Nach den Bio-Suisse-Richtlinien kann seit diesem Jahr nur noch inländisches Futter verfüttert werden und bei den Wiederkäuern wurde der Kraftfutteranteil auf 5 % gesenkt. Viele Biobauern haben sich Sorgen gemacht, ob die gewohnte Fütterung mit 10 % Kraftfutter und Importluzerne noch zu meistern sei. Nun ist auch noch dazugekommen, dass die Eiweissträger im Kraftfutter wegen verschiedener Einflüsse auf dem Markt teuerer geworden sind.
Ich meine, das sollte kein allzu grosses Problem sein. Zuerst einmal ist es so, dass der Wiederkäuer ein rhythmischer Eiweissverwerter ist. Die Versorgung kann tief sein und dann auch wieder sehr hoch. Vor allem die Milchkuh ist im Stande, aus relativ wenig konzentrierten Futtermitteln hochwertige Eiweissprodukte in Form von Milch und Fleisch zu liefern. Die Regel, dass zur Versorgung der Milchkuh ein Milchharnstoffgehalt von 25 mg/dl notwendig ist, darf ruhig hinterfragt werden:
Wie sinnvoll ist es, vorne die Ration mit teurem, in den allermeisten Fällen zugekauftem Eiweiss aufzubessern, damit hinten mehr unverbrauchter Stickstoff (Protein) rauskommt? Ist es sinnvoll, dass damit auch Leber und Nieren als Entgiftungs- und Ausscheidungsorgane um einiges mehr belastet werden? Ist das für den Organismus und die Langlebigkeit der Milchkuh förderlich (von Ausnahmen abgesehen)?
Es geht auch anders
Ich bin von einem eindeutigen Nein überzeugt, denn es geht auch anders. Bei vielen meiner Berufskollegen und auch auf unserem eigenen Betrieb funktioniert die Fütterung mit tiefen Harnstoffgehalten seit vielen Jahren ohne Probleme. Sie arbeiten mit Getreidemischungen zur Energieversorgung.
Vor allem im Winter können die Werte über längere Zeit auch unter 10 mg liegen. Andererseits machen kurzfristige Erhöhungen während des Sommers aus dem Gras einer Milchkuh nichts aus. So leiden weder Fruchtbarkeit noch Langlebigkeit darunter.
Es ist klar, dass bei tieferer Proteinzufuhr die Milchleistung nicht ganz so hoch ist und daher die Energieversorgung umso besser wird. Das ist doch die grosse Herausforderung in der Startphase im Biobetrieb bei limitiertem Einsatz von Kraftfutter. Genau das ergibt höhere Eiweissgehalte in der Milch und weniger abgemolkene Kühe, die schneller wieder trächtig werden.
Dazu kommt noch die finanzielle Seite: Wenn weniger vom teuren Eiweiss zugekauft werden muss, sinken die Kosten mehr als die Einbusse bei der Produktion. Wenn auch noch der Tierarzt weniger auf den Betrieb kommt und die Remontierung gesenkt werden kann, steigt auch die Marge und letztendlich das Einkommen.
Vorsicht vor der Abwärtsspirale
Auf vielen reinen Grünlandbetrieben ist ausserdem der Düngerkreislauf wegen des Futterzukaufs an der Grenze des Vernünftigen. Da die guten Futtergräser in höheren Lagen nicht so hohe Nährstoffeinträge vertragen, kann eine schlechte Grasnarbe mit all ihren Nachteilen entstehen. Wenn dann die schlechteren Bestände mit zugekauftem Futter aufgebessert werden müssen, kommt man in eine Abwärtsspirale.
Es ist mit dieser Strategie einfacher, den Argumenten von weniger Fleisch und klimaschädlichem Rindvieh entgegenzutreten. Auf absolutem Grünland können wir immer mit gutem Gewissen Milch und Fleisch produzieren als notwendige Ergänzung zur Nahrungsmittelversorgung. Ausserdem steigt auf den gesparten Ackerflächen die Produktion für die menschliche Ernährung. Und wir Bauern betreiben so eine produzierende Landwirtschaft.
Zum Autor
Andreas Melchior bewirtschaftet in Andeer einen Bio-Milchwirtschaftsbetrieb. Er schreibt für die Rubrik «Arena» im Regionalteil Ostschweiz/Zürich der BauernZeitung.