Die beiden Bündner Regierungsräte Mario Cavigelli und Marcus Caduff haben Ende Juni Katrin Schneeberger, Direktorin des Bundesamts für Umwelt (Bafu), zu einer Begehung auf Alp Stutz nach Splügen eingeladen.
Risse trotz Herdenschutz
Wie kaum eine andere Schafalp in Graubünden ist die Alp Stutz im Fokus des Konflikts zwischen Landwirtschaft und Grossraubtieren. Nach grossen Rissschäden im Sommer 2019 wurde umfangreich in den Herdenschutz investiert. Trotz der eingeleiteten Massnahmen kam es nebst zahlreichen Wildtierrissen am Talboden, zu Sichtungen in den Siedlungen und auch zu Begegnungen mit Menschen. Auf der Alp mit rund 450 ha Weideland sömmern derzeit 110 Mutterkühe (ohne Abkalbungen), Jung- und Galtvieh sowie rund 350 Mutterschafe.
Kasper Nicca, seit 44 Jahren Aktuar und Alpverantwortlicher von Alp Stutz und einer von sieben Genossenschaftern, betonte gegenüber der Bafu-Direktorin: «Es darf nicht so weit kommen, dass der Pächter aufgibt und keine Schafe mehr bringt.» Philipp Jacobi aus Meikirch bei Bern ist dieser Pächter. Letzten Sommer zählte er 43 offizielle Risse, die trotz Herdenschutzkonzept und ständigen Optimierungen (weitere Herdenschutzhunde, stärkere Zaungeräte) stattfanden. Das Eintreiben am späteren Nachmittag in den Nachtpferch sei bei Regen lebensgefährlich, einzelne versteckte Schafe blieben immer wieder zurück und wurden meist gerissen. Dies waren nach Jacobi gezielte Angriffe durch den Wolf.
Es braucht neue Lösungen
Für Adrian Arquint, Amtsleiter des Amts für Jagd und Fischerei, sind die Grenzen möglicher Massnahmen erreicht. Die derzeitige Regulation sei nicht praktikabel, denn derzeit lebten rund 50 Wölfe im Kanton – deren Bestand verdopple sich alle zwei Jahre. Regierungsrat Marcus Caduff ergänzte, dass die Regulation als dritte Herdenschutzmassnahme gesehen werden sollte.
Die Herdenschutzberatung am Plantahof wurde inzwischen auf sechs Regionalberater erweitert. Ziel sei es, ein einzelbetriebliches Herdenschutzkonzept für alle Kleinviehalpen im Kanton Graubünden einzuführen, erklärte Batist Spinatsch, Leiter Beratung. Ein Ampelsystem verdeutliche die Stufe der umgesetzten und wirksamen Massnahmen. Adrian Arquint sieht darin einen Lösungsansatz.
Mögliche Pilotprojekte
Peter Küchler, Plantahof-Direktor, brachte zudem die Idee eines Pilotprojektes vor, mit dem mögliche Massnahmen getestet und überwacht werden könnten. Diese wären dann für die Ausarbeitung eines neuen Jagdgesetzes hilfreich. Für Daniel Buschauer, Amtsleiter Landwirtschaft und Geoinformation, ist die Koexistenz von Menschen und Wolf das Ziel. Graubünden sei seiner Ansicht nach in der Lage, dies umzusetzen.
Katrin Schneeberger sieht Pilotprojekte als interessante Instrumente, die einen Anfang und ein Ende haben. Es gelte die gesetzlichen Grenzen zu analysieren, das dauere ihrer Einschätzung nach. Es gelte, kompromissfähige Lösungen zu erarbeiten, auch im Austausch mit den anderen Interessensvertretern. Sie wünschte sich ebenso eine Prüfung für eine Ausdehnung dieses Pilotprojektes auf die Gebirgskantone.