80 einheimische Bäume verschönern die waadtländische Ebene auf den Gemeindegebieten von Assens und Echallens im Gros de Vaud. Dazu kommen 9600 Quadratmeter Hecke sowie neue Bachläufe und sogar ein kleiner See. Ein Projekt, das ziemlich genau zehn Jahre gedauert hat, gibt dem 576 Hektar grossen Gebiet – das entspricht fast der Fläche von 900 Fussballfeldern – ein neues Gesicht.
«Von nun an geht in Assens die Rationalisierung der Landnutzung Hand in Hand mit der Verbesserung der Biodiversität und der Landschaft», sagte Christian Hofer, Direktor des Bundesamtes für Landwirtschaft (BLW), im Rahmen eines feierlichen Projektabschlusses. Die Gesamt-Melioration von Assens, die von Bund, Kanton und Gemeinden mit rund CHF 9 Mio. finanziell unterstützt wurde, zeigt, wie Projekte zur ländlichen Entwicklung und Strukturverbesserungen heute aussehen können.
Solche Grossprojekte sind nur durch die Zusammenarbeit vieler Beteiligter möglich. Und diese ist aufgrund von Interessenskonflikten oft nicht einfach. Im Fall von Assens hat der direkte und frühe Miteinbezug von Regierungsstellen und Naturschutzverbänden wie Pro Natura und WWF das Konflikt-Potenzial im Vorneherein reduziert.
[IMG 2]
Bundesrat Guy Parmelin ist davon überzeugt, dass Strukturverbesserungsprojekte künftig ein zentrales Instrument der Agrarpolitik sein werden.
Projekte «von unten nach oben»
Strukturverbesserungen im grossen Stil sind immer «Bottom-up»-Projekte, das heisst, sie werden von einem Projektteam geplant und umgesetzt. Dabei durchlaufen solche Projekte Prozesse von «unten» (Projektteam) nach «oben» (Kanton, Bund). Ein erheblicher Teil der anfallenden Kosten wird vom Projektträger selber getragen, doch helfen auch Bund und Kantone bei der Finanzierung tatkräftig mit.
«Projekte, die sich aus einem solchen Prozess ergeben, entsprechen einem realen Bedürfnis der Bauern. Sie entspringen nicht den Launen einiger weniger kantonaler oder eidgenössischer Beamter», betonte Bundesrat Guy Parmelin anlässlich des Projektabschlusses. In Assens dient die Gesamt-Melioration mit der Arrondierung der Parzellen und dem angepassten und sanierten Flurwegnetz in erster Linie den Landwirten, doch ist die Fläche durch die Eingriffe auch für Spaziergänger attraktiver geworden und auch bei der Biodiversität zeigen sich bereits erste Erfolge.
«Ich bin davon überzeugt, dass solche Projekte wie hier in Assens der Multifunktionalität der ländlichen Gebiete in vollem Umfang Rechnung tragen», sagt Bundesrat Guy Parmelin. Und ebenfalls überzeugt sei er davon, dass solche Projekte in Zukunft eine noch grössere Rolle spielen werden. «Sie werden zu einem Schlüsselelement für die Umsetzung der regionalen Agrarstrategien werden», sagt der Wirtschaftsminister.
[IMG 3]
Bundesrat Guy Parmelin pflanzt in Assens mit tatkräftiger Unterstützung symbolisch einen Baum.
Projekte mit fahlem Beigeschmack
Auch ging Guy Parmelin bei seinen Ausführungen auf das schlechte Image struktureller Massnahmen im ländlichen Raum ein. «Es wird auch heute noch oft gesagt, dass Strukturverbesserungsmassnahmen für die Betonierung der Landschaft verantwortlich sind. Das mag in der Vergangenheit so gewesen sein, aber das ist heute nicht mehr der Fall», betont der Waadtländer. Das bestätigt auch Thomas Hersche vom Fachbereich Meliorationen beim Bundesamt für Landwirtschaft (BLW).
«Wir kämpfen noch immer mit dem schlechten Image, das wir aus 1970er- und 80er-Jahre-Projekten bekommen haben», sagt er. Damals habe man Wege kurzerhand begradigt, Bäche zugedoht und ganze Hochstamm-Obstanlagen entfernt. So habe man vielerorts geschaffen, was man heute als «Agrarwüste» bezeichnen würde.
