Schweizer Biobauern sträuben sich gegen mehr Tierwohl» und «Grosser Stellenabbau: Jetzt entlässt Migros 150 Angestellte». Das sind Schlagzeilen in Publikumsmedien, die uns interessieren müssen. Sie sind Zeiger dafür, dass die Schweizer Landwirtschaft weiter unter Druck kommt und womöglich innert absehbarer Zeit ersetzbar werden könnte. Warum ist das so?

Branche muss sich schwierige Frage stellen

Der hohe Tierwohlstandard auf Schweizer Bauernhöfen ist ein beliebtes Argument – insbesondere in politischen Kreisen. Auch die Bauern flechten ihn gerne in ihre Debatten ein. Spätestens bei der Betrachtung der einfachen Skizze der Schweineställe im «Blick» muss sich die ganze Branche die Frage stellen: Ist diese Argumentation des hohen Tierwohls noch korrekt oder könnte sie sich schon bald verwässern? Und zwar im grossen internationalen See der Produktion. Während ein Bioschwein in der EU 2,3 m2 zur Verfügung hat, sollen es hierzulande nur 1,65 m2 bleiben.

Die Bauern und Bäuerinnen haben genug. Sie haben es diesen Frühling auf den Strassen kundgetan. «Immer mehr Auflagen, Produzentenpreise unter Druck und Kunden, die sich Ferien leisten können, aber anscheinend kein Biofleisch», sagt Andreas Bracher, Präsident der Interessengemeinschaft Bio-Schweine, im «Blick» diese Woche passend. Natürlich hat er recht. Im Grunde stellt er hier zwischen den Zeilen kopfschüttelnd die Frage nach dem Warum. Eine Antwort darauf kann ihm niemand geben. Oder allenfalls ein Sozialökonom, der die Wechselwirkungen zwischen Gesellschaft, Wirtschaft, Ökonomie und Politik versteht. Weiterbringen wird ihn diese Antwort aber kaum.

Migros entlässt wichtige Leute

Eine Schlagzeile, die in der Landwirtschaft diese Woche weitaus weniger Beachtung fand als die Sache mit den Bioschweinen, ist ein weiterer Schritt des orangen Riesen. Er trennt sich von 150 bisher wichtigen Angestellten. Darunter Personen, die mit der Schweizer Landwirtschaft in direktem Kontakt standen. Migros will sparen, nicht nur beim eigenen personellen Wasserkopf, sondern auch in der Beschaffung. Nach aussen bekennt man sich zwar gerne zur Schweizer Landwirtschaft, pflegt mit ihr, laut eigenen Aussagen, einen guten Kontakt. Aber tut man das auch nach innen? Hier sind Zweifel angebracht.

Umliegende Länder sind uns auf den Fersen

Werfen wir einen Blick über die Grenze. Die Zielvorgabe nach mehr Tierwohl, mehr Ökologie und einer weniger intensiven Landwirtschaft hat auch Stolpersteine. So scheiterte diesen Frühling der «Green Deal» der EU. Während bei Energie- und Klimafragen Einigkeit herrschte, sprengte das Agrardossier das Abkommen regelrecht in die Luft.

Unabhängig davon entwickelt sich die EU-Landwirtschaft in zahlreichen Bereichen in eine Richtung, welche die Schweizer Produktion in Bedrängnis bringt. Mehr Platz für Bioschweine und das Verbot der Anbindehaltung sind Beispiele.

Während uns die umliegenden Länder in mehreren Bereichen der Produktion also auf den Fersen sind, schreibt das Bundesamt für Landwirtschaft korrekterweise in der Ausrichtung der Agrarpolitik einen Begriff ganz gross: Nachhaltigkeit. Stolz wird an einer Medienorientierung präsentiert, dass die Schweizer Bauern vorwärtsmachen würden und sich fleissig zu den Produktionssystemen angemeldet und damit Beiträge ausgelöst hätten. Das BLW fragt aber nicht, warum die Bauern das machen, und scheint auch nicht zu realisieren, dass es sich nicht um Produktionssysteme, sondern um Massnahmen handelt. 100 Franken pro GVE, damit Kühe länger im Stall stehen, ist kein nachhaltiges Produktionssystem, sondern eine unsinnige Lenkungsmassnahme wie alle anderen auch, die bislang scheiterten. Sie gibt Swissmilk bestenfalls die Möglichkeit, nicht nur für Kühe auf der grünen Wiese, sondern für alte Kühe auf der grünen Wiese zu werben. Mehr nicht.

Selbst den eigenen Mehrwert definieren

Dieser Weg und die Schlagzeilen dieser Woche zeigen, dass die Schweizer Landwirtschaft Gefahr läuft, ersetzbar zu werden. Sind die Standards in den umliegenden Ländern ähnlich oder gleich, unterscheidet nur noch eines: der Preis. Dann wird das Schweinskotelett hierzulande einfach doppelt so viel kosten. Wie erklären wir das den Konsumenten?

Es führt kein Weg daran vorbei, dass sich die Schweizer Landwirtschaft auch künftig abhebt. Und das macht sie nicht, indem sie sich von Initiativen und Bundesprogrammen treiben lässt, sondern indem sie selbst definiert, welche Mehrwerte die hiesige Produktion hat. Die Mehrwerte, wie beispielsweise weidende Kühe, müssen sichtbar und messbar sein. Der Schweizer Standard der Produktion muss sich zwingend abheben. Und diesen Standard müssen wir den Konsumenten nahelegen. Es gibt keine überlebensfähige Produktion ohne diesen Schulterschluss.

Halten internationale Standards Einzug in unser Land, verliert die Schweizer Landwirtschaft längerfristig ihre Daseinsberechtigung. Es gibt nur den einen Weg: Die Bäuerinnen und Bauern müssen die Mehrwerte selbst definieren und sich vom Ausland abheben. Sonst sind sie nur noch eines: zu teuer.