Die Auktion vom August in Langenbruck hat Nachwehen. Wie mehrere Medien Ende vergangener Woche berichteten, hat Auktionator Andreas Aebi eine Anzeige am Hals. Der Tierschützer Olivier Bieli von «Basel Animal Save» hat ihn angezeigt, weil ein Stier beim Vorführen am Nasenring «gequält worden sei». Die Aufnahmen zeigen einen 15 Monate alten RF-Stier mit Schaum am Maul, der am Nasenring gezogen durch den Ring geführt wird.
«Wir stehen unter Dauerbeobachtung»
Die Diskussionen um den Nasenring nehmen zu. Das fällt auch Martin Jaquemet aus Hasle b. Burgdorf auf. Der Viehzüchter hält auf seinem Hof Zucht- und Maststiere. Unter ihnen auch Bond vom Dicki, den Schwingfestmuni des nächsten Emmentalischen Schwingfests. Die BauernZeitung hat mit Jaquemet über den Vorfall gesprochen.
«Wir stehen im Grunde unter Dauerbeobachtung», weiss der Landwirt. Das gehöre in der Landwirtschaft derzeit wohl einfach ein wenig zum guten Ton, dass sofort ein Aufschrei durch die Menge gehe, wenn irgendwo auch nur schon das Kleinste passiere. «Daran müssen wir uns wohl einfach auch ein wenig gewöhnen», ist er überzeugt.
Nicht zum Laufen bewegen
Aus eigener Erfahrung weiss er, dass der Nasenring am Stier im Notfall Leben retten kann. «Aber es ist schon so, dass es nicht sinnvoll ist, einen Stier am Ring zum Laufen zu bewegen», weiss er. «Stiere kann man nicht zwingen, das kommt nie gut», mahnt er weiter. Für ihn dient der Ring als Notbremse und nicht als Abschleppkupplung. Aus so einem Vorfall eine derartige Geschichte zu veranstalten, ist für ihn aber vermessen. «Jedes Tier ist anders», erinnert er. So gebe es Stiere, die den Ring von Anfang an problemlos akzeptieren könnten, andere hätten länger Mühe damit. So auch Bond vom Dicki, der Schwingfestmuni. Der gut eineinhalbjährige Stier hat den Ring noch nicht allzulange in der Nase. Ab 18 Monaten ist er Pflicht.
Mit Zuchtstieren arbeiten
Martin Jaquemet hat Bond bislang noch nie am Ring geführt – das obschon der Stier schon diverse Auftritte «auswärts» hatte. «Mit Zuchtstieren muss man arbeiten», ist der Züchter sicher und nicht einmal das gebe die Garantie, dass sie nicht irgendwann einmal eine Reaktion zeigen, die gefährlich ist. «Es gibt Stiere, die werden drei, andere fünf und Fors vo dr Lueg ist 11 geworden und hat dann doch plötzlich ein schwieriges Verhalten an den Tag gelegt. Das geht nicht – dann müssen sie den letzten Gang antreten.» Aber auch Bond muss lernen am Ring zu laufen und genau das sei schliesslich auch entscheidend für die Sicherheit. «Sie müssen wissen, welche Wirkung der Ring hat, denn, wenn er als Notbremse dienen muss, kann er das nur, wenn sie seinen Einsatz kennen», bilanziert der Emmentaler. Er ist einer, der die Stiere möglichst nie am Ring führt, sie aber immer Auge hat. Man könne es nicht genug wiederholen: «Angst ist im Zusammenhang mit einem Stier der falsche Begleiter, aber man muss sie im Auge haben, den nötigen Respekt haben und wissen, dass jederzeit etwa passieren kann».
Wie ist das Vorführen von Stieren gesetzlich geregelt?
Das Anbinden von Stieren am Nasenring ist gesetzlich verboten. Im Gegensatz zur tierschutzkonformen Anbindung ist das Führen eines Stieres in der Tierschutzverordnung wiederum nicht spezifisch geregelt. Hier kommt die allgemeine Regelung (Art. 4 Abs. 2 TSchG) zum Tragen: «Niemand darf ungerechtfertigt einem Tier Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen, es in Angst versetzen oder in anderer Weise seine Würde missachten. Das Misshandeln, Vernachlässigen oder unnötige Überanstrengen von Tieren ist verboten.» Die Vereinigung der Schweizer Kantonstierärztinnen und Kantonstierärzte (VSKT) hat ein Merkblatt zum Umgang mit Stieren herausgegeben. In diesem Merkblatt steht, dass Stiere über 18 Monate für Ortswechsel am Nasenring von einer Person zu Fuss geführt werden dürfen. Diese Anforderung sei durch Sicherheits-aspekte begründet, heisst es. Wie sieht es nun aber bei Stieren aus, die unter 18 Monate alt sind und einen Nasenring tragen, wie im Fall des Stiers von Langenbruck? Wir haben bei Reto Wyss, Präsident VSKT, nachgefragt. «Gemäss Tierschutzgesetzgebung müssen Stiere, die älter sind als 18 Monate, einen Nasenring tragen. Eine untere Altersgrenze gibt es nicht», erklärt der Tierarzt. Es werde davon ausgegangen, dass dies aus Sicherheitsgründen spätestens bei Stieren ab einem Alter von 1,5 Jahren nötig und damit gemäss Art. 4 TSchV gerechtfertigt sei. «Es muss jedoch immer der Einzelfall beurteilt werden», erinnert Wyss.
Es braucht ein Halfter
Auf die ergänzende Frage, ob ein Stier «nur» am Ring geführt werden könne, oder ob ein Halfter zwingend nötig sei, sagt Wyss: «In der Tierschutzgesetzgebung ist zwar nur geregelt, dass ein Stier nicht am Nasenring angebunden werden darf. Für das Führen gibt es keine spezifische Regelungen. Aus den allgemeinen Vorschriften ergibt sich aber, dass ein Stier grundsätzlich an einem Halfter geführt wird und der Strick oder die Stange am Nasenring zusätzlich aus Sicherheitsgründen eingesetzt wird.» Wann beim Führen eines Stiers ein tierschutzrelevantes Vergehen vorliege, müsse im Einzelfall geklärt werden und könne daher auch nicht generell beantwortet werden. Beurteilt wird das Ganze im Rahmen des Strafverfahrens von der Staatsanwaltschaft, gegebenenfalls unter Beizug von Fachpersonen. Um auf die Anzeige gegen Andreas Aebi zurückzukommen, stellten wir auch die Frage, wer zuständig ist, wenn an einer Auktion oder einem ähnlichen Anlass ein tierschutzwidriges Verhalten erkannt oder vermutet wird. «In erster Linie ist der Tierhalter verantwortlich, dass er in der Haltung und im Umgang mit seinen Tieren die Tierschutzgesetzgebung einhält», ergänzt Wyss.
Keine Einschätzung möglich
Zum Vorfall in Langenbruck kann der Präsident des VSKT keine Einschätzung abgeben. «Die Filmsequenz, die ich ge-sehen habe, ist nur sehr kurz. Man kann nicht beurteilen, ob das Tier vor der Aufnahme in irgendeiner Form unruhig war und daher aus Gründen der Sicherheit so geführt wurde. Es ist auch nicht beurteilbar, wie lange der Stier so geführt wurde», schliesst Wyss.