Wie der Bundesrat in einer Mitteilung berichtet, sank gemäss Zentraler Auswertung von Agroscope das landwirtschaftliche Einkommen im Jahr 2022 im Vergleich zum Vorjahr um 1,3 Prozent und betrug durchschnittlich 79'700 Franken pro Betrieb. Die Entwicklung auf Ertragsseite verlief dabei uneinheitlich, wobei die Summe der positiven Effekte überwog:
Gute Wetterbedingungen im Pflanzenbau: Trotz der überdurchschnittlichen Temperaturen und anhaltendem Regenmangel im Jahr 2022 eigneten sich die Wetterbedingungen gut für den Pflanzenbau. Besonders der Obst-, Wein- und Ackerbau (Getreide, Ölsaaten und Zuckerrüben) sollen laut Mitteilung bessere Ernten als im verregneten und verhagelten Vorjahr erzielt haben. Zusammen mit höheren Produzentenpreisen führte dies zu einem Anstieg des Ertrags.
Geflügel- und Rindfleisch mit gestiegenen Preisen: Aufgrund eines knappen Angebots auf dem Weltmilchmarkt und erzielten Rekordpreisen konnte eine Zunahme der ausbezahlten Milchproduzentenpreise in der Schweiz erzielt werden. Trotz tieferen Produktionsmengen führte dies zu höheren Erträgen.
Auch der Geflügel- und Rindfleischmarkt erreichte aufgrund eines knappen Angebots höhere Preise.
Überangebot auf dem Schweinemarkt: Der Schweinemarkt kämpfte weiter mit einem Überangebot, wodurch erneut ein starker Einbruch der Produzentenpreise und somit ein Rückgang der Erträge verursachte.
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Inflation führt zu beträchtlichen Teuerungen auf Aufwandseite
Auch der Landwirtschaftssektor blieb aufgrund der steigenden Inflation nicht von einer beträchtlichen Teuerung auf Aufwandseite verschont. Weiter hätten auch der Ukraine-Krieg und seine Folgen zu einem bedeutenden Preisanstieg der Energieträger und Mineraldünger geführt. Durch die gestiegene Anzahl an Angestellten hätten zudem die Personalaufwände zugenommen.
Gesamthaft seien laut Berechnungen von Agroscope die Aufwände stärker als die Erträge gestiegen, was zu einer Abnahme des landwirtschaftlichen Einkommens um 1,3 Prozent führte.
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Arbeitsverdienst gesunken
Gesunken sei 2022 der landwirtschaftliche Arbeitsverdienst pro Familienarbeitskraft (Vollzeit-Äquivalent) gegenüber dem Vorjahr im Durchschnitt aller Betriebe um 6,3 Prozent auf 56'100 Franken. In der Talregion sank der Arbeitsverdienst pro Familienarbeitskraft auf 73'500 Franken (4,1 %), in der Hügelregion auf 49'000 Franken (10,4 %) und in der Bergregion auf 40'1000 Franken (6,8 %).
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Gesamteinkommen pro Haushalt gesunken
Weiter berechnete Agroscope das durchschnittlich jährliche Gesamteinkommen eines landwirtschaftlichen Haushalts. Dieses setzt sich aus dem landwirtschaftlichen und dem ausserlandwirtschaftlichen Einkommen (Bsp. Anstellung in einem Handwerksbetrieb) zusammen.
Durch die Steigerung des ausserlandwirtschaftlichen Einkommens gegenüber dem Vorjahr auf 35'100 Franken (1,8 %) konnte der Rückgang des landwirtschaftlichen Einkommens leicht abgefedert werden. Dennoch sank das Gesamteinkommen auf 110'500 Franken (0,7 %).
Hier finden Sie die gesamte Auswertung von Agroscope
«Senkung der Direktzahlungen ist gesetzeswidrig»
Die neusten Zahlen zum landwirtschaftlichen Einkommen beurteilt der Schweizer Bauernverband (SBV) als «äusserst alarmierend». Schliesslich hätten schon im Vorjahr mehr als 80 Prozent der Betriebe ein tieferes Einkommen gehabt, als der Vergleichslohn vorgibt. In diesem Zusammenhang ist es nach Meinung des SBVs nicht anderes als gesetzeswidrig, dass Bund nun auch noch die Direktzahlungen senken will. In seiner Mitteilung zitiert der Verband das Landwirtschaftsgesetz, das vorschreibt, dass ein nachhaltig wirtschaftender und ökonomisch leistungsfähiger Betrieb in der Lage sein müsste, ein Einkommen zu erzielen, das mit jenem der übrigen erwerbstätigen Bevölkerung in der Region vergleichbar ist. Andernfalls müsse der Bundesrat Massnahmen ergreifen – was er nun aber mit der Senkung der Direktzahlungen aus Spargründen genau in die entgegengesetzte Richtung tut.
Gleichzeitig leidet die Landwirtschaft an der erhöhten Preissensitivität der Konsumenten, fährt der SBV fort. Mehrkosten könnten am Markt nach wie vor nicht vollständig weitergegebenen werden.
«Der SBV ist tief besorgt über die aktuelle wirtschaftliche Lage der Bauernbetriebe», heisst es in der Mitteilung. Der Verband fordert die Politik zum Handeln auf, die Sparübungen auf dem Buckel der Bauernfamilien müssten enden. Ausserdem seien Abnehmer dazu angehalten, faire und kostendeckende Preise zu bezahlen, und so die Produktion von Lebensmitteln in der Schweiz attraktiv zu halten.
Keine Entspannung in Sicht
Die Zahlen von Agroscope sind eine Vergangenheitsschau auf Stufe Betrieb. Daten für das laufende Jahr präsentierte Franz Murbach vom Bundesamt für Statistik. Es handelt sich um aggregierte Daten für den gesamten Sektor. Laut der landwirtschaftlichen Gesamtrechnung beläuft sich die Gesamtproduktion der Landwirtschaft 2023 auf nahezu 11,9 Mrd Fr., was einem Anstieg von 2 % gegenüber 2022 entspricht. Die Ausgaben für Vorleistungen betragen 7,4 Mrd Fr. (+0,8 %). Die Landwirtschaft dürfte 2023 eine Bruttowertschöpfung von 4,5 Mrd Fr. generieren +4,2 % gegenüber 2022). Grund dafür seien hauptsächlich bessere Ernten im Futterbau. Der durchzogene Frühling und die darauffolgende Trockenheit hätten aber den Ackerkulturen sowie dem Früchte- und Gemüsebau zugesetzt. Die tierische Produktion ist mit jener von 2022 vergleichbar.
Auf Seiten der Nachfrage vermerkte Franz Murbach, dass man von einer Teuerung von +2,2 % ausgehe, hingegen für Nahrungsmittel spreche man von einem Plus von 5,1 %. Die Preise für Produktionsmittel würden 2024 wahrscheinlich auf hohem Niveau bleiben. Inbesondere befürchtet Murbach, dass die Strompreise steigen werden.