Landwirtschaft in einem Wüstenstaat? Das scheint auf den ersten Blick nicht zusammenzupassen. Doch die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) am Arabischen Golf möchten den Agrarsektor ausbauen. Was das heisst, erkundete eine Gruppe von Leserinnen und Lesern der BauernZeitung auf einer Reise.
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Im Sommer wird es bis zu 50 Grad heiss. Über zwei Drittel des Landes sind Wüste. Trotzdem sagt Reiseleiter Mohamed: «Wir haben kein Problem mit Wasser.» Das Land verfügt über 600 Milliarden Liter Grundwasser. Allerdings sind nur drei Prozent davon Süsswasser. Daher wurden 70 Entsalzungsstationen gebaut. Zusätzlich investieren die VAE in «Cloud-Seeding». Dabei werden von Flugzeugen aus mit Fackeln Salzmoleküle in die Wolken geschossen, die dann Regen abgeben sollen.
Doch die VAE setzen viel daran, den Selbstversorgungsgrad von rund 50 Prozent zu erhöhen. Insgesamt gibt es im Land rund 380'000 Landwirtschaftsbetriebe, nur etwa jeder fünfte gehört Einheimischen. Etwa 10 Prozent der Höfe produzieren biologisch, die Nachfrage ist steigend.
177 Hydroponik-Farmen
177 der Farmen arbeiten mit Hydroponik: Die Pflanzen wachsen auf einem Substrat, die Farmen brauchen 70 Prozent weniger Wasser. «Wasser ist kostenlos, Strom wird vom Staat subventioniert», erklärt Amjad Omov, der syrische Manager einer Hydrokultur-Farm in der Nähe von Dubai. Die Farm gehört zu einem Konstrukt aus 35 Firmen und besteht aus 21 Gewächshäusern. Vor Ort werden vor allem Salate und Kräuter produziert. Saat und Setzlinge kommen aus den Niederlanden, die Hummeln zum Bestäuben aus Thailand und das Substrat aus Sri Lanka.
Im Gegensatz zur Schweiz werden die Gewächshäuser vorwiegend gekühlt und nicht beheizt. Das geschlossene System für den Anbau verfügt über computergesteuerte Kontrollsysteme für Luft, Temperatur und Feuchtigkeit.
40 Millionen Dattelpalmen
Weiterfahrt in die Oasenstadt al-Ain, die für ihre lokalen Märkte bekannt ist und über sechs Süsswasserquellen verfügt. Das Wasser wird über die steinernen Falaj-Kanäle verteilt, ein traditionelles arabisches Bewässerungssystem. Produziert werden hier unter anderem Datteln. In den VAE stehen rund 40 Millionen Dattelpalmen, sie machen etwa 44 Prozent des Landwirtschaftsertrags aus. Auf der grössten Dattelfarm des Landes stehen 630'000 Bäume.
Auf dem Weg nach Fujairah gibt es einen Halt bei der Emirates Bio Farm, dem grössten privaten Biohof des Landes. Hier wachsen unter anderem Dill, Okra, Auberginen, Salate, Hirse, Brokkoli, Kabis, Kürbis und Quinoa. Auf dem Betrieb sind 103 Mitarbeiter tätig, davon 60 Landarbeiter. Die übrigen arbeiten im Agrotourimuszweig des Hofs.
100 Meter bohren
Eine Reihe von Beeten ist mit heller Folie abgedeckt – damit der Boden nicht zu heiss wird. Für die Bewässerung kann die 25 ha grosse Farm natürliche Brunnen anzapfen, muss aber 100 Meter tief bohren. «Bio ist wegen des besseren Geschmacks von den Konsumenten gefragt», erklärt Manager Yazen Al-Kodmani, der Sohn des Besitzers. «Ökologie ist weniger ein Thema, der Preis auch nicht.»
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Der Boden ist rot und hat keinen Salzgehalt, was in den VAE nicht selbstverständlich ist. Als Dünger kommen Kompost und Hühnermist zum Einsatz. Schädlinge werden so lange wie möglich toleriert. Werden sie zu übermächtig, wird der Anbau der befallenen Pflanze gestoppt. Im Juli wird dann praktisch alles abgeerntet, und in der Sommerhitze sterben auch die Schädlinge ab. Im August startet jeweils die neue Anbausaison.