«Ich kritisiere das nicht, dann aus damaliger Sicht war das richtig so», sagt Hersche. Heute würden bei Meliorations-Projekten von Anfang an immer alle Aspekte und Bedürfnisse miteinbezogen.
Win-win-Situation als Ziel
Bei grösseren Projekten, also Gesamt-Meliorationen, sei der Auslöser immer seltener die Landwirtschaft, wie dies im Falle von Assens der Fall war. Immer häufiger seien strukturelle Eingriffe wie Hochwasserschutz- oder Bahn- und Strassenprojekte der Auslöser, sagt Hersche.
Bei solchen Projekten wird meist Land benötigt, was bedeutet, dass man auch das Grundeigentum – vor allem die Verteilung der Parzellen – miteinbeziehen muss. Bei solchen Projekten sei man stets auf den «Goodwill» der betroffenen Landwirte angewiesen, weiss Hersche, denn die Projekte sind auf deren Land angewiesen. Und auch, wenn diese insbesondere von Bodenverbesserungen mitprofitieren, sind nicht immer alle sofort für solche Massnahmen offen. «Es ist nicht immer einfach alle Ansprüche unter einen Hut zu bringen und für alle Beteiligten eine Win-win-Situation zu schaffen. Dies ist auch der Grund, weshalb grössere Projekte oft sehr lange dauern», sagt Thomas Hersche.
Die Gesamt-Melioration in Assens sei mit einer Projektdauer von 10 Jahren im Vergleich zu ähnlichen Projekten relativ kurz. Da bei den einzelnen Projekt-Schritten immer erst ein Konsens aller Beteiligten vorliegen und jede Etappe öffentlich aufgelegt werden muss, verstreicht bis zum Projektabschluss oft viel Zeit.
[IMG 4]
Die junge Eiche wurde anlässlich des offiziellen Projektendes gepflanzt.
Schon nur bis zum Start der Realisierung der Massnahmen dauert es in der Regel längere Zeit (siehe Box zum Ablauf). Denn Bund und Kanton prüfen zuerst, ob das Projekt unterstützungsberechtigt ist. «Der Vorwurf, dass solche Projekte ‘ewig lange dauern’, ist insofern korrekt, weil es meist mehrere Jahre dauert, bis ein Schlussstrich unter das Gesamtprojekt gezogen werden kann», sagt Thomas Hersche.
Der Landwirt spüre davon aber meistens nicht viel, denn in der Regel sind Massnahmen bezüglich der Parzellierung und der Sanierung der landwirtschaftlichen Infrastruktur (meist Wege und Drainagen) relativ rasch umgesetzt. Die neu zugeteilten Flächen können also rasch durch die neuen Grundeigentümerinnen und Grundeigentümer landwirtschaftlich genutzt werden.
Und auch, wenn Gesamt-Meliorations-Projekte oft eine langwierige Angelegenheit sind, ist der Gedanke, dass aus der Idee eines Einzelnen ein Grossprojekt entstehen kann, also der Bottom up-Charakter solcher Projekte, bestechend.
Den Wert bestehender Strukturen erhalten
Dass Gesamt-Meliorationen künftig eine noch grössere Rolle spielen werden, wie Guy Parmelin dies bereits erwähnt hat, glaubt auch Thomas Hersche. «Die Auslöser haben sich über die letzten Jahre jedoch verändert», sagt er. So wird es, laut seiner Einschätzung, künftig mehr klima- oder auch bodenbedingte Projekte geben. Zum Beispiel die grossflächige Sanierung von bestehenden Bewässerungsanlagen oder Bodenverbesserungen wie dies aktuell etwa in Brüttelen und Treiten im Berner Seeland der Fall ist. Die Arrondierung, also die eigentliche Güterzusammenlegung, bei welcher die einzelnen Parzellen zusammengelegt und neu geordnet und verteilt werden, wird wohl in Zukunft weniger das auslösende Moment für eine Gesamtmelioration sein. Aktuell sind insbesondere im Kanton Graubünden zahlreiche solcher Projekte am Laufen.Dafür wird künftig vermutlich häufiger in Infrastruktur-Projekte investiert, wobei der Werterhalt eine grosse Rolle spielen wird.
