Renato Mettler betreibt in Dussnang einen Landwirtschaftsbetrieb mit Milchwirtschaft und Schweinezucht. Seinen Futtermais lässt er in Siloschläuche pressen. Für ihn eine praktische Lösung und für seine Tiere eine qualitativ hohe Futterqualität.
Aktuell liegen zwei Siloschläuche, je 200 Meter lang, entlang der Zufahrtsstrasse. Im Herbst, wenn erneut siliert wird, sei das letztjährige Futter aufgebraucht, sagt er. Mettler fährt mit dem Siloschlauchplastik einmal im Jahr in die nahe Innorecycling nach Eschlikon, wo er 20 Franken pro Tonne erhält, weil er sie selbst anliefert. Für ihn ist es selbstverständlich, dass die Folien dem Recycling zugefügt werden, auch wenn es für ihn in Zukunft möglicherweise etwas teurer werden wird.
Nach Viel Frustration doch noch zum Ziel
Aktuell werden in der Schweizer Landwirtschaft und Gemüsebau zwischen 6000 und 8000 Tonnen Siloballenfolien und Netze verwendet. Davon werden nur 1800 Tonnen wiederverwertet. «Viel zu wenig», sagt Kurt Röschli, Geschäftsführer des Verbands Kunststoff.swiss und Präsident des neuen Vereins Erde Schweiz, der sich zum Ziel gesetzt hat, einen möglichst hohen Prozentsatz der gebrauchten Folien statt der Verbrennung der Wiederverwertung zuzuführen und damit die Umwelt weniger zu belasten.
Nachdem diverse Ideen verschiedener Akteure nicht umgesetzt werden konnten und die offenen Fragen und Herausforderungen blieben, wurde das Folienrecycling eher stiefmütterlich behandelt, beziehungsweise vernachlässigt und die Folien grossmehrheitlich durch die Kehrichtverbrennungsanlagen verbrannt.
Motiviert und engagiert zeigt sich Kurt Röschli, der 2020 den Auftrag vom Verband Kunststoff.swiss erhielt, einen Verein Erde Schweiz nach dem Vorbild von Erde in Deutschland aufzugleisen. Ihm gelang es, sowohl Lohnunternehmer, Händler, Hersteller und Weiterverarbeiter aus dem In- und Ausland zusammen mit der Kunststoffindustrie ins Boot zu holen und mit ihnen gemeinsam den Verein Erde Schweiz zu gründen.
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Sammelstellennetz markant angestiegen
Die Hersteller übernehmen einen Teil der Kosten, sofern das Material stofflich verwertet werden kann. Wie eine Verrechnung auf die Neuprodukte vorgenommen wird, entscheidet jeder Hersteller individuell. In der Praxis werde vom System ein Betrag pro gesammelter und stofflich verwerteter Tonne an die Sammelstellen bezahlt, erklärt Röschli. Dieser als Motivation bezahlte Betrag führt dazu, dass neue Sammelstellen entstehen und bestehende Sammelstellen mehr Agrarkunststoffe sammeln und recyclen lassen. „Wir konnten seit Jahresbeginn bereits 35 neue Sammelstellen bereitstellen und so hat die Landwirtschaft heute mehr als 120 Stellen zur Verfügung“, freut sich Röschli.
Als Beispiel für eine positive Entwicklung erwähnt Röschli den Verein Erde, der in Deutschland seit Jahren erfolgreich unterwegs sei. 20‘500 Tonnen gebrauchte Landwirtschaftsfolien konnten 2020 in Deutschland dem Recycling zugefügt werden. Das seien über 40 Prozent mehr als im Jahr zuvor und bedeute, dass heute über 50 Prozent der Kunststofffolien aus der Landwirtschaft wiederverwertet würden, sagt Röschli anerkennend. Gemäss Erde Deutschland werden aus einer Tonne gesammelter Erntekunststoffe Recyklate für beispielsweise 12‘500 reissfeste 80-Liter-Abfallsäcke gewonnen, aber auch neue Silofolien entstehen daraus.
Mehrpreis soll rückerstattet werden
Bruno Aemisegger aus Lutzenberg ist Händler und Gründungsmitglied des neuen Vereins und erklärte, dass eine Rolle ungefähr einen Franken mehr kosten werde als bisher. Hingegen werde dem Recyclingpartner der Bonus rückerstattet. Das heisst, zwischen dem Landwirt und der Sammelstelle wird vertraglich geregelt, wieviel dem Landwirt für die zurückgebrachten Folien rückerstattet wird.
Zwischen den Abnehmern, dem Verein Erde und den Recyclingfirmen, bislang ist die Firma Innorecycling in Eschlikon die einzige in der Schweiz, werden die Bedingungen ebenso vertraglich geregelt. Mit der Zeit werde der freie Markt spielen, so Aemisegger. Diese Meinung teilt auch Markus Tonner, Geschäftsführer von der Innorecycling. Er ist Mitglied im Verein und hofft, dass mit der Vereinsgründung die Landwirtschaft mehr für das Thema sensibilisiert wird.
Die Gelder würden im Topf zur Verfügung stehen. Tonner ist besonders wichtig, dass die Folien wiederverwertet werden und nicht in den Kehrichtverbrennungen landen. Auch Dieter Nägeli, Leiter Marketing des Verbandes Kehrichtverbrennung Thurgau sagt, dass alles was stofflich verwertet werden kann, auch der Wiederverwertung zugefügt werden soll.
Zudem bestehen für die Landwirte relativ hohe Anforderungen bei der Anlieferung zur thermischen Verwertung. So dürfen die Folien nicht gerollt angeliefert werden, sondern verpackt in Big Bags. Zudem müssen die Direktanlieferer eine bestimmte Regelmässigkeit und eine bestimmte Mindestmenge vorweisen.
SBV sieht grosses Potenzial
Michel Darbellay, Mitglied der Geschäftsleitung des Schweizer Bauernverbands, (SBV) begrüsst das Projekt von Erde Schweiz- Damit könne die Landwirtschaft einen weiteren Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten. Das Potenzial sei gross und sollte genutzt werden, ist er überzeugt. Wichtig ist für ihn, dass entstehende Gebühren ausschliesslich für die Förderung des Recyclings eingesetzt werden. Obwohl der SBV zurzeit nicht direkt involviert sei, stehe man regelmässig in Kontakt mit Erde Schweiz. Darbellay findet es entscheidend, dass die Lohnunternehmer mit an Bord sind.