6000 Falken
Bevor es zum nächsten Besuch eines Landwirtschaftsbetriebes ging, steht ein Abstecher zum weltweit ersten und grössten Falkenkrankenhaus auf dem Programm. Hier werden jährlich über 6000 Falken behandelt. Die VAE gelten als das führende Falknerei-Zentrum der Welt und der Falke ist der Nationalvogel des Landes. Gut ausgebildete Falken kosten zwischen 10'000 und 25'000 Franken, besonders wertvolle Tiere auch schon mal das Zehnfache. Jeder Zuchtfalke hat übrigens einen eigenen Reisepass und bei der Fluglinie Emirates das Recht, einen Sitz in der gleichen Klasse wie sein Besitzer zu belegen. Dafür hat Emirates eine eigene Abteilung, wie auch für den Transport von Araber-Pferden.
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Ein schmiedeeisernes Tor und dahinter eine grosse, gepflegte Rasenfläche: So präsentiert sich die Rumailah-Farm in Fujairah. Der Betrieb mit rund 80 Angestellten ist im Besitz der Herrscherfamilie des Emirats. Zur Farm gehören rund 300 Jersey-Kühe, von denen 180 zweimal täglich gemolken werden. Gefüttert werden sie mit Luzerne aus Ägypten. Die Tiere leben in einem gekühlten Freilaufstall und können selbstständig in einen schattierten Aussenbereich. Die Milch wird vor Ort zu Butter, Laban, Eiscreme, Butterschmalz und pasteurisierter Trinkmilch verarbeitet und direkt vermarktet. Die Gülle wird täglich von der Stadtverwaltung abgeholt. Was damit passiert, weiss der Farmmanager nicht.
8500 Kamele
Kamelmilch gilt in den VAE als «weisses Gold» und seit jeher als Allerheilmittel, vor allem bei den Beduinen. Die Schweizer Gruppe besuchte die grösste Kamelfarm des Landes, auf der rund 8500 dieser Schwielensohler gehalten werden. Das Unternehmen mit 600 Mitarbeitenden verarbeitet die Kamelmilch unter dem Namen «Camelicious» weiter. Unter anderem exportiert sie Milchpulver für Babynahrung, weil Kamelmilch auch bei Milchallergien verträglich ist, da die Moleküle von Fett und Protein anders sind.
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Das Farmgelände umfasst eine Fläche von 50 Quadratkilometern. «Die Tiere können nach dem Melken täglich selbstständig herumgehen», erklärt Produktmanager Emre Demir. «Das ist wichtig für sie um gesund zu bleiben, es entspricht ihrer Natur.» Kamele werden in den VAE als «nachhaltige» Tiere angesehen, da sie nur wenig Wasser brauchen. Sie werden mit rund fünf Jahren geschlechtsreif und können achtmal trächtig werden, bei einer Lebenserwartung von 20 bis 25 Jahren.
Täglich 20 Geburten
Auf der Farm werden rund 4000 Tiere täglich gemolken, wobei ein Kamel jeweils sechs bis zehn Liter Milch gibt. Der Geschmack unterscheidet sich von Kuhmilch: Durch die enthaltenen Mineralien ist sie erst salzig, dann schmeckt man die Süsse.
Jeweils von Mitte September bis März werden die Kamele trächtig. Die Tragzeit beträgt 13 Monate. «Im Dezember haben wir täglich 15 bis 20 Geburten.» Nach dem Abkalben können die Kamele 12 bis 18 Monate gemolken werden.
Die Jungtiere bleiben dabei in Kontakt mit den Muttertieren: Zweimal täglich gehen die beiden nach dem Melken zusammen drei bis vier Kilometer spazieren. Danach sind sie in getrennten Gehegen untergebracht, haben aber Sicht und Geruchskontakt: «Deshalb haben wir hier so gute Vibes», meinte Emre Demir beim Abschied mit einem Lächeln.
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