Dass angehende Bäuerinnen und bäuerliche Haushaltleiter sowie angehende Betriebsleiter und Betriebsleiterinnen den Unterricht gemeinsam besuchen, gibt es normalerweise nicht. Bis jetzt. Seit Anfang September läuft am Inforama ein Pilotprojekt, welches das Modul «Persönliche und methodische Kompetenzen (B01)» der Betriebsleiterschule (BLS) mit dem Modul «Familie und Gesellschaft (BP 03)» der Bäuerinnenausbildung teilweise verbindet. Konkret wurden eine BLS-Klasse sowie eine Klasse des hauswirtschaftlichen offenen Kurses (OK) 23–25 zusammengeführt. Sie werden in zwei gemischten Klassen unterrichtet.

Diese Themen wurden zusammengelegt

Kommunikationswege: Unterschiede der Männer- und Frauensprache, verbal und nonverbal kommunizieren, konstruktives Feedback.

Konfliktmanagement: Gefahr und Chancen von Krisen/Konflikten, Wahrnehmung, Eskalationsstufen, Lösungen, faire Streitkultur, kulturelle Aspekte.

Familienunternehmen: Besonderheiten, Rollen und Werte verschiedener Lebensphasen, Wertschätzung und Anerkennung, Beziehungen und Rollen im Familienunternehmen und beim Generationenwechsel, Familiengespräche und Verhandlungen gezielt führen.

Balance im Alltag: Umgang mit eigenen Anforderungen, Erschöpfung und Prävention, Selbstmanagement.

Auftritt in der Öffentlichkeit: Sprache und Gestik, Aufbau einer Rede, Strategien bei Redeangst.

Die Stundenplanung gestaltete sich schwierig

Die Herausforderung sei gewesen, die gemeinsame Unterrichtszeit im Stundenplan zu integrieren, meint Sabine Vogt, Ressortleiterin Höhere Berufsbildung Hauswirtschaft. «Aufgrund diverser Voraussetzungen findet der Unterricht am Inforama Waldhof statt», erklärt Brigitte Reinmann, Lehrerin Höhere Berufsbildung Hauswirtschaft. Sie bestreitet den Unterricht gemeinsam mit Renata Bürki, Lehrerin Höhere Berufsbildung Landwirtschaft.

Parallelen zur Praxis schaffen

Die Grundidee entstand in den Leitungsebenen der beiden Berufsfelder. Den Horizont erweitern, Möglichkeiten ausloten und Neues wagen waren Ursprungsgedanken zur Lancierung des Projekts. Später wurden die Lehrpersonen mit ins Boot geholt, erläutert Sabine Vogt das Vorgehen. Renata Bürki, Brigitte Reinmann sowie Margret Brönnimann, ebenfalls Lehrerin Höhere Berufsbildung, erarbeiteten gemeinsam die erste Grobplanung und die Rahmenbedingungen. Sie standen stets im Austausch mit den Leitenden Inforama, erklärt Brigitte Reinmann. «Mit der Zusammenlegung wollen wir Parallelen zur Praxis schaffen», betont Sabine Vogt. Denn immer mehr würden die Paare auf den Betrieben die starre Trennung von Hauswirtschaft und Landwirtschaft aufweichen und eine ganzheitliche Betriebsführung als Familienunternehmen anstreben. Dieser Entwicklung wolle der gemeinsame Unterricht Rechnung tragen. Sabine Vogt betont, dass die Modulvorgaben beider Ausbildungen eingehalten würden. Zusammengelegt wurden lediglich die Themen, die sich überschneiden.

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Zuerst braucht es Vertrauen

«Beim gemeinsame Unterricht sind die Lernenden gefordert, ihre Komfortzone zu verlassen», erklärt Brigitte Reinmann. Da es in beiden Modulen um Lebensthemen geht, den sogenannten Soft Skills, sei es Voraussetzung, dass die Teilnehmenden sich zuerst kennenlernen können, um ein gewisses Vertrauen aufzubauen. Auf diesem Boden des Vertrauens werde es erst möglich, heikle Themen anzusprechen, Beispiele der Teilnehmenden aufzunehmen und praxisbezogen zu arbeiten. «Gerade sind drei Halbtage gelaufen und wir sind gespannt, wohin der gemeinsame Weg uns führt», meint Brigitte Reinmann. Beide Lehrpersonen sind sich einig, dass zu einem solchen Projekt verschiedene Phasen gehören würden, wie auch Widerstände und unterschiedliche Bedürfnisse. 

