Im Hinblick auf reduzierten chemischen Pflanzenschutz und den fortschreitenden Klimawandel ruhen grosse Hoffnungen auf der Pflanzenzüchtung: Resistentere Sorten, die weniger Schutz vor Krankheiten und Schädlingen brauchen oder mit Wetterextremen besser umgehen können. Die Zukunft der Pflanzenzucht sieht die Koalition «No Patents on Seeds» durch Patente aber in Gefahr. In einem Recherchebericht beleuchtet sie die Arbeit des Europäischen Patentamts (EPA) und gibt Beispiele von problematischen, heute gültigen oder beantragten Patenten.
Ein Verbot mit Schlupfloch
Der Verwaltungsrat des EPA habe 2017 entschieden, dass keine weiteren Patente auf konventionell gezüchtete Pflanzen und Tiere erteilt werden dürfen. Vor zwei Jahren bestätigte die Beschwerdekammer des Patentamts diese Regelung. Doch laut dem Recherchebericht bietet die Formulierung des EPA ein Schlupfloch: Patente auf die Nutzung genetischer Variationen (Mutationen) zur Züchtung sind weiterhin zulässig. Was fehlt, ist eine Unterscheidung zwischen natürlichen Mutationen und Anwendungen gentechnischer Verfahren. Die Lücke im Verbot werde ausgiebig genutzt.
Gene und deren Nutzung patentiert
«No Patents on Seeds» beschreibt die Strategie grosser Konzerne wie BASF, Bayer-Monsanto, Syngeta oder auch der KWS so, dass diese das Erbgut von Pflanzen systematisch nach zufälligen Mutationen und interessanten Varianten durchsuchen. Werden sie fündig, beantrage man den Patenschutz – für dutzende, hunderte oder sogar tausende Genvarianten. Betroffen seien Getreide- und Gemüsearten genauso wie Früchte. Ausserdem umfassten die Patentansprüche alle Nutzungen dieser Gene und Genvarianten für die weitere Züchtung.
In den Patentanträgen kämen im Übrigen spezielle Formulierungen systematisch zum Einsatz, mit denen bewusst der Unterschied zwischen technischen Elementen wie Crispr-Cas und die Methoden der konventionellen Züchtung verwischt werden.
Züchter bräuchten Anwälte und ein Labor
In der Praxis bedeuten solche Patente für konventionelle Pflanzenzüchter, dass sie einerseits Patentanträge studieren und andererseits das Erbgut ihrer eigenen Züchtungen analysieren müssten. Nur so könnte sichergestellt werden, dass nicht eine Genvariante unter Patentschutz die erwünschte und selektierte Eigenschaft mit sich gebracht hat. Die Alternative wären Lizenzverträge: Der Züchter müsste für die Nutzung beispielsweise einer Tomatenpflanze bzw. deren Gene bezahlen. Die Beträge hierfür können hoch ausfallen, insbesondere weil evtl. mehrere Lizenzen benötigt werden. «In den meisten Fällen werden die Züchter(Innen) zu der Erkenntnis kommen, dass sie keine derartigen Tomaten züchten können, ohne teure Patentanwälte und umfassende Laboranalysen zu finanzieren», schreibt die Koalition.
Ein Dschungel aus Patenten
«No Patents on Seeds» illustriert das Problem weitgehender Patente mit einigen Beispielen:
Trockenheitstoleranz: BASF erhielt das Patent auf Tomatenpflanzen mit verbesserter Toleranz gegen Trockenheit, sowie deren Früchte und Samen. Das Patent gelte für alle Pflanzen mit den erwünschten Eigenschaften, egal, ob diese mit konventioneller Züchtung oder per Gentechnik erreicht worden sind.
Verdaulichkeit: Besonders gut verdaulicher Futtermais ist durch ein Patent von KWS geschützt. Es umfasst neben einem mutierten Gen auch die Nutzung von natürlicherweise vorkommenden Genvarianten zur züchterischen Selektion.
Ackerpflanzen: Syngenta/ChemChina habe die Nutzung tausender Genvarianten u.a. von Soja und Mais zum Patent angemeldet, die z. B. widerstandsfähiger gegen Krankheiten machen. Es handle sich in den meisten Fällen um klassisch eingekreuzte Gene von wilden Verwandten der Kulturpflanzen. Alle Pflanzen mit diesen Mutationen, deren Saatgut und die Ernte sollen unter Patenschutz stehen. Ob eine vielversprechende Sojapflanze eines der 5'000 angemeldeten Gene enthält dürfte für einen kleineren Züchter schwer zu überprüfen sein.
Jordanvirus: Mehrere Firmen wollen Genregionen patentieren lassen, die Tomaten vor dem Jordanvirus schützen. Solche Mutationen kämen natürlicherweise und vor allem in wilden Tomaten vor, heisst es im Bericht.
Im Zusammenhang mit Pflanzen und Tiere dürften rechtlich gesehen nur Patente auf bestimmte technische Verfahren gewährt werden, bemerkt «No Patents on Seeds». Zwar wären Patente auf die Produkte konventioneller Züchtung verboten, die Praxis der EPA zeige aber das Gegenteil.
Gefahr für den Erhalt der Lebensgrundlagen
«Wird diese Entwicklung nicht gestoppt, können die fortgesetzten rechtlichen Unsicherheiten und Patentstreitigkeiten die weitere Pflanzenzüchtung unmöglich machen», warnt die Koalition. Die Auswirkungen würden eine Gefahr bedeuten für die Zukunft der Ernährung, der Landwirtschaft und den Erhalt unserer Lebensgrundlagen, kurz der Ernährungssicherheit und -souveränität. Hinzukämen die wachsende Macht und Kontrolle durch grosse Konzerne und der Klimawandel.
Internationale Konferenz gefordert
Per Petition will «No Patents on Seeds» eine internationael Konferenz binnen eines Jahres erreichen, auf der die Vertragsstaaten wirksame Massnahmen gegen Patente auf die konventionelle Zucht von Pflanzen und Tieren ergreifen sollen. Es brauche ein Verbot der Patentierung von Verfahren, die auf Kreuzung, Selektion, die Verwendung natürlicher genetischer Variationen oder zufälligen Mutationen beruhen. Dasselbe gelte für die Ausweitung der Ansprüche von Gentechnik-Patenten auf die Produkte konventioneller Zucht.