Nur für einen kurzen Moment leuchten die Augen von Sibylle Siegrist auf. Sie blickt auf die Pflanztische mit tausenden von jetzt noch kleinen Tomaten- und Peperonisetzlingen. «Ist das nicht ein schönes Bild?» Vor Wetterkapriolen geschützt wachsen sie in den nächsten Wochen im Gewächshaus zu stattlichen Jungpflanzen heran.

Märkte waren wichtiger Absatzkanal

Ab Ende April wären sie bereit zum Setzen in Privatgärten oder in Töpfen auf Balkonen. Wenn da nur nicht dieses Coronavirus wäre, wegen dem die Schweiz zurzeit stillsteht. Die Biobäuerin aus Küttigen AG ist weitherum bekannt für ihre Vielfalt an Gemüsesetzlingen.

Sie verkauft sie normalerweise direkt an die Kundschaft beispielsweise am Aarauer Gemüsemarkt aber vor allem auch auf den grossen Pro Specie Rara-Setzlingsmärkten auf den Schlössern Wildegg und Wartegg oder auf dem Kräuter- und Wildpflanzenmarkt in Escholzmatt. Diese Märkte seien für ihr Geschäft matchentscheidend, sagt sie. Und nun das. Alles abgesagt! 

 

 

Soll man noch pikieren?

Sibylle Siegrist fragt sich, ob und wie viel sie überhaupt noch pikieren soll. Diese aufwändige Arbeit der Vereinzelung der Pflänzchen ist nämlich in diesen Tagen fällig. Soll sie 1000 oder doch nur einen Drittel der 1500 ausgesäten Pomodorrini-Tomatensetzlinge behalten? Zwar gelten die strengen Massnahmen des Bundes gegen die Verbreitung des Corona-Virus offiziell nur bis 19. April. Doch die Setzlingsmärkte danach finden definitiv nicht statt.

Der Verlust ist absehbar

Und ob der Wochenmarkt in Aarau so bald wieder stattfinden wird, ist mehr als ungewiss. Es werde ein hartes Jahr werden, sagt sie. «Ein grosser wirtschaftlicher Verlust ist absehbar». Und da sind ja noch zwei Mitarbeiter, die zurzeit halbtags bei ihr angestellt sind und auch entlöhnt werden wollen.

20 Prozent weniger produzieren 

Verlumpen werde sie aber nicht so schnell. Sie habe sich stets an einen alten Grundsatz ihres Vaters gehalten. «Er sagte immer, ein Bauer muss so arbeiten, dass er einen Totalausfall in einem Jahr überleben kann.» Die Aargauer Gemüsebäuerin leidet vor allem auch im Herzen: «Es tut mir weh, einen Peperoni-Setzling vorzeitig zu kompostieren, der in ein paar Monaten drei Kilogramm Früchte gegeben hätte.» Nach dem ersten Schock hat sie sich nun entschieden, trotz allem über ihr gesamtes Sortiment rund 80 Prozent der üblichen Setzlingsmenge zu produzieren.

Märkte sind auch Treffpunkte gewesen

Sie muss in kürzester Zeit ihr bewährtes Business-Modell umbauen, das auf den direkten Kundenkontakt aufbaut. In den nächsten Tagen lanciert sie einen eigenen Online-Shop (www.setzling.ch). Und natürlich ist da noch der Verkauf ab Hof, der ja immer noch erlaubt ist. Doch die emotional geprägten Setzlingsmärkte, auf denen sich die Hobbygärtner zu Tausenden auf den Füssen herumtreten, sind kaum zu ersetzen.