Die heutigen Besitzverhältnisse im Toggenburg gehen auf eine lange geschichtliche Entwicklung zurück. Die Klöster als Alpeigentümer verliehen die Alprechte gegen Abgaben an die Bauern. Die Alpnutzer wurden, wenn auch nicht juristisch, durch Gewohnheit faktisch zu Eigentümern der durch sie bewirtschafteten Alpen.
Mit der Überarbeitung des Grundbuches, sollen Besitzer von Alpgebäuden nicht mehr im Grundbuch als Eigentümer eingetragen sein. Die Betroffenen, darunter viele Bauern, fühlen sich um ihr Eigentum betrogen. Die Grundbuchaufsicht des Kantons St. Gallen hat eine andere Sichtweise auf die Thematik. Die BauernZeitung hat bei Alexander Gulde, Leiter Amt für Gemeinden und Bürgerrecht, und Ernst Kurer, Leiter der Grundbuchaufsicht, nachgefragt, weshalb dies so ist.
Das Problem war bekannt
[IMG 2]Die Frage nach dem Eigentum der Alpzimmer (Oberbegriff für Alpgebäude) sei mit der Einführung der neuen Alpbuchverordnung auf den 1. Januar 2020 wieder aktuell geworden, sagt Gulde. Die «Verordnung über die selbstständigen Anteilsrechte und das Alpbuch» löste die Verordnung über das Alpbuch vom 22. März 1951 ab. Gleichzeitig wurde die Verordnung an das elektronische Grundbuch angepasst.
Vergleichbar mit einer Wohnbaugenossenschaft
Die Grundbuchämter in den Gemeinden sind per Verordnung angewiesen, die Alpbücher zu bereinigen, die Grundstücknummern zu erfassen und die Anteilsrechte festzuhalten, wo das nicht bereits gemacht wurde. «In Bezug auf das Eigentum an Alpzimmern hat diese Verordnung nichts geändert», hält Gulde fest. Er vergleicht die rechtliche Situation der Alpkorporation mit jener einer Wohnbaugenossenschaft – mit dem Unterschied, dass bei der Alpkorporation die Nutzer für den Unterhalt der Gebäude zuständig sind: «Rechtmässige Eigentümer waren schon seit der Einführung des Grundbuchs die Alpkorporationen.»
Unterschiedliche Auffassung zwischen Recht und Gelebtem
Ernst Kurer verweist darauf, dass seit der Einführung des Zivilgesetzbuches (ZGB) 1912 für dingliche Rechte das geschriebene Recht gilt. Letzteres bedeutet, dass es für das Eigentum an Grundstücken einen Eintrag im Grundbuch braucht. «Dass es unterschiedliche Auffassungen zwischen Recht und Gelebtem gibt, wurde in der Vergangenheit immer wieder diskutiert. Diese Diskrepanz ist nicht neu», sagt der Grundbuchinspektor.
Dem Argument, dass es nicht nur mündliche, sondern auch schriftliche Verträge über den Besitz von Alprechten und-gebäuden gibt, hält Kurer entgegen: «Verträge haben keine Eigentumswirkung, solange nichts im Grundbuch eingetragen ist.» Beim Eigentum an Grundstücken und den darauf befindlichen Gebäuden handelt es sich um Zivilrecht. Die Gesetzgebung auf dem Gebiet des Zivilrechts ist Sache des Bundes. Demgemäss bleibt im Bereich des Grundeigentums kein Raum für kantonales Recht oder Recht von privatrechtlichen Korporationen.
Eintrag der Baurechts ist eine Lösung
Das Bundeszivilrecht verlangt, dass das Eigentum an Gebäuden nur mittels Baurechtsvertrag vom Grundstück und damit vom Eigentümer der Liegenschaft (vorliegend die Korporation) gelöst und im Grundbuch als Baurecht eines anderen Eigentümers eingetragen werden kann. Die einfachste Möglichkeit, dass Personen rechtmässig Eigentümer der Alpgebäude werden, wäre demnach die Einräumung eines Baurechts, sagen die beiden Amtsvertreter.
«Das ist jedoch nicht Sache des kommunalen Grundbuchamtes. Das muss zwischen der Alpkorporation und dem Nutzer des Alpzimmers vereinbart werden», hält Alexander Gulde fest. Für die Einräumung eines Baurechtes bräuchte es aber auch die Zustimmung des Landwirtschaftsamtes, weil es hier um bäuerliches Bodenrecht geht.[IMG 3]
Ernst Kurer weist darauf hin, dass es einige Alpkorporationen gibt, die in ihren Statuten ein Baurechtverbot festgeschrieben haben. «Werden die Gebäude im Baurecht eingetragen, verliert die Alpkorporation ihr Eigentum und das Bestimmungsrecht.» Eine andere Möglichkeit wäre die Auflösung der Alpkorporation. Aber auch dafür bräuchte es die Zustimmung der Alpkorporation und des Landwirtschaftsamtes.
«Unglücklich formuliert»
Konfrontiert mit der Frage, weshalb sich die Leute so auf das Grundbuchamt eingeschossen haben, sagt Ernst Kurer: «Es gab kommunale Grundbuchämter, die das Alpbuch, in dem die Grundbuchnummern und Anteilsrechte festgehalten sind, in beschreibenden Teilen – diese sind ohne Rechtswirkung – mit teilweise irreführenden Anmerkungen versehen hatten.» Da hatte es zum Beispiel Zusätze wie «Baurecht gemäss Alpstatuten» drin, was einen gewissen Interpretationsspielraum zulasse. Zudem habe die Gebäudeversicherung, gestützt auf Angaben der kommunalen Grundbuchämter, Gebäudenutzer als Eigentümer bezeichnet, was eben nicht zutreffend sei.
Alexander Gulde will nicht per se von einem Fehler der Grundbuchämter in den Gemeinden sprechen: «Ich würde sagen, es wurde ein falscher Eindruck erweckt.» Ob dies rechenschaftspflichtig sei, müssten andere Instanzen entscheiden. Er wie auch Kurer raten eher von einer Grundbuchberichtigungsklage ab. Der Gebäudenutzer müsste gegen die Alpkorporation klagen, deren Mitglied er ist. Gulde sagt abschliessend: «Wenn sich Alpkorporation und Gebäudenutzer einig sind, könnte die Vergabe eines Baurechts der einfachste Lösungsweg sein.»