Ich muss leider vorausschicken: Die IP-Suisse-Sömmerungsrichtlinien stossen bei der Alpwirtschaft auf wenig Gegenliebe und sind auch beim SAV-Vorstand durchgefallen. Die Alpwirtschaft ist nachweislich eine der nachhaltigsten landwirtschaftlichen Bewirtschaftungsformen. Nur dank des grossen Einsatzes der Älplerinnen und Älpler seit vielen Jahrhunderten ist der Alpenraum heute extrem reich an Biodiversität. Wir können also sagen, dass wir Älpler bis jetzt sehr viel richtig gemacht haben! Dass es nun nochmals neue Vorschriften geben soll, stösst richtig sauer auf.
Einige Zähne gezogen
Der Gerechtigkeit halber muss man sagen, dass IP-Suisse der Alpwirtschaft während der Richtlinienerarbeitung in vielen Punkten entgegengekommen ist und dem Regelwerk einige Zähne gezogen hat. Was bleibt, ist aber unserer Ansicht nach immer noch unbefriedigend. Die Bewirtschaftung der Sömmerungsflächen ist bereits stark reglementiert. Viele IP-Suisse-Kontrollpunkte werden durch die Kantone geprüft und sind deshalb schlicht unnötig.
So sind Steinbrechgeräte in der Sömmerung ja sowieso verboten. Alpfremde Dünger dürfen nur mit kantonaler Bewilligung zugeführt werden, ebenso wie Terrainveränderungen, die dem kantonalen Vollzug unterliegen. Auch der zulässige Besatz wird vom Kanton bestimmt. Dass es bei einer Erhöhung der Normalstösse nun auch noch ein Gutachten von IP-Suisse brauchen soll, stellt die Kompetenz der Kantone infrage.
Richtig Mulchen ist eine gute Sache
Grosse Mühe haben wir insbesondere mit dem Mulchverbot; die Verwaldung und Verbuschung ist eine unserer wirklich grossen Herausforderungen. Wegen der Verbuschung gehen jedes Jahr viele Alpweiden verloren, was gerade für die Biodiversität sehr negativ ist. Ich behaupte jetzt einmal – und Anwendungsversuche haben dies auch schon belegen können –, wenn man das Mulchgerät richtig anwendet, dann ist das eine gute Sache, sowohl für die Produktion als auch für die Tier- und Pflanzenwelt.
Wie in der gesamten Landwirtschaft hat auch in der Sömmerung die Arbeitsbelastung in den letzten Jahrzehnten stark zugenommen. Landwirtschaft ohne Mechanisierung ist doch überhaupt nicht mehr denkbar! Mit dem Agrarpaket 2023 konnte das Mulchen auf den Sömmerungsflächen in der Direktzahlungsverordnung endlich klar geregelt werden, dafür haben wir uns lange eingesetzt. Hier nun wieder einen Schritt zurück zu machen, ist kontraproduktiv. Sorge bereiten auch die Bestimmungen zu den Terrainveränderungen; selbst nicht bewilligungspflichtige Eingriffe könnten grosse Probleme zur Folge haben.
Mehr arbeiten für weniger Geld?
Die IP-Suisse-Sömmerungsrichtlinien sind natürlich freiwillig. Jeder Sömmerungsbetrieb kann selber auswählen, ob er mitmachen will oder nicht. Wir empfehlen einfach, gut zu überlegen, ob sich die Zusatzaufwände lohnen. Konkret heisst das: Die zusätzliche Arbeit und die Einschränkungen bei der Bewirtschaftung müssen zwingend durch einen höheren Milch- oder Fleischpreis wettgemacht werden. Die Stundenlöhne in der Sömmerung sind sowieso im Keller. Es darf nicht sein, dass die Älplerinnen und Älpler nochmals mehr arbeiten und weniger Geld dafür bekommen.
Ernst Wandfluh, Nationalrat und Präsident Schweizerischer Alpwirtschaftlicher Verband