Ich gehe weit zurück. Es war einmal ein kleiner Bub, der wuchs in den angeblich guten Zeiten, auf einem idyllischen gelegenen Bauernhof in der Hügellandschaft des Napfgebietes auf. Aus Sicht des kleinen Bauernbuben – nennen wir ihn Hansli – war immer Mutter da. Jeden Tag kochte sie in riesigen Pfannen auf dem Holzherd und wusch wöchentlich Berge von Wäsche in der dampfenden Waschküche. Im Sommer schwitzte sie beim Heuen, am Abend, wenn es kühler wurde, pflückte sie Bohnen im Gemüsegarten, wo sich Hansli zwischen den unendlich hohen Stangenbohnen versteckte. Zur Familie gehörten neben dem Vater zwei ältere Schwestern und ein jüngerer Bruder. Hansli liebte seine Schwesterchen nicht. Ständig kommandierten sie: Hansli, komm Essen, wasch Deine Hände, iiiih du bist voller Kuhdreck, so grusig! Zieh Dich aus, so kommst du uns nicht ins Haus. Und die Hosen schon wieder zerrissen, Mutter wird schimpfen! Mutters Schimpf fiel gnädig aus, aber auf die Schwestern, auf die hätte Hansli noch so gerne verzichtet.

Sie kommandierten im Auftrag der Mutter, die im Garten, auf dem Feld und im Schweinestall viel zu tun hatte und sich deshalb nicht ständig um den Hansli kümmern konnte. Später, als die Schwestern grösser und der Schule entwachsen waren, arbeiteten beide weiter auf dem Hof, denn es gab viel zu tun. Vaters Meinung zur Ausbildung seiner Töchter lautete: Sie sollen kochen, flicken, waschen, jäten, heuen. Heiraten werden sie ohnehin bald.

Dass die Schwestern heiraten und wegziehen, das war ganz im Sinne des kleinen Hansli, denn dann wären die ständigen Aufpasserinnen weg! Beide Schwestern halfen oft in Nachbarin Agnes Wechsler-Felders Haushalt. Sie stammte aus dem Entlebuch, hatte ein bestimmtes Auftreten, sieben Kinder und zu ledigen Zeiten Krankenschwester gelernt. Eines Abends zur Bohnenpflückstunde besuchte sie meine Mutter, sie redete allerlei, auch darüber, dass die Töchter eine Ausbildung als Krankenschwester machen sollten. Agnes Wechsler liess nicht locker, sie rühmte die Bohnen und dann redete sie auch noch mit den Schwestern. Eines Tages verliessen die beiden Schwestern den Hof, um Krankenschwester zu lernen. Die verstorbene Agnes Wechsler-Felder erkannte schon damals, dass es wichtig ist, dass auch Frauen eine Ausbildung abschliessen. Heute selbstverständlich,
in den 1960er-Jahren nicht.

Bildung und Ausbildung sind heute zum Glück die Regel für alle Frauen. Beides gibt ihnen ein eigenes Einkommen, Selbstvertrauen und macht sie weniger abhängig vom Partner oder Ehemann. Bei einer Klassenzusammenkunft vor 13 Jahren vertraute mir eine Jahrgängerin an, dass sie nach der Schulzeit von den Eltern in eine Bäckerei vermittelt wurde, um den Haushalt zu besorgen und die Kinder zu betreuen. Einzig ein Aufstieg zur (ungelernten) Verkäuferin wurde ihr gewährt. Die damals 50-jährige Frau bedauerte, nie eine Ausbildung abgeschlossen zu haben. Ich könnte eindrückliche Beispiele aufführen, wo die Ehefrau auf dem Hof solange geschätzt wurde, wie sie nicht aufmuckte. Wehe, eine Frau kam zum Schluss, dass 365 Tage zu je 12 Stunden Arbeit auf dem Hof nicht ihr Lebensziel sei!

Nach einer Scheidung fallen die Alimente in der Regel tief aus. Im besten Falle hatte die Bäuerin früher einen Beruf erlernt und der Wiedereinstieg ins Arbeitsleben gelang. Nach der Scheidung fallen Frauen oft in die Armut, wenn bisher keine Beiträge auf ihren Namen in die Sozialversicherung einbezahlt wurden und keine berufliche Vorsorge nach BVG abgeschlossen wurde. Der Grund war, ihr wurde kein Lohn ausbezahlt oder gutgeschrieben! Die schmerzhafte Folge ist, dass für geschiedene Frauen im Alter mit bescheidener AHV und nur geringer Rente aus beruflicher Vorsorge die Altersarmut vorprogrammiert ist. Höchste Zeit, dass auch Bäuerinnen sozial abgesichert werden, wie es in der Agrarpolitik 2022+ vom Bundesrat vorgeschlagen ist. Damit würden auch die 70 Prozent der Bäuerinnen, welche noch heute keinen Lohn erhalten, finanziell besser gestellt. Schliesslich ist die Gleichstellung der Geschlechter seit 1981 in der Bundesverfassung verankert, das Bundesgesetz über die Gleichstellung von Frau und Mann seit 1996 in Kraft.

Ausgebildete Frauen strahlen Selbstsicherheit aus und wenn sie Bestätigung auch im Beruf finden, streiken sie nicht. Und seien wir ehrlich – auf einem Bauernhof ohne Bäuerin fehlt die Herzenswärme!