Der Bundesrat hat am Freitag entschieden, die Trinkwasserinitiative ohne Gegenvorschlag abzulehnen. Ausserdem hat die Landesregierung den Fahrplan und erste Eckwerte für die Ausgestaltung der AP 22+ kommuniziert. Um 14.59 Uhr traf das erste Communiqué zur Trinkwasserinitiative ein, um 15.13 das zweite zum Fahrplan zur AP 22+.
Sechs Minuten nach der ersten Nachricht meldet sich schon die Industriegruppe Agrar zu Wort. In einer Mitteilung begrüsst sie das Vorgehen des Bundesrat. Die Trinkwasserinitiative sei unsachlich und schädlich.
Um 15.16 Uhr, drei Minuten nach der zweiten Meldung, erreicht das Communique des Schweizer Bauernverbandes (SBV) die Redaktion. Der SBV begrüsst darin die Trinkwasserinitiative betreffenden Entscheide der Landesregierung. Die Trinkwasser-Initiative würde weit über das Ziel hinaus schiessen, «die Produktion zahlreicher Lebensmittel in der Schweiz zu extrem einschränken und die Importe erhöhen», heisst es in der Meldung.
«Bundesrat lehnt Trinkwasser-Initiative richtigerweise ab»
Gleichwohl betont auch der SBV, dass die Anliegen der Initiative ernstgenommen würden und deshalb auch die bereits initiierten Aktionspläne Pflanzenschutz und Biodiversität sowie die Strategie Antibiotikaresistenzen aktiv unterstützt würden. Ausserdem wollen Schweizer Landwirte «ihren weltweiten Spitzenplatz in Sachen nachhaltiger Landwirtschaft verteidigen und das Vertrauen der Bevölkerung in ihre hochwertige Produkte erhalten.» Von der Regierung, der Verwaltung und der Politik, die der SBV durchaus selbst auch beeinflussen kann, erwartet man nun nichts weniger, als eine Ausrichtung der künftigen Agrarpolitik auf Basis von Artikel 104a der Bundesverfassung. Die agrarpolitischen Rahmenbedingungen sollen die Erzielung von Wertschöpfung auf dem Markt unterstützen, nicht verhindern. «Der SBV wird die in Aussicht gestellten Massnahmen im Rahmen der nächsten Reform der Agrarpolitik diesbezüglich kritisch prüfen.»
Agrarallianz: «keine Überraschung mehr»
Acht Minuten später trifft das Comuniqué der parteipolitisch unabhängigen Agrarallianz. «Dass es keinen Gegenvorschlag zur Trinkwasser-Initiative geben wird, war nach der ernüchternden nationalrätlichen Gesamtschau-Debatte keine Überraschung mehr», schreibt die Organisation.
Und selbst die Agrarpolitischen Reformvorschläge vermögen nicht zu überzeugen: Es frage sich, «ob Bundesrat und BLW (...) und vielleicht auch das Parlament das Heft in die Hand nehmen und einen realistischen, marktnahen Pfad zu einer nachhaltigeren Land- und Ernährungswirtschaft aufzeigen. Oder ob sie ein korrigierendes Volks-Ja zu einer der beiden Initiativen riskieren wollen.» Statt politischen Lösungen bevorzugt die Agrarallianz praktische Handlungen: «Fortschritte werden dann erzielt, wenn Bauern und Marktpartner zusammen mit den Konsumenten vorwärts ziehen.»
Kleinbauern: «Bundesrat setzt auf nette Worte anstatt Taten»
Und auch die Kleinbauern-Vereinigung ist wenig angetan vom bundesrätlichen Entscheid. Es sei bedenklich, «dass der Bundesrat keinen Gegenvorschlag ausarbeiten und damit ein berechtigtes Anliegen nicht ernst nehmen will», heisst es in der Medienmitteilung, die um 15:42 Uhr die Redaktion erreicht. Nach Ansicht der Kleinbauern-Vereinigung habe die Trinkwasser-Initiative sehr wichtige Anliegen auf die politische Agenda gebracht.
SVP: «dann wird es wohl den Druck der Strasse brauchen»
Die Schweizerische Volkspartei SVP indes wirft dem Bundesrat vor, den Nationalrat als Gesetzgeber zu übergehen, «wie es wohl bisher noch nie vorgekommen ist». Der Bundesrat habe die Weichen gestellt, ohne neue und klare Gesamtschau, ohne neuen Fahrplan zur Auswertung der Zielerreichung der AP 14–17. Der Bundesrat zeige damit, dass er den «grossen Unmut der Landwirte» nicht verstanden habe. Die Partei verlangt «eine sofortige Unterredung mit Bundesrat Schneider-Ammann.» Und stellt sogar eine Demonstration in Aussicht. Sollte die Unterredung ergebnislos sein, «dann wird es wohl den Druck der Strasse brauchen.»
Die BDP hat bis um 16:40 Uhr kein Communiqé zur Bundesratssitzung veröffentlicht, die FDP schrieb statt zur Agrarpolitik eine Meldung zur ihrer Meinung nach überfrachteten Aktienrechtsrevision. Auch die Grünen haben keine Meldung veröffentlicht; ebensowenig die SP, welche sich stattdessen zu den Exporten von Schweizer Kriegsmaterial in Bürgerkriegsländer äussert. Nur die Grünliberalen reagierten ihrerseits mit einer Mitteilung auf die bundesrätlichen Absichten.
GLP: «Bundesrat schiebt die Pestizidproblematik auf die lange Bank»
Nach Ansicht der GLP schiebe der Bundesrat die Pestizidproblematik auf die lange Bank; «auf Kosten der Natur und der Gesundheit der Bevölkerung.» Die GLP stösst sich vor allem daran, dass erst ab 2022 weitergehende Massnahmen umgesetzt werden sollen. «Wenn Bundesrat und Parlament nicht umgehend einen Kurswechsel einlegen, wird eine Unterstützung der Volksinitiative (...) unumgänglich.»
hja