Eine sachliche Diskussion über Lenkungsabgaben? Das ist in der Praxis aktuell nicht möglich. Das ist nachvollziehbar: Die Preise für landwirtschaftliche Produktionsmittel sind in den letzten Jahren deutlich stärker gestiegen als die Produzentenpreise. Die Produzenten wissen: Sie können die Mehrkosten möglicher Lenkungsabgaben nicht den Konsumenten weitergeben. Zu wenig Macht haben sie am Verhandlungstisch gegenüber ihren marktmächtigen Abnehmern.
Fokus auf nachgelagerte Stufen
Solche Aussagen hören wir bei Faire Märkte Schweiz regelmässig, wenn Produzentinnen und Produzenten bei uns unfaire Handelspraktiken und immer öfter die unvorteilhaften Preisentwicklungen bei den Vorleistungen wie Dünger, Pflanzenschutz oder Futtermittel monieren. Deshalb legen wir den Fokus verstärkt auch auf die vorgelagerten Stufen der Landwirtschaft. Eine Analyse diverser Untersuchungen hat ergeben:
Insbesondere bei Dünge- und Pflanzenschutzmitteln bestehen im internationalen Vergleich deutliche Preisunterschiede von durchschnittlich 27 bis 68 Prozent gegenüber benachbarten Ländern. Auch innerhalb der Schweiz herrschen starke regionale Preisunterschiede und wenig Transparenz. Diverse Gegebenheiten im Schweizer Markt führen zu einer grossen Marktmacht auf der Vertriebsseite, was die Preise steigen lässt und die Landwirtinnen und Landwirte stark belastet. Sie beschaffen heute Dünger für insgesamt 228 Millionen Franken und Pflanzenschutzmittel für 90 Millionen Franken. Auch der Bundesrat hat im Einkommensbericht diesen Frühling festgehalten, dass «sich die Landwirtschaft sowohl beim Einkauf der Vorleistungen als auch beim Absatz ihrer Produkte einer konzentrierten Marktmacht gegenüber sieht.»
Millionen Franken Sparpotenzial
Bevor nun entschieden wird, ob in der AP 2030 Lenkungsabgaben eingeführt werden, müssen folgende Punkte zwingend berücksichtigt werden:
Transparenz schaffen: Was für die der Landwirtschaft nachgelagerten Märkte gilt, hat auch für die vorgelagerten seine Gültigkeit; es besteht grosser Handlungsbedarf betreffend Transparenz. Faire Märkte Schweiz will dies zum einen im direkten Dialog mit den relevanten und marktmächtigen Akteuren im Vorleistungsmarkt erreichen. Zum anderen ist die Einführung einer Transparenz-Plattform geplant, um Preisdifferenzen sichtbar zu machen.
Einsparpotenzial für die Landwirtschaft: Mit mehr Transparenz können ineffiziente Preissysteme aufgedeckt und Preisdifferenzen abgebaut werden. Würde man die Preisdifferenz gegenüber den benachbarten Ländern lediglich um 20 Prozent reduzieren, könnten nur schon bei Dünger und Pflanzenschutz die Vorleistungskosten um schätzungsweise 20 Millionen Franken gesenkt werden.
Neue Massnahmen nicht auf Basis unfairer Preise: Wenn über die Agrarpolitik die Preise für Produktionsmittel über Lenkungsabgaben verteuert werden müssen, dann soll dies nicht auf der Basis von verzerrten Marktverhältnissen und überhöhten Preisen stattfinden. Auch wenn die Abgaben nicht in die Bundeskasse fliessen, sondern dank der Rückverteilung wieder zurück an die Betriebe gegeben werden, lassen sich verzerrte Märkte kaum mit der nötigen Wirkung lenken.
Das gute Funktionieren der Märkte ist die Voraussetzung für Lenkungsabgaben. Heute ist dies mit den marktmächtigen Unternehmungen in den vorgelagerten und nachgelagerten Stufen der landwirtschaftlichen Produktion nicht der Fall. Es besteht die Gefahr, dass die Wirkung von Lenkungsabgaben weniger «Ressourcen-Anreize» zur Folge hat, sondern dass die Abgaben die Landwirtschaft noch mehr «in die Zange» nehmen und diese die Kosten allein tragen muss.
Stefan Flückiger ist Präsident von Faire Märkte Schweiz (FMS).