Mahlzeiten mit Kindern am Tisch, besonders wenn sie noch kleiner sind, kann für Eltern oder andere Betreuungspersonen zur Herausforderung werden. Wer kennt es nicht: Liebt ein Kind heute ein bestimmtes Lebensmittel, kann es schon morgen laut ausrufen: «Bäh, das mag ich nicht.» Oder das Kind möchte einige Tage nur Pasta essen und verweigert alles andere. An anderen Tagen werden hingegen die Teigwaren verschmäht und der Nachwuchs will nur Fleisch oder Gemüse. Selten essen Kinder genau so, wie sich das die Erwachsenen unter Einbezug der Ernährungspyramide als gesund und ausgewogen vorstellen. Aber was brauchen die Kinder wirklich am Esstisch und wie gehen Eltern damit um, wenn Kinder nicht das essen, was sie sollen? Diesen Fragen ging jüngst ein Kurs des Ebenrain-Zentrums für Landwirtschaft, Natur und Ernährung in Sissach BL nach.
Das Essen als Nebensache betrachten
Als Fazit kann vorneweg genommen werden, dass sich Eltern und andere Betreuungspersonen oftmals viel zu viele Gedanken und Sorgen machen, wenn das Kind nicht isst, was es sollte. So macht die Kursleiterin Anina Beck deutlich: «Es ist nicht wichtig, dass ein Kind jede Mahlzeit ausgewogen isst». Je mehr die Eltern den Fokus auf das Essen legen würden, desto schwieriger werde die ganze Situation am Tisch. Dabei sollte die Zeit am Tisch Momente der Begegnung bieten. Denn am Tisch werden zwei emotionale Grundbedürfnisse des Kindes vereinigt.
- Das Bedürfnis nach Verbundenheit (Bindung und Beziehung zu anderen Menschen).
- Das Bedürfnis nach Autonomie (das Gefühl von Selbstwirksamkeit, etwas bewirken zu können).
Beide Bedürfnisse sollen optimal gestillt werden. Beim Essen soll die gute Zeit, das Zusammensein im Vordergrund stehen, das Essen selbst jedoch als nebensächlich betrachtet werden. Wenn sich das Kind dabei wahrgenommen und respektiert fühlt, können auch Regeln und Bestimmungen durch die Eltern umgesetzt werden.
Was braucht das Kind wirklich?
Um sich gesund zu entwickeln, brauchen Kinder ausreichend Nährstoffe, Vitamine und Mineralstoffe. Als Erwachsene kennen wir die Ernährungspyramide. Diese Pyramide gilt jedoch nicht für Kinder. Bei Erwachsenen sollte der grösste Teil der Ernährung aus Obst und Gemüse bestehen, erst danach kommen in der Pyramide die Kohlenhydrate aus Getreide, Kartoffeln, Mais oder Reis. Bei Kindern ist es genau umgekehrt. Sie benötigen für die Entwicklung und den Umstand, dass sie sich viel mehr bewegen als Erwachsene, mehr Kohlenhydrate.
Jeden Tag ausgewogen essen müssen Kindern nicht
Es ist aber nicht so, dass Kinder jeden Tag ausgewogen essen müssen. Je nach Entwicklungsstand brauchen sie mal mehr Eiweiss, mal mehr Kohlenhydrate. Anina Beck betont: «Kinder essen, was sie brauchen, sofern wir ihnen nicht zu stark reinreden.» Es soll unbedingt darauf verzichtet werden, die Kinder zu drängen oder gar zu zwingen, von allem zu essen. Auch wenn das bedeutet, dass tagelang nur Pasta bevorzugt wird. Wichtig ist, dass das Angebot jederzeit nach der Pyramide aufgebaut ist, also immer von allem vorhanden ist. «Wir definieren, was es gibt, das Kind entscheidet, was es davon isst», rät die Kursleiterin.
Das Hunger- und Sättigungsgefühl ist noch vorhanden
Kinder können zudem das Hunger- und Sättigungsgefühl besser wahrnehmen als wir Erwachsenen, die das verlernt haben. Das Auffordern zum Aufessen und dieses mit einem Dessert zu belohnen, sei zudem ungünstig. Genau dadurch würde das Wahrnehmen des Sättigungsgefühls verlernt werden.
Anina Beck nennt es so: «Nehmt den Fokus vom Essen und den Drang, zu kontrollieren, was und wie viel das Kind nun gegessen hat, weg.» Auch wenn dies mit guter Absicht geschehe. Lasse man das Kind zum Beispiel selbst schöpfen, sei das förderlich, damit es seinen Hunger auch einzuschätzen lerne. Zudem sollten die Kinder am Tisch nicht ständig «bäschelet» und belehrt werden. Das habe keinen Sinn, so Anina Beck. Und ergänzt: «Was einem wichtig ist, muss vorgelebt werden», und zwar von allen Personen am Tisch. So nütze es nichts, wenn zwar die Mama vorlebe, dass etwa Spinat etwas ganz Tolles und Feines ist, der Papa jedoch davon keinen Bissen probiere. Genauso verhalte es sich mit Tischregeln, die jede Familie nach ihrem eigenen Gutdünken festlege.
Verschmähte Speisen roh, statt gekocht anbieten
Wie bei so vielem gibt es auch beim Essen Vorlieben und Abneigungen. Im Kurs wird deutlich, dass Geschmack lernbar ist. «Kinder essen nicht, was sie mögen, sondern lernen, zu mögen, was sie essen», macht Anina Beck klar. Wenn etwas nicht schmeckt, sollte es bis zu 20-mal probiert werden. Lehnt ein Kind ein Lebensmittel kategorisch ab, kann versucht werden, dieses in einer anderen Form oder roh statt gekocht anzubieten. Das helfe manchmal schon.
Eintöpfe oder Aufläufe verbergen dem Kind den genauen Inhalt
Und dann hat sie noch einen Tipp parat: Würden die Speisen separat angeboten, sei die Akzeptanz oft grösser, als wenn etwa ein Eintopf oder Auflauf serviert wird, bei dem das Kind nicht genau sieht, was da alles drin ist.
Auch wenn man sich viel vornimmt – es gelingt nicht immer alles auf Anhieb. Fehler, Konflikte und Hilflosigkeit können auch bei Tisch vorkommen. Humor und Gelassenheit würden in solchen Momenten helfen, weiss Anina Beck als Mutter eines kleinen Mädchens.