In Graubünden bieten Alpenchic-Läden wie überall in Tourismusgebieten Stallbänkli für Ferienhausbesitzer an. Ferienhäuser werden auf Wunsch zusätzlich mit löchrigen Gepsen, Heugabeln oder Sensen ausgestattet. Ein Graus.
Anstatt Nostalgie und Kitsch zu verkaufen, muss unser Anspruch sein, die Aufmerksamkeit auf die reale Landwirtschaft zu lenken. In Graubünden stellen rund 2000 Landwirtschaftsbetriebe mit Wiesen, Äckern, Kühen, Traktoren und Flurwegen reale, emotional hochinteressante Orte zur Verfügung. Es rattert, blökt, staubt und riecht von wunderbar bis intensiv. Der reale Werkplatz Landwirtschaft ist viel interessanter als romantisierende Bilder von einer Landwirtschaft, die es nie gab: lieber Kuhfladen auf der Strasse als nutzlos gewordenes, entfremdetes Werkzeug an der Wand.
Die Arbeit hinterlässt Spuren
Von wegen realem Bild des Werkplatzes Landwirtschaft und dessen Schönheiten: Die Frage «Wo steht dein Stallbänkli?», die geht an Bäuerinnen und Bauern. Ein Schwatz auf der Bank, den Blick über die getane Arbeit schweifen lassen, sich selbst innerlich auf die Schulter klopfen: Ohne das geht es nicht. Ich sehe das nicht als Idylle, sondern als Notwendigkeit. Alle KMU-Inhaber, nicht nur die landwirtschaftlichen, müssen sich ihre Erfolge selbst vor die Augen führen können. Mit Zahlen (die sind nie wirklich nur gut), Kundenreaktionen (selten kommt ein Dank) oder eben dem eigenen, wohlwollenden Blick auf die getane Arbeit. Dafür müssen sich alle Unternehmer auch mal Zeit lassen. Und ich behaupte, die Landwirtschaft hat es einfacher: Die Arbeit ist sichtbar, hinterlässt Spuren.
Und wie halten es die Haldensteiner Bauern mit Orten der Ruhe? Ich habe mich in meinem Dorf umgehört. Früher, so sagt man mir, seien die Bäuerinnen und Bauern hier mit Stolz über die Felder gegangen. Aber sie führten immer einen Rechen oder eine Hacke mit. Es sollte weder nach Gwunder noch nach Stolz, sondern nach Arbeit aussehen. Und heute? Da wird das Maiensäss oder eine Feuerstelle im Obstgarten als Ort der Zufriedenheit genannt. Auch die klassische Stallbank kommt zum Einsatz. Und der Gang oder die Fahrt mit dem Auto über die Fluren nach Feierabend dient als Bestätigung.
Alles verfänglicher Quatsch
Und nun kommt meine steile Schlussfolgerung, raus aus dem Kosmos Haldenstein zur Gemütslage der Schweizer Landwirtschaft. Nur wer weiss, wo sein Stallbänkli steht, kann positiv auf seinen Betrieb und die Zukunft blicken. Auch auf der Stallbank zu sitzen, ist Arbeit. Im Umfeld unserer zunehmend schlecht gelaunten Gesellschaft positionieren sich Verbände, Parteien und (Agrar-)Politiker, die Ängste adressieren. Sie machen uns vor, Ausländer oder die EU nähmen uns alles weg, die Grossverteiler wollten eh nur Importe und man könne nichts mehr selbst bestimmen. Das ist alles Quatsch, verfängt aber. Schützen wir uns auf der Stallbank vor ätzendem Pessimismus.
Zur Person
Christof Dietler ist Agronom und Mitinhaber der Agentur Pluswert (Chur und Basel). Er schreibt für die Rubrik «Arena» im Regionalteil Ostschweiz/Zürich der BauernZeitung.