Die geschaffene Infrastruktur regelmässig zu sanieren und damit ihren Wert zu erhalten, sei in den letzten Jahrzehnten in gewissen Regionen der Schweiz stark vernachlässigt worden, sagt Hersche. Das sei schade, denn in diese Projekte sei einst viel Geld investiert worden, welches nicht einfach den Bach runtergehen sollte. Denselben Aspekt betont auch Bundesrat Guy Parmelin in Assens: «In Zukunft werden wir zweifellos unsere Anstrengungen darauf konzentrieren müssen, den Wert der bestehenden Strukturen zu erhalten».
Symbolisch dafür, dass Gesamt-Meliorationen langfristige Projekte sind, pflanzte der Wirtschaftsminister gemeinsam mit BLW-Direktor Christian Hofer sowie dem Gemeindepräsident von Assens und einem Regierungsrat des Kantons Waadt, zum Projektabschluss in Assens einen Baum. Eine junge Eiche, die – wie das Projekt selber – in den nächsten Jahrzehnten weiterwachsen, aber ab und zu vielleicht auch etwas Pflege und Aufmerksamkeit benötigen wird.
Wie sieht der Ablauf einer Gesamt-Melioration aus?
Am Anfang braucht es immer einen Idee-Geber – das können ein einzelner oder mehrere Landwirte, aber auch eine Gemeinde sein. In einem nächsten Schritt müssen andere davon überzeugt werden, beim Projekt mitzumachen. Dann wird die Projektidee zu Papier gebracht und der Beizugsperimeter festgelegt. Anschliessend wird auf dieser Grundlage im Rahmen einer Gründungsversammlung abgestimmt (vgl. Art. 703 ZGB). Wenn dort eine Mehrheit der Grundeigentümer und des einbezogenen Landes zustande kommt, wird in der Regel eine Genossenschaft gebildet und ein Planungsbüro beauftragt, ein Generelles Projekt auszuarbeiten.
Bereits in dieser Phase wird ein erster Kontakt zum Bund hergestellt. Dann trifft die Genehmigung durch den Kanton – meist ein Regierungsratsratsbeschluss – ein. Dies bildet die Grundlage für das BLW, um eine Absichtserklärung, die sogenannte Grundsatzverfügung abzugeben. Diese ist zwar nicht verpflichtend, aber der Kanton kann davon ausgehen, dass er bei der Projektfinanzierung auf die Unterstützung des Bundes zählen kann. Bis zu dieser Phase wurden bereits mehrere öffentliche Auflagen gemacht, bei denen die Betroffenen sich zum Projekt äussern und Einsprache erheben konnten: Zu Vorprojekt, Perimeterplan, altem Besitzstand und Generellem Projekt konnte schon Einfluss genommen werden.
Wer und was wird von Bund und Kanton unterstützt?
Grundsätzlich werden vom Bund und von den Kantonen Projekte aus den Bereichen Tiefbau (z.B. Wege, Drainagen, ökologische Massnahmen), Hochbau (z.B. Ökonomie- und Alpgebäude) und Projekte, die zu einer höheren Wertschöpfung eines Gebietes beitragen (PRE) mit zinslosen, rückzahlbaren Investitionskrediten sowie nicht rückzahlbaren Beiträgen unterstützt.
In Bezug auf den Bereich Hochbau ist dabei zu erwähnen, dass das Berggebiet künftig von höheren Ansätzen für das Alpgebiet und von gleich hohen Pauschalen für Investitionskredite profitieren wird wie dies bei Projekten zur Verbesserung der Umweltwirkung (Ammoniakreduktion, Rückbau und Einpassung der Gebäude) der Fall ist. Es werden jedoch ausschliesslich Ställe für raufutterverzehrende Tiere unterstützt.
Projekte zur regionalen Entwicklung (PRE):
PRE wurden vom Bund 2007 ins Leben gerufen. Ein zentraler Punkt bei solchen Projekten ist die Wertschöpfung. Ein Beispiel für ein PRE sind die «chemins du bio» im Kanton Jura, wo übergreifend Agrotourismus-Angebote geschaffen wurden, um die biologische Landwirtschaft in der Region bekannter zu machen. Hier geht es zu einer interaktiven Karte, welche einen Überblick über aktuelle und bereits umgesetzte PRE gibt.