Frauen und Männer haben andere Arbeitsweisen

Herausfordernd sei nicht nur der Unterricht selbst, sondern war auch dessen Gestaltung. «Die BLS ist methodisch-didaktisch anders unterwegs als die OK-Frauen», weiss Renata Bürki. «Im gemeinsamen Unterricht passiert der Austausch zwischen den Geschlechtern im direkten Austausch», so Bürki. Den Lehrerinnen ist es wichtig zu betonen, dass der Unterricht kein «Gschpürsch-mi-Ding» sein soll. Dennoch seien die Soft Skills für ein erfolgreiches Führen eines Betriebes ebenso wichtig wie die fachspezifischen Kompetenzen (Hard Skills). Da das Pilotprojekt die Chance zum direkten Austausch zwischen Männern und Frauen bietet, werde oftmals in kleinen Gruppen gearbeitet. Diese würden mehr Schutzraum für persönliche Themen gewährleisten. Gleichzeitig würden so Gesprächskompetenzen erweitert und die Teilnehmenden könnten aktiver werden. Die Lehrpersonen bringen persönliche Beispiele ein. Die Auszubildenden entscheiden selbst, wie viel Persönliches sie preisgeben wollen. Die beiden Lehrerinnen zeigen sich jedoch erfreut über das Mitmachen. Nach Beendigung des Pilotprojekts ist eine genaue Auswertung geplant. Ob es eine Fortsetzung findet, ist noch unklar.

Die BauernZeitung hat vier Lernende gefragt, was sie vom gemeinsamen Unterricht halten

 

Fanina Berteotti,Wynigen: [IMG 3] Der Unterricht ist sehr bereichernd und der Austausch mit den unterschiedlichen Menschen sehr wertvoll. Es ist spannend, neue Leute kennenzulernen und sich in den Pausen auch über anderes als das Fachliche austauschen zu können. Die Kommunikationsthemen sind, vor allem für die Männer, nicht so einfach zu greifen. Ich schätze, dass wir mit konkreten Übungen ein Instrument bekommen, das wir bei der Gesprächskultur zu Hause anwenden können. Ich kann dadurch sachlicher und weniger emotional an eine Sache herangehen

Jonas Hofer, Biembach: [IMG 4] Der Unterricht bringt mir andere Perspektiven und bietet Ideen zum Austausch zwischen Frauen und Männern, das ist gut. Alles zusammenbringen ist sicher nicht einfach, die Lehrerinnen machen aber das Beste daraus. Ich bin trotzdem nicht überzeugt vom Modell. Die gemeinsame Kursdauer ist mir zu lang, die Thematik könnte man auch in zwei Tagen abhandeln. Ich finde es schade für die Zeit, für die ich auch noch zahlen muss. Für mich hat das Ganze zudem etwas von «Bauer, ledig sucht …», nur halt auf Stufe Inforama

Katrin Schaad, Ersigen: [IMG 5] Die Idee ist toll, bringt Abwechslung in den Unterricht und ich erhalte andere Sichtweisen. Das Thema Kommunikation ist sehr spannend. Ich wünschte mir jedoch vom Unterricht mehr Praxisbeispiele in Bezug auf die Landwirtschaft. Ein grosser Teil der Theorie könnte abgekürzt werden. Ich finde es spannend, vom Austausch mit den anderen zu profitieren, gerade auch mit den Männern. Ich lerne die Vielfalt der Landwirtschaft sowie verschiedene Familienzusammenstellungen und Herausforderungen kennen.

Lars Buri, Diessbach b. Büren: [IMG 6] Die Idee ist nicht verkehrt, jedoch für mich persönlich nicht optimal umgesetzt. Ich finde, dass der Unterricht zu wenig Praxisnähe hat. Andere Meinungen zu hören und Diskussionsmaterial zu erhalten, finde ich hingegen gut. Meine Hoffnung, mehr von den Bedürfnissen der Bäuerinnen zu hören, wurde bislang nicht erfüllt. Einiges, wie das Thema «Wer bin ich», hätten wir auch im Selbststudium erarbeiten können.Trotz all der Umstände machen wir alle neue Bekanntschaften und haben eine gute Zeit.