Im Mittelalter war es üblich, Wiesen und auch Äcker zu Beginn und gegen Ende des Jahres zu bestossen. Dieses System sorgte für eine grosse Artenvielfalt an Pflanzen, Insekten und Tieren, erklärte Alois Kapfer an der Agrofutura-Tagung «Artenreiche Wiesen – zurück ins Mittelalter». (mehr zur Tagung lesen).

Die Praxis zeigt: es funktioniert

Dass ein System mit Frühlings- und Herbstweide auch heute noch vorteilhaft funktioniert, illustrierte am 9. Februar in Brugg Dany-Lukas Amstutz aus Ehrendingen AG. Er schilderte die Bewirtschaftung seiner extensiven QII-Flächen (auf ungefähr 550 m. ü. M.) im Jahresverlauf folgendermassen:

  • Januar/Februar: Heckenpflege
  • März/April: Mechanische Unkrautbekämpfung (z. B. Blacken stechen)
  • Zwischen 1. April und 1. Mai: Weiden mit Kühen und Rindern
  • Ab 1. Juli: Erster Schnitt, wobei auf 10 Prozent der Fläche Rückzugstreifen für Insekten und Kleintiere stehen gelassen werden. Zwei Tage nach der Ernte erneut mechanische Unkrautbekämpfung
  • 6 – 8 Wochen nach dem Heuschnitt: Zweiter Schnitt mit neuem Rückzugstreifen und zwei Tage später erneut mechanische Unkrautbekämpfung
  • Zwischen 1. September und 30. November: Herbstweide
  • Danach ein dritter Durchgang mechanischer Unkrautbekämpfung vor dem Winter

Es wird weder nachgesät noch gedüngt.

 

Betriebsspiegel

Gepachtet seit 2014, gesamthaft 16,25 ha

  • 10 ha offene Ackerfläche (Silomais, Sorghum, Weizen, Raps, Kunstwiese)
  • 5,09 ha Extensive Wiese
  • 0,18 ha Hecken
  • Wald mit gestuftem Waldrand
  • Aufzucht von Rindern und Galtkühen

Eine solche naturnahe Nutzung biete sich auf seinen Flächen an, erklärte der Amstutz, denn «da ist auch mit intensiver Nutzung nicht viel mehr herauszuholen». Allerdings gebe es deutliche Unterschiede in den Effekten des Atzheu-Systems je nach Exposition und Hanglage. Auf nordwärts gerichteten Wiesen komme es häufiger zu Trittschäden, da der Boden länger feucht bleibt. Amstutz konnte aber durchs Jahr beobachten, dass so immer Blüten für Insekten verfügbar waren, auch wenn im Juni die anderen Flächen geschnitten wurden. «Nahe am Wald gab es weniger Blumen, weil diese Stellen beschattet wurden», schildert er. Es sei ein richtiges Erlebnis, nach dem Mähen die Rückzugsstreifen zu besuchen: da wimmle und surre es von Faltern, Grashüpfern und anderen Insekten.

Bei Regen auf die Kunstwiese ausweichen

«Wann wo wie lange geweidet werden kann, ist abhängig vom Wetter», führte der Landwirt aus. Er nutze jeweils gezielt Schönwetterperioden aus und bestosse rund 2 Hektare extensiver Flächen mit etwa 20 Tieren und für maximal 10 bis 20 Tage. Für die restliche Zeit stehe eine normale Kunstwiese zum Ausweichen bei Regenwetter zur Verfügung. «Das ist Teil des Erfolgsrezepts», meint Amstutz. Denn einmal bei nassem Wetter zu bestossen, könne die Schonung einer BFF während mehrerer Jahre zunichte machen.

Weniger Gefahr für Rehkitze 

Der zweite Schnitt gebe nicht mehr viel Material her, schildert der Aargauer Bauer. Die extensiven Flächen würden aber dank einem konstanteren Blütenangebot und einer dichteren Grasnarbe aufgewertet. Weiter nannte er folgende Vorteile:

  • Rehkitze sind zum Zeitpunkt des ersten Schnitts (ab 1. Juli) bereits grösser und können selbständig fliehen. Es ist kein Verblenden nötig.
  • Nützlinge profitieren von besserem Blütenangebot und Rückzugstreifen
  • Weniger Landschäden durch Maschinen (dank mehr Flexibilität beim Schnittzeitpunkt)
  • Kleinerer Dieselverbrauch pro Hektare (weil weniger Material wegzuführen ist)
  • Diese naturnahe Nutzung lässt sich einfach Konsumenten erklären und damit auch, weshalb der als Landwirt für die Bewirtschaftung Beiträge erhält

Allerdings bringe Atzheu auch mehr Handarbeit (Zäune aufstellen und versetzen) und sei eben nur für Betriebe mit Tierbestand möglich (wobei er selbst keine hält, sondern mit einem Nachbaren zusammenarbeitet).

 

Vor- und Nachteile von Atzheu

Vorteile:

  • Naturnahe Bewirtschaftung mit Tieren
  • Wild- und Kleintiere sowie Insekten werden geschont
  • Das Gras wächst dichter
  • Ökologisch und ökonomisch interessant (tieferer Dieselverbrauch pro Hektare, auch weil weniger Material anfällt)
  • Ertrag etwa gleich wie bei extensiven Wiesen

Nachteile:

  • Braucht Tiere
  • Mehr Handarbeit (Aufstellen und Versetzen von Zäunen)

Das System funktioniert laut Dany-Lukas Amstutz bis auf eine Höhe von 550 m. ü. M. Darüber habe es zu wenig Gras und der Boden trockne zu langsam ab nach einer Regenperiode.