AboJagdverordnungAlbert Rösti und der Wolf: Droht ein «Massaker» – oder ein Fehlstart?Dienstag, 5. September 2023 «Die Naturschutzorganisationen sehen geltendes Recht verletzt», schreiben Pro Natura, BirdLife, die Gruppe Wolf Schweiz und der WWF in einer gemeinsamen Mitteilung. Die wichtige Rolle des Wolfes für den Lebensraum Wald komme in der Diskussion um Grossraubtiere kaum je zur Sprache, kritisieren sie. Nun würden aufgrund des «irritierenden» Verhaltens von Bund und Kantonen die Abschüsse ganzer Wolfsrudel flächig bewilligt.

Einseitig umgemünzt

Nach Meinung der Umweltverbände wird das neue Jagdgesetz nicht nach dem Willen des Parlaments umgesetzt, sondern «einseitig auf Wolfsabschüsse gemünzt». Denn die Parlamentarier(innen) hätten in der Beratung klar betont, dass der Abschuss ganzer Rudel die absolute Ausnahme bleiben müsse und nur Rudel «ausser Kontrolle» vollständig entnommen werden sollten. «Entgegen der Zusicherung des Bundesrats sind nun sogar Abschüsse von ganzen Rudeln bewilligt worden, die nur sehr wenige Nutztiere gerissen haben», heisst es in der Mitteilung.

Auch ein Schutzauftrag

Pro Natura und Co. erinnern das Bundesamt für Umwelt (Bafu) daran, dass das es sich beim Jagd- auch um ein Schutzgesetz handelt. Damit habe das Bafu ebenso einen Schutzauftrag für heimische Arten wie den Wolf. «Ein Auftrag, dem die aktuelle Verordnung und die Abschusspläne mancher Kantone nicht nachkommen», so die Kritik.

Damit sind offenbar die Kantone Graubünden und Wallis gemeint. Denn wie es in der Mitteilung weiter heisst, lassen die Umweltverbände mehrere Abschussverfügungen in diesen Kantonen gerichtlich überprüfen.

Sieben Verfügungen in Überprüfung

Man sehe sich als Anwält(innen) der Natur und habe wegen des «unverhältnismässigen Vorgehens gegen eine geschützte Tierart» für folgende Abschüsse eine gerichtliche Prüfung veranlasst:

Graubünden: Vier von acht Abschussverfügungen, namentlich die Eliminierung des Stagias- und Vorab-Rudels sowie die Regulierung des Jatzhorn- und Rügiul-Rudels.

Wallis: Drei der sieben Abschussverfügungen, namentlich die Eliminierung des Hauts-Forts-, Nanztal- und Isérables-Fou-Rudels.

Wo es um eine plausible Verhinderung grosser Schäden gehe, bleibe der Spielraum der Kantone für proaktive Eingriffe in den Wolfsbestand vollumfänglich erhalten, versichern die Umweltverbände.

Aufschiebende Wirkung

Wie das Amt für Jagd und Fischerei des Kantons Graubünden bereits Ende letzter Woche mitgeteilt hat, haben die Beschwerden vor dem Bundesverwaltungsgericht von Pro Natura, BirdLIfe und dem WWF aufschiebende Wirkung. Daher hatte der Kanton umgehend die proaktive Wolfsregulation «vorderhand gestoppt». Unmittelbar nach Eingang der Beschwerde seien die zur Sonderjagd angemeldeten Jäher(innen) informiert worden. Man werde zeitnah die nächsten rechtlichen Schritte prüfen und einleiten.

«Wollen nichts zur Problemlösung beitragen»

Beim Bündner Bauernverband herrscht grosses Unverständnis ob der Beschwerde der Naturschutzorganisationen. Präsident Thomas Roffler sagt gegenüber der BauernZeitung, er habe in keinster Weise damit gerechnet: «Ich ging davon aus, dass die Wolfsproblematik von den Umweltorganisationen erkannt und anerkannt wurde.» Das Vorgehen zeige einmal mehr, «dass diese Leute nichts zur Problemlösung beitragen wollen». Man sei sehr enttäuscht und konsterniert, besonders da der Kanton Graubünden mit grosser Vorsicht in Bezug auf die Wolfsregulierung agiert habe. Das Unbehagen und das Misstrauen gegenüber den Naturschutzverbänden sei gross und nun noch grösser. Auch weil die Wolfsgegner mit diesem Vorgehen auf Zeit spielten. «Die Sonderjagd ist zeitlich begrenzt. Jeder Tag ohne Jagd ist für sie ein Gewinn.»

Der Frust ist Roffler anzuhören: «Für den Bündner Bauernverband stellt sich noch stärker die Frage, wie eine Koexistenz zwischen Nutztieren und Grossraubtieren aussehen soll, wenn die Naturschutzorganisation zwar Lippenbekenntnisse zur Wolfsregulierung machen, aber schlussendlich jede Möglichkeit so ein Management zu erproben verhindern.» Nun werde es auf den Inhalt der Beschwerde ankommen, dieser ist noch unbekannt.