Bis 2040 strebt die Migros-Gruppe die Klimaneutralität an. Als Teil der Gruppe verfolgt auch die Micarna deren Nachhaltigkeitspolitik und hat sich ambitionierte Ziele gesetzt. Einen wichtigen Pfeiler bildet dabei die Reduktion der Emission klimaschädlicher Gase. Bis 2030 sollen mehr als die Hälfte der Pouletmastbetriebe fossilfrei produzieren. Traditionell wurden die Masthallen bis anhin mit dem fossilen Brennstoff Propan geheizt.

Wärmepumpe statt Gasheizung

Auch die 600 Quadratmeter grosse Pouletmasthalle von Landwirt Baptiste Bosson aus dem freiburgischen Esmonts sollte ursprünglich mit Propangas geheizt werden. Aufgrund des Beschlusses der Micarna musste die Gasheizung aber schliesslich einer Luft-Wasser-Wärmepumpe weichen. «Statt bei 800 000 Franken lagen die Investitionskosten am Ende bei 900 000 Franken», so der Landwirt. Seit Februar 2023 ist die Halle des Freiburgers nun in Betrieb.

2016 hat die Stallbaufirma Globogal erstmals eine Pouletmasthalle ohne fossile Brennstoffe geplant. «Der Landwirt kam damals auf uns zu und meinte, ob die Halle nicht anstatt mit Gas mithilfe einer Wärmepumpe geheizt werden könnte», berichtet David Stauffer, der das Aargauer Familienunternehmen in der zweiten Generation führt. «Ich wusste, dass unser System mit einer Gasheizung funktioniert, doch mit Wärmepumpen hatte ich bis zu diesem Zeitpunkt keine Erfahrung», so der Geschäftsführer weiter. Die Branche zeigte sich der Idee gegenüber eher skeptisch. Doch es stellte sich heraus: Das Konzept geht auf.

«Ohne Pionier hätten wir uns vielleicht auch erst 2022 an eine Heizung ohne fossile Brennstoffe gewagt», so Stauffer. Anders als bei Baptiste Bosson entschied man sich damals für eine Wärmepumpe mit Erdsonde. Die Masthalle von Bosson ist die erste Halle, die mit einer Luft-Wasser-Wärmepumpe ausgestattet ist.

Laufen in der Kaskade

Die Wärmepumpen-Anlage stammt von der Firma Vaillant, einem deutschen Familienunternehmen. Insgesamt vier Wärmepumpen sind an der Aussenwand der Halle montiert. Mit ihnen wird die Aussenluft angesaugt. «Bei der Konzeption der Anlage war uns der Aspekt der Sicherheit sehr wichtig», so David Stauffer. Aus diesem Grund habe man sich für eine sogenannte «4er-Kaskade» entschieden, erklärt der Fachmann weiter. «Je nach Wärmebedarf laufen entweder nur eine, zwei, drei oder gar alle vier Wärmepumpen», so der Experte. Sollte eine der vier Wärmepumpen ausfallen, ermöglicht eine elektrische Direktheizung, dass weiterhin die volle Heizleistung erreicht werden kann.

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Der sich im Technikraum befindende Boiler mit einem Fassvermögen von 500 Litern ist nicht viel grösser als derjenige eines Einfamilienhauses. «Uns war es wichtig, dass die Anlage eine Vorlauftemperatur von 60 °C erreichen kann. Bei vielen Anlagen ist dies nicht der Fall», so der Stallbauer. Als Kältemittel werde zudem ein nicht-ozonschichtabbauendes Kältemittel eingesetzt. Die anschliessende Wärmeverteilung im Stall erfolgt über frei hängende Rippenrohre, die sich in zwei Bahnen à je vier Rohre links und rechts durch die gesamte Länge der Halle ziehen.

Das Herzstück des Systems

Das Herzstück der Anlage bildet laut David Stauffer aber nicht die Wärmepumpe, sondern die Wärmerückgewinnung (WRG). «Seit 2012 planen wir keine einzige Geflügelmasthalle ohne WRG», so der Stallbauer. Zwei vertikale Rohrbündel-Wärmetauscher sind im Dach der Masthalle von Baptiste Bosson eingebaut. Aufgrund der CO2-Abgabe der Tiere an die Umgebung muss ständig gelüftet und nachgeheizt werden. Über 85 Prozent der Wärme gehen über die Lüftung verloren. Hier kommt die WRG ins Spiel.

Das Prinzip ist simpel: Während die warme Abluft in vielen kleinen Rohren nach draussen befördert wird, gelangt die Frischluft über die Zwischenräume der Rohrbündel in den Stall. Durch den daraus resultierenden Oberflächenaustausch wird die einströmende Aussenluft erwärmt. Mindestens 50 Prozent der Wärme können so zurückgewonnen werden. Nach rund 20 Tagen produzieren die Poulets genügend Wärme, dass die Heizung abgestellt werden kann.

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Wo weniger Energie gebraucht wird, muss auch weniger Leistung installiert werden. «Dank der WRG wird es tatsächlich möglich, eine Pouletmasthalle von 600 m2 mit einer maximalen Wärmepumpenheizleistung von 48 kW einwandfrei zu beheizen», erklärt der Fachmann weiter. Ohne WRG läge die nötige Leistung mit ungefähr 70 kW deutlich höher.

Keine Bodenheizung nötig

Mithilfe des Wärmepumpen-WRG-Konzepts gelang der Firma zudem der Verzicht auf eine Bodenheizung. Laut Stauffer wird diese häufig verlegt, um bis zum letzten Masttag eine einwandfreie Einstreuqualität zu gewährleisten. Wird die Einstreu feucht, können vermehrt Fälle von schmerzhaften Fussballengeschwüren im Bestand auftreten. Diese führen mitunter zu einem Tierschutzproblem. «Unser Geheimnis ist es, die WRG vom ersten bis zum letzten Masttag einzuschalten», verrät Stauffer.

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Eine Bodenheizung ist laut dem Geschäftsführer nur Symptombekämpfung. Mit zunehmendem Alter der Tiere steigt die Feuchtigkeit im Stall. Um die Feuchtigkeit zu senken, wird in einem Stall ohne WRG geheizt, dies führt jedoch zu einem Teufelskreis, denn anschliessend muss wieder gelüftet und dann wieder geheizt werden. Dadurch steigt die Heizleistung ab dem ungefähr 20. Masttag bis Mastende laufend an (siehe Grafik). Mit WRG hingegen wird die Heizung zum etwa gleichen Zeitpunkt abgeschaltet. «Vielen ist gar nicht bewusst, dass gegen Ende Mast mehr geheizt werden muss als zu Beginn», so der Stallbauer.

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