Die junge Bäuerin ist stocksauer, weil die Schwiegermutter ungefragt ihren Gemüsegarten gejätet hatte. Der Bauer kocht innerlich, weil sein Nachbar die Parzellengrenze nicht respektiert hat, schon wieder. Das Bauernpaar ist am Ende der Kräfte. Eine Scheidung steht an und es gäbe viel zu regeln. Doch jedes Gespräch artet in Streit aus.

Das sind nur drei Beispiele von vielen Konfliktsituationen, wie sie täglich in der Landwirtschaft auftreten. Eine Mediation kann dabei helfen, sie zu entspannen. «Ein Konflikt wird definiert, wenn beide auf ihren Positionen verharren», erklärt Franziska Müller Tiberini bei einem Gespräch in Bern. «Mediation ist ein niederschwelliges Werkzeug, damit Be-wegung hineinkommt.»

Ebenfalls beim Gespräch dabei ist Benno Winkler. Wie Franziska Müller Tiberini ist er im Verein «Hofkonflikt» aktiv, dem «Netzwerk Mediation im ländlichen Raum», den es seit elf Jahren gibt. Auf der Website des Vereins finden sich schweizweit derzeit 24 Fachpersonen, die bei Konflikten unterstützen können. Alle sind vom Berufsverband «FSM Federation Suisse Mediation» anerkannt, dessen Präsidentin Franziska Müller Tiberini ist.

Vermitteln bei Konflikten

Mediation bedeutet «Vermittlung in Konflikten». Denn ungelöste Konflikte kosten viel Energie, Nerven und Geld. Die Mediatorin oder der Mediator nimmt bei der Vermittlung eine neutrale Position ein, um eine einvernehmliche Lösung zu finden. «Bei KMUs und in der Landwirtschaft fliessen viele Rollen ineinander über», sagt Franziska Müller Tiberini. «Eine Tochter ist etwa nicht nur familiär mit den Eltern verbunden, sondern auch geschäftlich.» Das führt nicht selten zu Reibereien.

Doch wann ist der richtige Zeitpunkt für eine Mediation? «Lieber früher als später», sagt Benno Winkler. «Spätestens aber, wenn man nicht mehr vernünftig miteinander reden kann, wenn die Parteien sich in ihren Positionen verschanzen.» Während der Mediation gehe es darum, dass man auch die Sichtweise der anderen Seite sieht und bereit ist, die eigene Position zu verändern. «Das geht nicht immer 50/50.»

Präventive Mediation

Mediation kann aber auch präventiv eingesetzt werden, etwa bei einer Hofübergabe. So kann unter anderem geklärt werden, was man als Einzelperson, als Familie und als Betrieb braucht. «Dabei steht im Vordergrund, das Positive auf dem Hof zu betrachten: Was läuft warum gut», so Benno Winkler.

Zu den Hauptthemen bei Generationenkonflikten gehört, dass man nicht die gleichen Vorstellungen hat, wie es weitergehen soll. Oder dass die Arbeitsteilung nicht klar ist. Oder dass eine junge Frau auf den Hof kommt, manchmal ohne landwirtschaftlichen Hintergrund, die auf dem Hof ihren Platz finden muss. Dazu gehört meist, dass sich der Jungbauer im Clinch zerrissen fühlt zwischen den Eltern und seiner Partnerin.

Es braucht Wertschätzung

«Es braucht gegenseitige Wertschätzung», ergänzt Franziska Müller Tiberini. «Damit wird oft sehr sparsam umgegangen.» Dazu gehört:

  • Vertrauen geben und bekommen.
  • Toleranz.
  • Loslassen können.
  • Sachen nicht totschweigen, nicht die Faust im Sack machen.
  • Klare Aufgabenteilung und Kompetenzenregelung.
  • Die Jungen akzeptieren die Tatsache, dass sie von den Erfahrungen der Seniorinnen und Senioren profitieren können.
  • Die Alten schätzen den Innovationsgeist der Jungen.
  • Unternehmerisches Denken und Handeln.

«Wenn man sich daran orientiert, kommt es nicht zu groben Konflikten», so Franziska Müller Tiberini weiter. Gerade bei Übergängen helfen zudem klare Regeln: Wer macht was und warum. «Sonst kommt man sich ins Gehege.» «Eindruck gemacht hat mir die Einstellung eines älteren Bauern», erzählt Benno Winkler aus der Praxis. «Er sagte mir, er würde den Hof nur für die nächste Generation verwalten.»

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Bereit, sich helfen zu lassen

Die jüngere Generation sei heute eher bereit, sich von aussen Hilfe oder Informationen zu holen, wissen die beiden Fachpersonen aus Erfahrung. Bei den älteren ist das noch eher mit Scham behaftet, es herrscht die Meinung vor: «Ich brauche keine Hilfe, das kann ich selbst» und «Was denken denn die Nachbarn?»

