Da es sich bei Schweinen und Geflügel um Allesfresser handelt, seien verarbeitete tierische Eiweisse in deren Fütterung eigentlich ganz natürlich. An einem digitalen Expertengespräch der Gesellschaft Nutztiergesundheit Schweiz erläuterte Stefan Probst, Dozent für Tierernährung an der HAFL aber auch die Hintergründe für das bisher geltende Verbot: Es war im Zuge der BSE-Krise auch für Schweine und Geflügel eingeführt worden, um eine Kontamination und damit Infektion von Wiederkäuern sicher zu verhindern.
Gegen Prionen hilft nur Verbrennung
«In Bezug auf Tierseuchen und -krankheiten gibt es Risiken bei der Verfütterung von tierischen Nebenprodukten», nahm Lukas Perler, Geschäftsführer von Nutztiergesundheit Schweiz (NTGS) den Ball auf. Allerdings sehen die beiden Verordnungen, welche die Rahmenbedingungen in der Schweiz regeln sollen, verschiedene Sicherheitsmassnahmen vor:
- Es dürfen nur tierische Nebenprodukte (TNP) der Kategorie 3 verfüttert werden. Diese wären im Grunde auch als Lebensmittel geniessbar, z. B. Organe.
- Vollständig getrennte Warenflüsse, damit eine Kontamination von Wiederkäuerfutter ausgeschlossen ist.
«Gegen Viren, Bakterien und Parasiten kennt man wirksame Verarbeitungsmethoden», führte Perler weiter aus. Bei Prionen sei das nicht der. Solche Eiweisse sind unter anderem für BSE verantwortlich und könnten nur durch Verbrennung des kontaminierten Materials unschädlich gemacht werden. «Allerdings waren Schweine oder Geflügel nie von BSE betroffen», stellte er klar.
Keine Rückschritte bei BSE
Der NTGS-Geschäftsführer betonte, man dürfe bei der Prävention von BSE keine Rückschritte machen und auch den grenzüberschreitenden Handel im Auge behalten. TNP zu exportieren, im Ausland zu verarbeiten und als Proteine für Futtermittel wieder einzuführen sei zwar eine theoretische Möglichkeit. Dies insbesondere, da die konforme Verarbeitung von TNP Schweizer Futterwerke vor grosse Herausforderungen stellt. Das sollte sich aber im Sinne der Rückverfolgbarkeit auf den EU-Raum beschränken, so Perler.
Verschiedene Strategien der Hersteller im Ausland
In der EU ist die Verfütterung tierischer Proteine bereits seit zwei Jahren wieder erlaubt. Aber noch haben das nicht alle Mitgliedstaaten umgesetzt. Gemäss Lutz Asbeck von der deutschen Beratungsfirma Scop sind bisher Futtermittelhersteller in Deutschland, den Niederlanden, Italien und Finnland in diesem Bereich aktiv. Wegen der «kanalisierten Verwertung» – der vollständigen Trennung der Warenflüsse über die ganze Wertschöpfungskette – ist das für die Betriebe allerdings mit hohen Investitionen verbunden. In der Schweiz sei bisher kaum ein Futterwerk entsprechend eingerichtet, war von Stefan Probst zu hören. Im Ausland kooperieren z. T. die Hersteller, erklärte Lutz Asbeck, sodass nur einer sich entsprechend einrichtet und die Kosten verteilt werden. Andere mischten die tierischen Proteine erst am Ende des Herstellungsprozesses bei, was die Trennung vereinfacht. Nicht zu unterschätzen seien aber auch die Kosten für Bewilligungen und Registration.
«Ausserdem gibt es auch viele Bauern, die selbst tierisches Eiweiss ins Futter mischen», ergänzte er.
Wertvoll, aber es fehlen Erfahrungen
Zwar ist bekannt, dass tierische Proteine in der Fütterung mit guter Verdaulichkeit, wertvollen Aminosäuren und gut verfügbarem Phosphor punkten können, die theoretisch verfügbaren Mengen sind aber Schätzwerte. Stefan Probst geht von etwa 10'000 t Schweine- und 8'000 t Geflügelmehl aus, mit denen sich 10 Prozent des Soja-Imports als Proteinquelle ersetzen liessen. «Mengenmässig fast bedeutender ist aber der Phosphor», gab der HAFL-Dozent zu bedenken. Ganz anders als bei P aus pflanzlichem Futtermittel ist jener aus TNP für Schweine und Geflügel direkt nutzbar und würde es erlauben, 20 Prozent der Phosphor-Importe zu Futterzwecken zu ersetzen.
Erfahrungen zu tierischem Protein in der Fütterung fehlen heute. «Das Verbot kam vor über 20 Jahren, damit erfahrene Berater sind heute pensioniert», sagte Probst.
Für Sicherheit und Akzeptanz
Das Schliessen von Kreisläufen und die Nutzung lokaler Ressourcen in Form von TNP seien Argumente, die im Ausland von der Verfütterung überzeugen. Dies legte Lutz Asbeck dar. Es gebe viele positive Stimmen, auch weil damit die GVO- und Entwaldungs-Problematik beim Soja umschifft und Importe sowie synthetisch hergestellte Aminosäuren ersetzt werden können.
«Ob die neue Möglichkeit genutzt werden wird, entscheiden Wirtschaftlichkeit, Umsetzbarkeit, Logistik und so weiter», erläuterte Michel Darbellay vom Schweizer Bauernverband die Sicht des Marktes. Nicht nur aus Gründen der Sicherheit seien klare Rahmenbedingungen wichtig, sondern auch für die Akzeptanz bei den Konsument(innen).
Frage der Kontrollen
Die Vernehmlassung zu den beiden Verordnungen, welche die Wiedereinführung der Verfütterung tierischer Proteine regeln, läuft derzeit. Lukas Perler sieht darin bisher keine gröberen Punkte, die verbessert werden müssten. «Die Vorlage ist sehr nahe an der EU», bemerkte er. Die Frage werde eher die genaue Umsetzung – einerseits die Warentrennung, aber vor allem auch die notwendigen neuen Kontrollen.