Wir erinnern uns: Was wurde die Agrarpolitik 2014–17 kritisiert, wenn nicht sogar verschrien. Man wolle Landschaftspfleger, keine Produzenten mehr, lautete der Vorwurf aus der Landwirtschaft. Zu wenig Ökologie, monierten andere.

Der Bauernverband überlegte kurz, entschied sich aber dann gegen ein Referendum. Bauernverbands-Präsident Markus Ritter warnte vor einer "innerlandwirtschaftlichen Zerreissprobe".  Die Landwirtschaftskammer entschied sich 2013 mit 76 gegen eine Stimme bei fünf Enthaltungen gegen ein Referendum. Das Risiko einer Abstimmungsniederlage sei hoch und die Landwirtschaft würde dadurch an politischem Einfluss verlieren, so die Befürchtung. Das lancierte Referendum unter der Leitung von Uniterre blieb chancenlos.

Landschaftsqualitätsbeiträge überlebten

Das ist bereits sechs Jahre her. Aber auch nach Inkrafttreten bot die AP 14–17 viel Diskussionsstoff. Allen voran die Landschaftsqualitätsbeiträge. "Kaum geboren, schon beerdigt?" lautete damals die Schlagzeile der BauernZeitung. Mit Nationalrat Hansjörg Knecht (SVP/AG) schaffte es die umstrittene Beitragsart sogar ins Parlament. Beiträge, die notabene 5 Prozent der Gesamtsumme der Direktzahlungen ausmachen. Sie überlebten.

Als Antwort auf die grosse Unzufriedenheit in der Landwirtschaft lancierte der Bauernverband seine Initiative über die Ernährungssicherheit. Eine Initiative, die zu einem direkten Gegenvorschlag führte, welcher an der Urne vom Volk mit grosser Mehrheit angenommen wurde. Ein grosser Erfolg für den Bauernverband. Gerne geht dabei vergessen, dass der Initiativtext selbst ein Kompromiss zwischen dem Bauernverband und den Gründern des Vereins für eine produzierende Landwirtschaft war. Letztere waren mit der Lancierung ihrer Initiative sogar schneller, aber das nur am Rande bemerkt.

460 Stellungnahmen

Der Bundesrat gab bald einmal bekannt, dass er für die  AP 2018–21 keine grossen Änderungen plane. Doch die Pause währte nur kurz. Mit der am 1. November 2017 vorgestellten Gesamtschau präsentierte der Bundesrat ein neues Feindbild. Als "heftiger Frontalangriff" und "Missachtung des Volkswillens" wurde diese bezeichnet. Obwohl der Zusatzbericht einen gemässigteren Ton anschlug, wurde er vom Parlament zurückgewiesen. Die Forderungen sollten in der nächsten Reformetappe, der Agrarpolitik 2022+ umgesetzt werden.

Im November letzten Jahres präsentierte der Bundesrat die Botschaft zur Agrarpolitik 2022+. Die Vernehmlassung ist zu Ende, die Stellungnahmen sind bekannt. Sage und schreibe 460 Stellungnahmen sind beim Bundesamt für Landwirtschaft eingetroffen. Eine Revolution ist sie nicht. Grosse Veränderungen finden sich darin nicht. Und diejenigen Vorschläge, die mehr sind als Korrekturen, werden von allen Seiten kritisiert. Die soziale Absicherung der Bäuerin als Voraussetzung für den Erhalt der Direktzahlungen? Abgelehnt. Ein Basisbeitrag für alle Landwirtschaftsbetriebe? Chancenlos. Eine Anpassung des ÖLN? Unnötig. Im Gegenteil. Ganz erstaunt liest man zum Beispiel in der Stellungnahme des Bauernverbands, dass dieser die vorgeschlagene Umlagerung der Landschaftsqualitätsbeiträge sogar ablehnt und sich für deren Beibehaltung einsetzt.

Druck für Veränderungen zu gering

Kontinuität ist eines der wichtigsten Anliegen der Landwirtschaft. Das erklärt vielleicht auch, warum die einst so verschriene AP 14–17 plötzlich der gewünschte Status quo ist. Stillstand bedeutet jedoch Rückschritt. Die Ansprüche an die Schweizer Landwirtschaft werden nicht kleiner. Die zahlreichen Initiativen zeigen es. Egal ob Trinkwasser, Pestizide, Massentierhaltung, Ernährungssouveränität – die Landwirtschaft kann nicht isoliert betrachtet werden.

Damit sich etwas bewegt, braucht es aber Druck. Anscheinend ist der Druck für mehr Veränderung nicht hoch genug. Dennoch schafft es die Agrarpolitik wieder einmal ins Bundeshaus. Nach stundenlangen Debatten und unzähligen Voten wird man sich irgendwo bei einer mittleren Unzufriedenheit finden. Wird diese AP 22+ Antwort auf wichtige Fragen geben? Wohl kaum. Wie soll sie auch, wenn selbst die kleinsten Anpassungsvorschläge auf so viel Widerstand stossen.