Zuhören, wie die Situation für die anderen ist, geht in der Regel besser, wenn eine externe Fachperson dabei ist. Benno Winkler: «Manchmal muss es chlöpfe, bis es besser wird. Erst wenn es weh tut, ist man bereit, Hilfe zu holen.» Um eine passende Lösung zu finden, braucht es unter Umständen einen unkonventionellen Lösungsansatz, zum Beispiel die Wohnsituation zu trennen. «Das kostet Geld», bestätigt Franziska Müller Tiberini. «Es ist aber die Investition wert. Und ein neuer Traktor kostet viel mehr.»

Der erste Schritt ist in der Regel ein Telefongespräch mit einer Mediations-Fachperson aus der Region. Dabei wird abgeklärt, ob eine Mediation sinnvoll ist oder nicht. Wenn ja, trifft man sich auf dem Hof oder an einem neutralen Ort. Beim ersten Gespräch können bereits beide Parteien dabei sein oder die Mediatorin oder der Mediator trifft sie einzeln.

Sich zu Gesprächen treffen

«Manchmal reicht ein Erstgespräch, damit beide Seiten merken, dass sie das zusammen können», sagt Franziska Müller Tiberini. «Dabei kann zum Beispiel vereinbart werden, dass sich die Parteien alle zwei Wochen zu einem Gespräch treffen.» «Bauern wollen Nägel mit Köpfen», weiss ihr Kollege Benno Winkler. «Sie möchten schon im Erstgespräch ein Ergebnis erhalten, etwas für ihre Investition.» Er stellt zudem klar: «Wir sind keine Therapeuten.»

Dauert die Mediation länger, hat sich ein schriftlicher Mediationsvertrag bewährt: Dort wird unter anderem festgehalten, welches die Haltung des Mediators oder der Mediatorin ist und dass die Konfliktparteien selbstverantwortlich sind: Die Fachperson kann das Problem nicht für sie lösen, aber mit ihrem «Werkzeugkasten» zielführend auf ein positives Ergebnis hinwirken. Eventuell wird auch ein Budget fixiert. Ebenfalls bewährt hat sich eine schriftliche Vereinbarung über getroffene Massnahmen.

Konflikte gehören dazu

«Konflikte sind normal», sagt Franziska Müller Tiberini. Doch die Mediation strebt eine Normalisierung des Konflikts an. Dazu braucht es viel Kommunikation. «Ohne Dialog passiert nichts.» Zu einer guten Kommunikation gehört:

Konstruktives Feedback: Zum Beispiel «Ich sehe, dass du in letzter Zeit viel Zeit für die Stallarbeit brauchst. Anderes bleibt dagegen liegen. Was können wir tun, um die Situation zu verbessern?»

Keine Du-Botschaften: Zum Beispiel «Du bist so unzuverlässig.»

Keine Schuldzuweisungen: «Du bist schuld, dass ...»

Keine Totschlagargumente: Dazu gehören Sätze wie «Das haben wir schon immer so gemacht» oder «Das ist halt so».

Bewährt hat sich für die beiden Fachleute zudem, Prioritäten zu erarbeiten: sich gemeinsam darauf zu einigen, welches Thema das wichtigste ist. «Das bringt Erleichterung und einen gemeinsamen Nenner», sagt Benno Winkler. «Dadurch kommen beide Parteien in einen Modus, in dem etwas verhandelbar ist.»

 

Hilfe bei Konflikten
Das Netzwerk «Mediation im ländlichen Raum» gibt es seit elf Jahren. Es entstand nach österreichischem Vorbild und im Austausch mit dem Bäuerlichen Sorgentelefon sowie der landwirtschaftlichen Beratung.

«Mediation kann helfen, aus einem Streit oder Konflikt hinauszufinden», heisst es auf der Website des Netzwerks, etwa bei folgenden Themen:

- Familienkonflikte auf Landwirtschaftsbetrieben
- Streitigkeiten zwischen den Generationen
- Fragen rund ums «Stöckli»
- Schwierige Situationen in der Fürsorge von betreuungsbedürf­tigen Personen
- Konflikte innerhalb des Familien- oder Kleinbetriebs
- Streit bei Nachfolgeregelungen und Hofübergaben
- Konflikte mit oder in Alpgenossenschaften
- Nachbarschaftsprobleme
- Konflikte zwischen Landwirtschaft und Tourismus
- Konflikte mit der Bevölkerung am Wegrand 

Weitere Informationen:
Netzwerk Mediation im ländlichen Raum www.hofkonflikt.ch
Tel. 031 941 01 00 (Kontaktstelle)