Im Mai hatten die Walliser Staatsräte Frédéric Favre (FDP) und Christophe Darbellay (Die Mitte) an einer Medienkonferenz hart gegen den Wolf geschossen. Sie erklärten, dass die Lage als «ausser Kontrolle» sei und forderten den Bund in einem Brief auf, eine Notverordnung zu erlassen. Diese hätte es dem Kanton ermöglichen sollen, in Koordination mit dem Bundesamt für Umwelt (Bafu) während sechs Monaten «die Überpopulation der Wölfe» zu regulieren. «Die Antwort des Bundesrates wurde dem Staatsrat am Mittwoch überreicht», sagte Frédéric Favre, Vorsteher des Walliser Departements für Sicherheit, Institutionen und Sport, am Donnerstag gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Der Bundesrat sei sich zwar der schwierigen Situation bewusst, aber der Ansicht, dass diese nicht schwerwiegend genug sei, um eine Notverordnung zu rechtfertigen.
Ein Lichtblick für die Saison 2023
Simonetta Sommaruga, Vorsteherin des Eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek), erinnert an die verschiedenen Instrumente, die dem Kanton bereits zur Verfügung stehen, um die Lage zu bewältigen. Da ein Entwurf für eine Revision des Jagdgesetzes in Vorbereitung sei, würden Bund und Kantone weiterhin so gut wie möglich mit der bekanntlich nicht guten Situation umgehen. Der Staatsrat hebt jedoch einen positiven Punkt hervor. In ihrem Schreiben weise Sommaruga darauf hin, dass ihr Departement derzeit weitere Anpassungen der Jagdverordnung im Hinblick auf die Sömmerungssaison 2023 prüfe.
Vieles schon beschlossen, betont der Bund
Das Bafu bestätigt gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone-SDA die Position des Bundesrates und verweist insbesondere auf den Vorstoss von Nationalrat Michael Graber (SVP/VS) während der parlamentarischen Sommersession. Dieser hatte sich gefragt, warum die Regierung noch keine Notverordnung erlassen habe. In seiner Antwort erinnert der Bundesrat daran, dass er die Jagdverordnung bereits für die Sömmerungssaison 2021 angepasst habe, und zwar innerhalb einer sehr kurzen Frist und mit verkürzten Vernehmlassungsfristen. Die Schwelle, ab der ein Abschuss von Wölfen möglich ist, wurde «deutlich gesenkt».
Der Bundesrat erinnert auch daran, dass das Parlament einen neuen Entwurf zur Änderung des Jagdgesetzes ausarbeite, um eine proaktive Regulierung der Wölfe zu ermöglichen. Die Landesregierung weist zudem darauf hin, dass die meisten Nutztiere auf ungeschützten Alpen angegriffen werden. Weiter betont sie, dass das Parlament für die Sömmerungssaison 2022 zusätzliche 5,7 Millionen Franken bewilligt habe. Damit stünden insgesamt 9,4 Millionen Franken für den Herdenschutz zur Verfügung.
«Im Eiltempo durch die Räte»
Der Druck auf den Wolf und den Bund steigt in dieser Sommersaison. Erst vor Kurzem wurde im Kanton Graubünden erstmals eine ausgewachsene Mutterkuh durch den Angriff mehrerer Wölfe gerissen. Dies hat die Lage zusätzlich verschärft. Bauern- und Alpwirtschaftsverbände fordern, dass Bund und Kanton unverzüglich den «Wolfsnotstand» ausrufen. Die Gruppe Wolf Schweiz sieht darin einen absoluten Ausnahmefall. Der Schweizerische Bauernverband schreibt in einem Communiqué vom Donnerstag über den Angriff und fordert, dass die geplante Revision des Jagdgesetzes beschleunigt wird: «Die Vorlage muss nun im Eiltempo durch die Räte».
Rund 150 Wölfe
Seit einigen Jahren wächst die Wolfspopulation in der Schweiz. Derzeit gibt es in der Schweiz rund 150 Wölfe und etwa 15 Rudel. Im Wallis wird die Zahl auf 50 bis 70 Wölfe in drei bis vier Rudeln geschätzt. Im Jahr 2021 waren im Wallis 336 von rund 40'000 Tieren auf den Alpen durch den Wolf getötet worden, was weniger als 0,9 Prozent entspricht. Seit Anfang 2022 sind im Kanton 92 Nutztiere (Stand Mitte Mai) durch den Wolf getötet worden.
Abschuss angeordnet
Der Walliser Staatsrat Frédéric Favre (FDP) hat am 15. Juli den Abschuss eines Wolfes in der Region Val d'Illiez angeordnet. Das Tier riss zwölf Nutztiere auf geschützten Alpweiden.