vater übernahm. «Ein super Zeitpunkt», erinnert er sich mit einiger Ironie zurück.
«Moll, könnte passen»
Dass er einmal in den elterlichen Betrieb einsteigen würde, war nicht von vornherein klar. Zwischen zwei Ausbildungen arbeitete er sechs Monate auf dem Betrieb mit und merkte plötzlich: «Moll, das könnte mir passen.» Also absolvierte er die verkürzte Winzerlehre an der landwirtschaftlichen Schule in Châteauneuf und anschliessend die höhere Fachschule in Changins.
Er war der einzige Biowinzer in einer Klasse von knapp zwanzig Leuten. Über Bio-Weinbau habe man fast nichts gelernt, sagt er. Als er im Fach Pflanzenschutz konventionelle Herbizide und Applikationsmodi auswendig lernen sollte, weigerte er sich und sagte dem Lehrer, er mache einen Biospritzplan. Bestanden habe er dann trotzdem, scherzt Marc Güntert. «Warum soll ich etwas lernen, dass ich nie anwenden werde?»
[IMG 3]
Blick in den Barrique-Keller: 23 Weinsorten stellt das Familienunternehmen her.
«Gehören zu Bionieren»
Die Familie gehört im Walliser Bioweinbau zu den Pionieren – oder wie Marc Günterts Vater es ausdrückt, zu den «Bionieren». Der Vater floh in den Siebzigerjahren vor dem ewigen Nebel aus dem Aargau ins Wallis. «Er bezeichnet sich selbst als Klimaflüchtling», sagt Güntert mit einem Lachen.
Bereits im Aargau hatte ihm die Mitarbeit in einem Rebberg den Ärmel reingenommen. Deshalb absolvierte er die landwirtschaftliche Schule in Châteauneuf und die Meisterprüfung. Nach einigen Jahren bei anderen Rebbetrieben fand er 1979 in Miège erste eigene Rebflächen und einen Weinkeller. Nach zehn Jahren sagte ihm ein Bekannter, so wie er produziere, das sei ja Bio. Die Bio-Zertifizierung war der nächste logische Schritt.
Flaschen wiederverwenden
Ein Deutschschweizer, der im Wallis Bio-Wein produziert. Besonders gut kam das in den Achtzigerjahren bei den Walliser Berufskollegen nicht an. An der lokalen Weinmesse hiess es schnell einmal: «Bio-Wein, das kann man doch nicht trinken.» Lange hätten sie sich kaum getraut, eine Knospe am Stand aufzuhängen, sonst seien die Leute gleich davongelaufen.
Das hat sich geändert. «Mittlerweile sind die Leute überrascht, dass nur zwei Biowinzer vor Ort sind.» Mittlerweile gibt es im Wallis rund 25 Biowinzer.
Vermarktet wird der grösste Teil des Weins an Privatkunden aus der Deutschschweiz. «Unsere Kunden sind bio-affin, schätzen es, dass wir Heimlieferungen anbieten und dass wir unsere Flaschen zurücknehmen und wiederverwenden.» Sorgen um die Zukunft macht Marc Güntert sich nicht. «Wir befinden uns eher in einem Nischenmarkt und im Hochpreis-Segment», von den Turbulenzen auf dem Schweizer Weinmarkt und der starken Konkurrenz durch ausländische Weine sei man deshalb nicht so sehr betroffen.
Im Herzen ein Walliser
Er versucht, seinen Betrieb nachhaltig zu bewirtschaften. «Ich gehe davon aus, dass mein Sohn die Reben, die ich heute pflanze, noch nicht ausreissen muss.» Weg von hier will der im Wallis geborene 34-Jährige nie mehr. «Ich bin im Herzen ein Walliser und denke in Deutsch und Französisch.»
Betriebsspiegel: Biocave Marc Güntert
Name: Marc Güntert
Ort: Miège (Wallis)
Rebfläche: 4 ha, 23 Weinsorten, darunter Klassiker wie Fendant, Petite Arvine, Humagne Rouge, Pinot Noir, Cornalin
Arbeitskräfte: Marc Güntert, Schwester, Mutter, Vater, ein Angestellter
1