Hat die braune Kuh nur eine Zukunft, wenn sie im Talgebiet mindestens 10'000 kg Milch produziert? Auf jeden Fall wird im Zuchtziel 2021, das Braunvieh Schweiz neu lanciert, der Milchleistung grosse Beachtung geschenkt. «Wir kreieren mit dem Zuchtziel keine neue Rasse», hält Martin Rust, Vizedirektor von Braunvieh Schweiz, fest.
Obwohl die Milchleistung im Zentrum steht, wird alle fünf Jahre das Zuchtziel neu definiert und angepasst: In welche Richtung es gehen soll, wo die Zielvorgaben erreicht wurden, wo es noch Nachholbedarf gibt. Und: «Die Zukunft gehört aber eindeutig der robusten Raufutterkuh mit hohen Milchinhaltsstoffen – also einer Rasse wie dem Braunvieh», sagt Rust.
Meinung der Züchter
Das Zuchtziel 2021 wurde nicht auf dem Bürostuhl von Theoretikern in Zug kreiert. Nein, die Meinungen der Züchter waren massgebend daran beteiligt und gaben schlussendlich den Weg vor. Aus diesem Grund wurden im Vorfeld Fragebögen an die Kantonalverbände und andere Interessengruppen von Braunvieh Schweiz verschickt.
«Hier konnten die Züchter genau definieren, was sie sich von einer Braunviehkuh wünschen», sagt Martin Rust. Dabei stellte sich heraus, dass die Milchleistung, der Milchgehalt, die Eutergesundheit und die Fruchtbarkeit die meistgenannten Kriterien waren.
«Unsere Braunvieh-, wie auch die Original Braunviehzüchter haben unterschiedliche Zuchtziele. Das haben wir bei dem Zuchtziel 2021 klar berücksichtigt.» Ein Grund ist, dass rund 50% der Braunviehkühe im Berggebiet zu Hause sind. Hier wünscht man sich eine robustere Kuh mit starkem Fundament, welche auf der Alp lange Distanzen zurücklegen kann. Milchleistungen von 10'000 kg werden dort nicht angestrebt.
Viele Vorteile
Die Braunviehrasse hat viele Trümpfe, die gelte es zu bewahren. «Den Milchgehalt, das vorteilhafte Kappa Kasein BB, die starken Klauen, der optimale Geburtsablauf oder die Robustheit: All dies dürfen wir auf keinen Fall vernachlässigen», hält der Vizedirektor ausdrücklich fest.
Natürlich steht die Milchleistung der Braunen gegenüber den anderen Rassen unter Druck. Dies sei auch vielfach ein Grund, warum sich plötzlich rote oder schwarze Tiere unter die Braunviehherden mischen. «Die Milchleistung muss steigen. Das wissen wir und daran arbeiten wir», verspricht Martin Rust.
Die Erfahrung zeigt, dass die braune Kuh langsamer startet, für manche zu langsam. Aber dafür weist sie eine lange Nutzungsdauer auf. Die erste Laktation fällt moderat aus, die braune Kuh steigert sich aber dann von Jahr zu Jahr. Die Rentabilität beginnt aber erst ab dem 4. Jahr, ein kluger Bauer weiss das.
Das Zuchtziel von Braunvieh Schweiz ist klar: 8500 kg im Talgebiet und 7500 kg beim Original Braunvieh sollen es sein, mit einem Proteingehalt von mindestens 3,5%. «Wir streben einen Zuchtfortschritt von mindestens 60 kg im Jahr an», sagt der Braunviehexperte. Exterieurmässig ist die braune Kuh aus der Schweiz gut unterwegs. Hier gehört sie gar zur Weltspitze. Unzählige Europameistertitel bestätigen dies.
Akzente setzen
Aber auch im Exterieur will Braunvieh Schweiz Akzente setzen. «Das Braunvieh ist heute schmal und gross genug», findet Martin Rust. Bei den Zitzen gelte es hinten eine zu enge Verteilung zu vermeiden, ergänzt er.
Die Bauern suchen heute vermehrt eine wirtschaftliche Kuh, eine Kuh, die sich wohl fühlt im Lauf- oder Anbindestall. Dabei sind die funktionellen Merkmale wichtiger denn je. «Die Fruchtbarkeit ist die häufigste Abgangsursache und hier wollen wir einen positiven Trend setzen», sagt Rust. Damit man in diesem Bereich auch weiterkommt, wurde zum ersten Mal in der Dezember-Zuchtwertschätzung die Fruchtbarkeit im Gesamtzuchtwert stärker gewichtet.
Auch eine breite Streuung der Genetik innerhalb der Rasse soll den Bauern Auswahlmöglichkeiten schaffen. Hier sind die KB-Stationen gefordert, möglichst viele und gute Braunviehstiere zur Verfügung zu stellen. Die genomische Selektion spiele dabei eine grosse Rolle. «Dank dieser Zuchtmethode hoffen wir natürlich, schon früh die Spreu vom Weizen zu trennen», sagt der Kenner.
Das heisst, nur die besten Stiere sollen für die Zucht eingesetzt werden. Dabei sind die Väter der jungen KB-Stiere immer häufiger auch Stiere, die selbst noch keine Töchter in Milch haben. Die höheren Zuchtwerte und das kürzere Generationenintervall bezahlt man allerdings durch eine geringere Sicherheit.
Martin Rust hat aber grosses Vertrauen in die Genomik. «Stiere wie Anibal, Blooming oder Salomon wurden dazumal dank ihren hohen genomischen Zuchtwerten stark eingesetzt. Heute verfügen sie mit ihren Töchtern über ein offizielles Nachtzuchtprüfungsresultat, welches ihre genomischen Zuchtwerte weitgehend bestätigt», hält er fest.
Weiter auf Kurs
Um das Braunvieh weiter auf Erfolgskurs zu bringen, braucht es eine Zunahme der Lernstichproben, das heisst, es müssen vermehrt weibliche Tiere innerhalb der Rasse genomisch typisiert werden. «Damit möchten wir die Sicherheit der genomischen Zuchtwerte weiter steigern. Als positiven Nebeneffekt wird so die Genauigkeit der Abstammungen verbessert, wovon auch die traditionelle Zuchtwertschätzung profitiert», ist Martin Rust überzeugt.
Peter Fankhauser